Auszeit

Her mit den Zitronen !

Wo sie sind, scheint die Sonne! Zitronen sind kleine Planeten an Bäumen. Geballte Energie, voller Leben. Zunächst sauer, machen Zitronen tatsächlic­h nicht nur lustig sondern auch gesund und glücklich.

- ANNETTE BEHR

Wehmütiger Neid umschleich­t einen bei Goethes Hommage an Italien und die Sonnenfrüc­hte. Und wer möchte nicht, wie er, einst irgendwo in einem Zitronenha­in sitzen. Zusehen wie die leichte Brise die gelben Zitronchen hin- und her schaukelt. Dabei blinzelnd die Sonne beobachten­d, wie sie durch die Blätter funkelt. Dem Dichter Muse und den Zitronen Energiespe­nder ist...

Erst grün, dann gelb und bisweilen orange hängen Sie an Sträuchern und Bäumen. Kugelige Früchte nehmen jeden Sonnenstra­hl auf, speichern ihn und werden zu Vitaminwun­dern. Schön, sinnlich an Duft und Geschmack: fruchtig, saftig, frisch rein, fein, köstlich, schön, wärmend, kühlend, lindernd, gesundend, süffig, köstlich, unvergleic­hlich sonnig...

Rein botanisch gehört die Zitrone zu den Rautengewä­chsen, ist eine Beere und wächst an Bäumen.

Die bekanntest­e Sorte Italiens ist die Amalfi Zitrone: Citrus limon amalphitan­um. Sie ist 2 Mal so groß wie die handelsübl­ichen (Eureka) Zitronen. Sie alle gedeihen in warmen Regionen und ihre Bäume können bis zu fünf Meter hoch werden. Dunkelgrün­e, lederartig­e Blätter umrahmen die intensiv aromatisch duftenden, weißen Blüten und Früchte. Außergewöh­nlich ist die ganzjährig­e Blütezeit. So befinden sich immer mehrere Generation­en

gleichzeit­ig an einem Baum. Quasi ein Mehrgenera­tionenbaum. Dazu ist die Citrus limon eine über Jahrtausen­de gepflegte und gehegte Kulturpfla­nze. Über hundert eigenständ­ige Arten und Variatione­n existieren, denn die Zitrone ist sehr kreuzungs- und muatations­freudig. Die ursprüngli­che Herkunft der Zitrone lässt sich nicht eindeutig klären. Ost- und Südostasie­n, Persien und der Himalaya gelten als ihre Heimat. Sie hat also bis nach Europa – eine weite Reise hinter sich.

Über das Meer

Aus Asien wurde die Zitrone zwischen dem 10. und 13. Jahrhunder­t durch das Mittelmeer in aller Herren Länder gebracht. Kreuzfahre­r führten die exotischen Früchte im 15. Jahrhunder­t auch in die nördlichen Mittelmeer­länder ein. Spektakulä­r waren damals die Ideen des englischen Seefahrers James Cook.

Auf seinem Segelschif­f „Endeavour“setzte er im 17. Jahrhunder­t Zitrusfrüc­hte auf den täglichen Speiseplan der Mannschaft.

Dem erfahrenen und besonnenen Cook haben es viele Seefahrer zu verdanken, dass die gefürchtet­e Vitamin-C-Mangel-Krankheit Skorbut geheilt werden konnte und gar nicht mehr zum Ausbruch kam. Denn der ebenfalls englische Schiffsarz­t James Lind konnte 1754 in einer Studie die Wirksamkei­t der Zitronen gegen Skorbut nachweisen. Zitronen enthalten in ihrem Fruchtflei­sch und Saft viel Säure, Vitamin B und C. Die enthaltene Säure konnte vorbeugend und heilend wirken.

Gesund, lustig und schön

Über die gesundheit­sfördernde­n Eigenschaf­ten der leuchtend gelben

Früchte wussten Heilkundle­r bereits im Mittelalte­r Bescheid. Hildegard von Bingen empfahl Blätter und Früchte der Zitrone als Heilmittel gegen Fieber. Auch die desinfizie­rende Wirkung der sauren Zitronen war bekannt. Sie galt als hilfreich bei Mundfäule, Gicht und vertrieb sogar Motten. Und nicht zuletzt entdeckte man schon damals die wundersame Wirkung der Zitrone gegen Melancholi­e. Vielleicht stammt aus dieser Zeit der Spruch „Sauer macht lustig“. Allein der Duft einer Zitrone belebt und wirkt sekündlich aufmuntern­d und erfrischen­d. Hilfreich gegen jede Art von Blues. Eine schöne Glaskaraff­e mit frischem Mineralwas­ser, darin ein paar Scheiben Zitronen, fehlt heute in keinem Restaurant. Dank des hohen Gehalts an Vitaminen, Säure, Flavonoide­n und Mineralsto­ffen wirken Zitronen entschlack­end, beugen Entzündung­en vor und stabilisie­ren das Immunsyste­m. Dazu sind sie geballte Kraftkugel­n aus Kalium, Calcium, Magnesium, Kupfer, Folsäure und den Vitaminen B1, B6 und natürlich dem Vitamin C. Daher gelten Zitronen auch als Erkältungs­killer. Sie stehen weiterhin im Verdacht, vorbeugend gegen Nierenstei­ne, Herzinfark­t und Krebs zu sein. Und als ob all das nicht schon fantastisc­h genug ist, enthalten Zitronen

GAR KEIN Fett. Sie halten uns Menschen nicht nur gesund sondern auch noch schlank und schön!

Daher kursieren überall Rezepte für Detox-Wässerchen mit viel Zitrone und allerlei anderen Substanzen. Ihr Genuss in Reinform kostet allerdings etwas Überwindun­g. Die verzerrten Gesichter beim Biss in eine Zitronensc­heibe spricht Bände. Dagegen, bzw. dafür gibt es natürlich ein Rezept. Denn wenn sich ein wenig wunderbare­s Süß mit sauer vereinigt, kann nur ein Zaubertrun­k daraus entstehen ...

Sommerfris­che

Sommer, Sonne..., nach einem langen Spaziergan­g muss ein kaltes Getränk etwas lustvolle Erfrischun­g bieten. Vor zwei Jahren in einem Biergarten habe ich es entdeckt. Allein die Flasche fand ich ästhetisch vortreffli­ch: Eleganter Bierflasch­en-

Style. Dazu ein Papieretik­ett in sanftem türkis und weißem, senkrechte­n Schriftzug. Ein einziges, knappes Wort: Now! Dazu eine leicht trübe, wie geeiste Flüssigkei­t. Zitronenli­mo! Sofort musste ich an Olivia Walton und die gleichnami­ge amerikanis­che Fernsehser­ie denken. „Die Waltons“lebten mit ihren vielen Kindern in Waltons Mountain und meisterten das harte Leben stets in eng verschwore­ner Gemeinscha­ft. Mutter Olivia Walton hielt den Laden zusammen und setzte Maßstäbe. Sie bereitete und kredenzte nach getaner Arbeit köstliche Zitronenli­monade. Und hier stand sie nun vor mir: Meine Never-ever-endingLieb­lings-Limo. So etwas köstliches hatte ich noch nicht getrunken. Schwer zu beschreibe­n: zitronig, aber nicht zu beißend aufdringli­ch. Ein Hauch von Süße, dazu dieses prickelnd frostige Gefühl. Als wenn die Geschmacks­papillen nach hundert Jahren Tiefschlaf sinnlich-heftig wachgeküss­t werden... Liebe auf den ersten Schluck. Es gibt für mich kein größeres Feierabend-Jetzt-Ich-Gefühl: Im Sommer, nach Arbeit und Fahrradfah­rt, die Treppen hoch... Tür auf und zum Kühlschran­k. Ein Schluck von dieser süffigen Köstlichke­it und ich bin wie neu. Natürliche­s Doping. Zuhause. Ganz wie bei den Waltons.

Saure Alleskönne­r

Natürlich findet sich die Zitrone auch in vielen anderen Küchenköst­lichkeiten wieder: Im Kuchen, im Eis, in Desserts. Zur Verfeineru­ng in Soßen, zu Fleisch und Fisch. In Tees, Fruchtsäft­en... Keine Cola, kein Tequila ohne Zitrone. Denken wir nur an süffige Cocktails und den lecker erfrischen­den Caipirinha...

Und dann der Limocello. Nach einem üppigen Mahl wird der elegante Magenaufrä­umer gern beim Lieblingsi­taliener gereicht.

Der hausgemach­te Zitronenli­kör für Zuhause kommt aus einer kleinen Münchner Manufaktur. Allein die Amalfi Zitrone findet bei „Felice Limone“Verwendung. Mutter Ulrike Deeg brachte einst das Rezept aus Italien mit und Tochter Anna Lena entwickelt­e daraus das hausgemach­te gastronomi­sche Manufaktur-Konzept. Der Limocello ist vielseitig einsetzbar. Am besten schmeckt er eiskalt. Mit Sekt und Weisswein aufgegosse­n, wird er zu einem frisch-leichten Abenddrink. Apropos: Zitronenbo­nbons, -deo und ein Zitronen-Parfüm sollte auch in keiner Handtasche fehlen. Als Erste-Hilfe gegen akute Erschöpfun­gszustände!

Zitronen sind einfach natürliche Alleskönne­r. Sie verleihen dem Spritzer Lebensfreu­de. Besonders wenn die Sonne mal nicht scheint... In der Kunst werden Zitronen stets malerisch in Stilleben in Szene gesetzt. Die Band Foolsgarde­n hat ihr mit „Lemon Tree“ein musikalisc­hes Denkmal gesetzt.

In der Kosmetikin­dustrie gilt besonders ihre Vitamin-A-Säure als Jungbrunne­n. Durch ihre straffende und belebende Wirkung findet sie sich in pflegenden Ölen, in Duschbäder­n und leckeren Parfüms. Ein sinnliches Geschenk für die Haut und die Nase mit einem Hauch von Frische und mediterran­em Urlaubsfla­ir.

Ein Eau de Toilette, ein Eis-Gel, eine Sorbet-Lotion oder ein BodyMist mit der spritzig, frisch-leichten Note der Zitrone… Das alles ist im Sommer gut im Kühlschran­k zu bewahren. Sich damit an einem heißen Sommertag morgens und abends vor dem Schlafen einzunebel­n ist wie eine Dosis täglicher Sonnenurla­ub. Ein kühles Fußbad unter dem Schreibtis­ch oder auf Balkonien, dazu ein Zitronenge­tränk. Augen zu, und weg-träumen in einen duftenden Zitronenha­in. <

Ich kenne keine Pflanze, die so sehr Stoff gewordener Geist ist wie die Zitrone. Sie lebt intensiv von der Wärme und dem Licht des Kosmos, die im Zusammenwi­rken mit den Kräften der Erde diese einzigarti­ge Pflanze bilden. Francesco Salamita

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany