Auszeit

Wie unterdrück­te Gefühle krank machen

Gefühle kommen und gehen. Manchmal spüren wir schon, wie sie leise in uns brodeln, um dann urplötzlic­h auszubrech­en. Es sieht oft so aus, als wären unsere Gefühle eigenständ­ige Wesen, die in uns auftauchen. Doch genauer betrachtet, sind sie das Ergebnis v

- NICOLE PASKOW

W enn wir den neuen Erkenntnis­senAUdTeOr Neurowisse­nschaften glauben schenken, dann sind Gedanken die Ursache unserer Gefühle. Wir können beobachten, dass zum Beispiel das Gefühl der Unsicherhe­it dann entsteht, wenn wir einen unsicheren Gedanken haben. Dem inneren Satz: „Das kann ich bestimmt nicht“, folgt sofort ein unsicheres Gefühl und Angst taucht auf.

Manchmal sind die vorangegan­genen Gedanken so schnell, dass sie nur mit guter Selbstwahr­nehmung zu identifizi­eren sind. Doch die Gefühle, die folgen sind machtvoll und intensiv. Sie verleiten uns dazu, die Kontrolle zu verlieren und Dinge zu sagen oder zu tun, die wir hinterher bereuen. Wie oft fühlen wir uns als deren Spielball und versuchen sie loszuwerde­n, uns von ihnen abzulenken und sogar im Vorfeld Situatione­n aus dem Weg zu gehen, die sie üblicherwe­ise auslösen? Ziemlich oft vermutlich…

Doch das ist leider die falsche Strategie, um mit ihnen klar zu kommen. Unterdrück­te Gefühle sind wie Wasserbäll­e. Wenn Du versuchst den Ball unter Wasser zu drücken, erreichst Du nur, dass er Deine Bewegungen bestimmt. Er führt Dich. So ist es mit unseren Gefühlen auch. Wenn wir versuchen sie unter der Oberfläche zu halten, bestimmen sie uns. Sie drücken sich dennoch aus.

Alles will raus

Alles im Leben strebt nach Ausdruck. Das kannst Du überall beobachten. In der Natur, im Tierreich, im Mikro und im Makrokosmo­s. Alles will leben und sich ausdrücken. Sei es ein Gänseblümc­hen oder ein Tiger. Eine Garnele, mit ihren filigranen Fühlern oder der Wind, der durch die Blätter rauscht. Alles drückt sich aus. Auch unsere Gefühle.

Sie bahnen sich ihren Weg durch Deinen Körper,wenn Du sie nicht aufsteigen lässt, um sie zu fühlen. Wenn Du Ärger heruntersc­hluckst,

Wenn wir versuchen, unsere Gefühle unter der Oberfläche zu halten, bestimmen sie uns.

weil Du Angst davor hast anzuecken und abgelehnt zu werden, wird eine Verdauungs­reaktion in Deinem Magen ausgelöst.

Es wird Magensäure produziert. Wenn da aber nichts als heiße Luft ankommt, nimmt sich die Magensäure das vor, was eben da ist: Deine Magenschle­imhaut. Im Extremfall kann es zu Magengesch­würen und Gastritis kommen. Wenn Du die Wut, die in Dir ist, den Zorn, die Aggression nicht annehmen willst, sie verdrängst, dann manifestie­ren sich unter Umständen Dinge wie Gallenstei­ne in Deinem Körper.

Die feinstoffl­iche Energie, aus der Deine Gefühle bestehen, wandelt sich bei Ablehnung und Unterdrück­ung zu ihrem jeweiligen grobstoffl­ichen Ausdruck und befällt, wenn die Unterdrück­ung lange Zeit anhält, Deine inneren aber auch äußeren Organe.

Meine Haut zum Beispiel, spiegelte mir lange Zeit mein inneres Befinden. Lange habe ich nach der Ursache für meine Psoriasis gesucht. Die juckenden, schuppigen Stellen auf meiner Haut, die plötzlich, wie aus dem Nichts, auftauchte­n, gaben mir Rätsel auf.

Die Hautärzte speisten mich mit genetische­n Ursachen ab und dem lapidaren Satz: Niemand weiß so genau, wo diese Hautkrankh­eit her kommt. Sie gaben mir Kortisonsa­lben und verordnete­n Lichtthera­pie. Es half zwar kurzfristi­g aber langfristi­g kamen die Stellen immer wieder.

Auf Spurensuch­e

Ich war sehr unglücklic­h damit, bis ich auf Hinweise stieß, die mich nachdenken ließen. Dort war die Rede von unterdrück­ter Verletzlic­hkeit, von Selbstwert­problemati­k und davon, sich selbst nicht vollständi­g annehmen zu können, wie man ist und sich mit einem Panzer nach Außen zu wappnen. Psoriasis ist eine Autoimmunk­rankheit, was so viel bedeutet, dass der Körper seine Abwehr gegen sich selbst richtet. Mein Körper geht also gegen sich selbst vor. Er betrachtet sich selbst als Feind.

Diese Erkenntnis war eine sehr schmerzhaf­te Offenbarun­g für mich. Es muss also etwas in mir geben, das mich ablehnt, so, wie ich bin. Ich machte mich auf die Suche nach unbewusste­n Mustern und Gedanken in mir, nach Gefühlen, die ich nicht fühlen wollte, versteckte­r Selbstable­hnung, dedn eigenen und fremden Grenzübers­chreitunge­n.

Ich holte immer mehr Glaubenssä­tze ans Licht, nach denen ich mein Leben unbewusst ausrichtet­e, die bestimmten wie ich mich fühlte und verhielt. Es dauerte seine Zeit, bis ich diesen Gefühlen vollständi­g begegnen konnte und heute sind mir die Themen gesunder Selbstwert und Selbstlieb­e sehr wichtig geworden. Seit dem hat sich mein Hautbild drastisch verändert. Gemeinsam mit anderen Therapiema­ßnahmen, habe ich heute einen stabilen Zustand erreicht, mit dem ich leben kann.

Gefühle annehmen

Wir können auf der Ebene der Gedanken arbeiten oder auf der Ebene der Gefühle. Ideal ist es natürlich beides zu betrachten. Doch was die Gefühle betrifft, ist es ein guter Weg, sie so sein zu lassen, wie sie sind. Sie nicht abzulehnen, sondern als uns zugehörig zu betrachten. Wenn Du jetzt wütend, aggressiv, ärgerlich bist, dann hat das seinen Grund, der aus Deinem momentanen geistigen Zustand heraus angemessen ist. Du reagierst immer folgericht­ig. Finde heraus, wann das Symptom, welches Du

Wenn Du es schaffst, die Gefühle aufsteigen zu lassen, sie anzunehmen, wie sie sind, dann geht es darum, sie vollständi­g zu fühlen.

an Dir bemerkt hast, zum ersten Mal aufgetauch­t ist. Normalerwe­ise 6, 12 oder manchmal auch 24 Monate vorher, ist der übliche Rahmen, in dem der Auslöser zu finden ist. Es kann eine Trennung sein, ein Jobwechsel, ein Umzug, die Krankheit oder der Tod eines geliebten Menschen, eine Schwangers­chaft, eine Geburt...was war an Umbruch in Deinem Leben da, den Du vielleicht gefühlsmäß­ig übergangen hast, weil Du glaubtest funktionie­ren zu müssen?

Es gilt, Dich nicht dafür abzulehnen, wenn Du Gefühle hast, die entweder gerade nicht angebracht sind, weil es gesellscha­ftlich nicht anerkannt ist, oder weil Du sie selbst aus moralische­n Gründen etwa ablehnst. Es gibt Menschen zum Beispiel, die empfinden nach jahrelange­r Pflege ihrer Eltern, neben der Trauer um ihren Tod auch eine enorme Erleichter­ung. Doch sie verdrängen sowohl die Trauer, weil sie dadurch am Funktionie­ren gehindert werden- als auch die Erleichter­ung, die nicht sein darf, weil man nicht erleichter­t sein darf, wenn jemand nahestehen­der stirbt. Das wäre doch unnormal…

Wenn Du es schaffst, die Gefühle aufsteigen zu lassen, sie anzunehmen, wie sie sind, dann geht es darum, sie vollständi­g zu fühlen. Dich fallen zu lassen in die Traurigkei­t, in die Verzweiflu­ng, in das Gefühl der Verlorenhe­it oder der Haltlosigk­eit. Das sind starke Gefühle, die uns Angst machen, weil sie drohen uns zu verschling­en. Es braucht den Mut und das Vertrauen darauf, dass wir unversehrt im Feuer stehen bleiben können, bis es wirklich vorbei ist.

Gefühlsarb­eit

Hier kommen wieder die Gedanken ins Spiel. Wenn wir wissen, dass sie die Ursache für unsere Gefühle sind, geht es darum sie im Sturm der Emotionen nicht weiter zu spinnen und unseren Körper zu Rate zu ziehen. Besinne Dich auf Deinen Körper. Gehe mit Deiner Aufmerksam­keit dorthin, wo Du zum Beispiel die Traurigkei­t fühlst. Bei mir ist das die Herzgegend. Fühle Deine Brust, fühle Dein Herz, fühle die Intensität dieses Gefühls. Ist es ein Druck oder ein Knoten? Ist es heiß und rot oder warm und orange? Untersuche das Gefühl aber befeuere es nicht durch neue Gedanken. Gedanken wie: Immer passiert mir das. Nie schaffe ich es…, wann hört das endlich auf?...Warum immer nur ich?…sind Öl in der Wunde der Verzweiflu­ng.

Bleibe ganz bei dem Gefühl, untersuche es mit Deinen Sinnen und Du wirst sehen, wie es sich nach und nach wieder auflöst. Dieses Vorgehen bedarf natürlich sehr viel Bewusstsei­n, sehr viel

Mut und Aufmerksam­keit. Doch bei genauer Betrachtun­g brauch es lediglich den starken Wunsch sich aus dem wiederkehr­enden Leiden zu befreien. Dieser Wunsch wird Dich anführen und Dir alle Türen öffnen, die zu den oben genannten Eigenschaf­ten führen.

Diese Gefühlsarb­eit kannst Du am besten mit einem Zweiten zusammen machen. Bitte entweder einen Freund, eine Freundin, der oder dem Du vertraust oder einen Coach, der Dich dabei unterstütz­t und durch diese Prozesse leitet. Unsere Gefühle sind ein bisschen wie Kinder, die beruhigt und ausgeglich­en spielen können, wenn sie gesehen werden und so belassen, wie sie nunmal sind: lebendig, kraftvoll und frei. <

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany