Bischof Bode blickt zurück
Seit 25 Jahren Bischof von Osnabrück
OSNABRÜCK Seit einem Vierteljahrhundert ist Franz-Josef Bode Bischof von Osnabrück. Damals war er der Jüngste in der Bischofskonferenz, heute ist er der Dienstälteste. Was hat Bode verändert, wie blickt er auf die vergangenen 25 Jahre zurück – und was hat er noch vor?
Frage an Radio Eriwan: „Interessiert irgendjemanden das 25-jährige Dienstjubiläum eines katholischen Bischofs?“Antwort: „Im Prinzip nicht, es sei denn, es handelt sich um den Osnabrücker Bischof FranzJosef Bode.“Zugegeben, es ist ein fiktives Frage-und-Antwort-Spiel mit dem imaginären Radiosender, der in sozialistischen Systemen als Sammelbecken des politischen Witzes galt und damit ein Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft bildete. Aber auch 25 Dienstjahre eines Bischofs eignen sich ausgezeichnet als Spiegelbild für ein Vierteljahrhundert Kirchengeschichte.
Als Franz-Josef Bode 1991 mit 40 Jahren Bischof wurde, war er der jüngste innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz, die heute 68 Mitglieder zählt. Am 26. November 1995 trat der gebürtige Paderborner seine Aufgabe in Osnabrück an, vergleichbar einem Kapitän in unruhigem Fahrwasser. Denn das Bistum Osnabrück hatte gerade einen Aderlass hinter sich, war unter Papst Johannes Paul II. massiv geschrumpft. Mit Wirkung vom 7. Januar 1995 war das neue Erzbistum Hamburg hauptsächlich aus Teilen des Bistums Osnabrück neu errichtet worden.
Schnee von gestern
Die nördliche Diaspora mit Hamburg, Flensburg, Schwerin und Lübeck – alles weg. Osnabrück gehörte fortan zur Kirchenprovinz Hamburg. Die Sorge ging um, dass das Bistum nun „zu eng sei“. 25 Jahre später ist das Schnee von gestern. „Das Überschaubare ist gar nicht mal so schlecht“, konstatiert Bode heute. „Es hat unsere Weltoffenheit und Ökumene nicht gestört.“
Im Nachhinein sei die Berufung „eines jungen Bischofs von außen“ein klares Signal für einen „nach vorne gewandten Weg der Öffnung“gewesen, fasst Bode die Reaktion vieler zusammen.
„Der behutsame Reformer“, diesen Stempel drückt Kirchenkenner und Buchautor Christof Haverkamp dem heute 69-jährigen Bischof in einer jetzt erschienenen Biografie auf. In der Tat gilt Bode als einer der reformfreudigsten Bischöfe Deutschlands, der seine primäre Aufgabe, „den Menschen die Frohbotschaft Christi in einer den Erfordernissen der Zeit angepassten Art und Weise zu verkünden“– wie es das Zweite Vatikanische Konzil vorgab –, lebt, allerdings mit einer eigenen Sichtweise. Der derzeit amtierende stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hält wenig von der in Rom weit vertretenen Auffassung, die wahre Lehre müsse immer nur richtig in der jeweiligen Zeit erklärt werden.
Für ihn habe vielmehr die Zeit auch auf Inhalte Einfluss. Papst Franziskus selbst spreche immer wieder davon, die „christliche Botschaft auch ,inkulturieren‘ zu müssen“. Das Oberhaupt der katholischen Kirche habe etwa im Nachgang zur letztjährigen Amazonas-Synode in Rom ausdrücklich mehr Verantwortung für Laien in kirchlichen Gemeinden gefordert, um den aktuellen Gegebenheiten Rechnung tragen zu können.
Für einen Bischof sei es eine schwierige Aufgabe, „als Diener der Einheit“zwischen Tradition und Innovation unterwegs zu sein, zumal in einer säkularisierten Zeit Kirche nur ein Angebot unter vielen sei. „Das ist sehr anstrengend, hat aber auch etwas Bereicherndes.“
„Den Dialog wachzuhalten, damit Menschen sehen, dass sich etwas bewegt“, lautet das Credo des Bischofs.
Als Vertreter der Kirche denkt Bode dabei in größeren Zeitfenstern. Für wesentliche Veränderungen etwa in der Liturgie habe es lange, oft Jahrzehnte dauernde Anläufe benötigt. Wenn heutzutage in Deutschland die Kultur des Miteinanders von Männern und Frauen in der Kirche die Diskussion präge, „muss man auch Geduld haben“. Das gelte ganz aktuell für den von ihm mit Nachdruck befürworteten „Synodalen Weg“, der auch die Rolle von Frauen in Diensten und Ämtern thematisiert. „Wir werden aber deshalb morgen noch kein Frauenpriestertum haben“, prognostiziert der Bischof.
Noch fünf Jahre
Bode lebt mit der für ihn schmerzhaften Erkenntnis, „dass Menschen aus der Mitte, die meinen Kurs bejahen, sich angesichts ihrer nicht schnell genug erfüllten Erwartungen an Veränderungen von der Kirche zurückziehen“.
Gut fünf Jahre – ein Lustrum – liegen noch vor dem inzwischen dienstältesten deutschen Diözesanbischof. Mit 75 Jahren wird er dem Papst seinen Rücktritt anbieten. So schreibt es das Kirchenrecht vor. Falls es seine zwischenzeitlich angeschlagene Gesundheit zulasse, wolle er diese Zeit nutzen, sich vor Ort und deutschlandweit mit seinen Erfahrungen einzubringen. Seine starke Motivation, auch mit Blick auf alte und neue Mitstreiter. „Wir sind im Bistum so aufgestellt, dass ich viel Unterstützung erfahre.“
Die Probleme der katholischen Kirche sind damit nicht gelöst. Die Mitgliederzahl befindet sich weiter im Sinkflug. Trotz 22,6 Millionen Katholiken in Deutschland bleibt der Priesternachwuchs aus. 2019 ließen sich – bei einem bundesweiten Bestand von knapp 13 000 Priestern – nur 63 Männer weihen. Der akute Mangel lässt den deutschen Bischöfen keine andere Wahl, als Pfarreien zu Großgemeinden zusammenzulegen – gegen anderslautende Vorgaben des Vatikans. Aktuell brechen den Kirchen-Kassen dreistellige Millionenbeträge weg. Denn im Zuge der coronabedingten Kurzarbeit entfällt vielerorts die sowieso schon rückläufige Kirchensteuer. Geschlossene Kirchen, Gottesdienste im LiveStream-Format – Corona sorgt in vielen Bereichen für zusätzliche, oft lähmende Herausforderungen, selbst wenn Gemeinden und Bistümer vielerorts sehr kreativ versuchen, dem mit alternativen Formen des Miteinanders zu begegnen.
Besondere Demutsgeste
Eine tiefe, schwärende Wunde geschlagen haben die bis heute aufgedeckten Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche und die in Teilen ungelöste Aufarbeitung des Themas. Für Hans Zoller etwa, den Leiter des Kinderschutzzentrums an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, sind die Missbrauchsskandale „natürlich einer der Hauptgründe“für die hohe Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland.
Unvergessen ist eine weithin beachtete Demutsgeste aus Osnabrück. Im November 2010 gab Bode ein öffentliches Schuldbekenntnis ab. Als erster katholischer Bischof in Deutschland legte er sich während eines besonderen Bußgottesdienstes auf den Boden. Er wolle damit die Schuld vor Gott tragen, die die Kirche im Bistum Osnabrück bei Fällen sexuellen Missbrauchs durch Priester und andere kirchliche Mitarbeiter auf sich geladen habe, erläuterte er seine Beweggründe.