Licht & Scha
Nur zu gern richten wir unsere Aufmerksamkeit auf das Gute, das Glück und die Freude. Das vermeintliche Gegenteil wird hingegen lieber verdrängt. „Doch ohne Schatten gibt es kein Licht, man muss auch die Nacht kennen.“wusste bereits Albert Camus.
Wann hast du zum letzten Mal geweint, mehr noch, dich über deine Tränen gefreut? Vielleicht geht es dir da wie mir: Wenn sich Schmerz oder Trauer ihren Weg durch den Körper bahnen, klopft man sich selten selbst auf die Schulter. Schnell sind sie weg gewischt, die kleinen feuchten Stellen auf den Wangen. Niemand soll sie sehen. Was da herunter kullert ist kein gern gesehener Gast.
Viele haben in ihrem Leben schon genug Dunkelheit erfahren und suchen nach Auswegen. „Das Kapitel schließe ich jetzt ab“, „Ich will mich dem nicht weiter aussetzen“, „Ich blicke jetzt nur nach vorn, niemals mehr zurück“– vielleicht wird sich der eine oder andere in einem dieser Sätze wiederfinden. Verdrängen und Nicht-wahr-haben-wollen führen jedoch nicht heraus aus dem Leid, theoretisch wissen wir das. Praktisch sieht es anders aus: Wir lehnen uns lieber einmal mehr gegen unsere Lebensschubladen, als sie zu öffnen und hineinzublicken – ja, mutig in uns zu spüren, selbst dann, wenn es unsagbar weh tut. Wir können uns selbst noch so viel Licht predigen und Worte der Liebe aussprechen, uns auf das Schöne und das Leichte, das Glück und die Freude konzentrieren – solange wir das Helle als das einzig erstrebenswerte ansehen und das Düstere „weg“haben wollen, wird alles so bleiben wie es ist. Leid bleibt, Schmerz bleibt. Er verfolgt uns wie ein Schatten. Ein schlechtes Gefühl einfach vernichten zu wollen, funktioniert selten. Solange wir gegen etwas kämpfen, brauchen wir einen Gegner. Und der Gegner wird so lange bleiben, bis unser Kampf endet. Aber wie geht man nun mit der eigenen Dunkelheit am besten um? Vielleicht wäre ein Ansatz erst einmal zu erkennen, dass sie nicht das Gegenteil von Licht ist und auch nicht bekämpft werden muss. Die vermeintlichen Kontrahenten Licht und Schatten sind eine Illusion, genauso wie ihre Bewertung gut und schlecht. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Nöte gut finden oder gar lieben sollen. Wir können versuchen, Schmerz zu akzeptieren und anzunehmen, um damit Frieden zu schließen. Vielleicht muss man die Dinge auch erst einmal richtig in die Hand nehmen, ansehen und spüren, um sie eines Tages wirklich loszulassen. So manch Schmerz darf auch immer ein Teil von uns bleiben. <