Tod eines begnadeten Ballkünstlers: Diego Maradona stirbt mit 60 Jahren
Fußballwelt trauert um Diego Maradona / „Ich hoffe, ich kann eines Tages im Himmel mit ihm spielen“
Die Fußballwelt trauert um einen der besten Spieler aller Zeiten: Im Alter von 60 Jahren starb Diego Maradona an HerzKreislauf-Versagen. In Argentinien verordnete Staatspräsident Alberto
Fernández eine dreitägige Staatstrauer. In Neapel, wo der begnadete Dribbler und Ballkünstler Mitte der Achtzigerjahre wie ein Heiliger verehrt wurde, erinnerten Kerzen- und Bildermeere an den „Goldjungen“.
Der aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Maradona stieg zum Weltstar auf, wurde 1986 mit Argentinien Weltmeister – und verfing sich in der Spirale aus Ruhm, Geld und Erfolg. Doping, Drogen und
Skandale prägten die späten Jahre seiner Karriere. Das wilde Leben forderte früh seinen Tribut: Maradona erkrankte mehrfach schwer, sein Tod kam dennoch überraschend. hp/Foto: AFP/Carlo Hermann
Auf dem Gipfel: Diego Maradona wird vor der gigantischen Kulisse des Aztekenstadions in Mexiko Stadt als Weltmeister gefeiert.
BUENOS AIRES Diego Maradona küsst glückselig den goldenen WM-Pokal. „Für immer“, schreibt der argentinische Verband tief bestürzt zu diesem einen Foto aus einer längst vergangenen Zeit – und bestätigt die Nachricht, die den Weltfußball am Mittwoch stillstehen lässt. Diego Armando Maradona, der „Goldjunge“, der Nationalheld, der begnadete Ballkünstler zwischen Genie und Wahnsinn, ist tot. Er wurde nur 60 Jahre alt.
„Heute ist ein sehr trauriger Tag für alle Argentinier“, sagte Präsident Alberto Fernández, „Diego hat Argentinien in der Welt repräsentiert, er hat uns mit Freude erfüllt und das werden wir niemals vergelten können.“Drei Tage lang soll Argentinien offiziell Staatstrauer tragen. Maradonas Status, vielleicht auch seiner Verklärung, wird das gerecht. „Ich habe einen großen Freund und die Welt hat eine Legende verloren“, schrieb der Bra
silianer Pelé (80) bei Twitter. „Ich hoffe, eines Tages können wir im Himmel zusammen Fußball spielen.“Maradona, Pelé, Franz Beckenbauer (75) – nur ganz wenige Fußballer erlangten diesen Status von Ikonen.
Maradona starb am Mittwoch in seinem Haus in Tigre nördlich von Buenos Aires an einem Herzinfarkt. Herbeigerufene Sanitäter konnten ihn nicht wiederbeleben. Die Nachricht verbreitete sich rasant um die Welt, die Europäische Fußball-Union ordnete für die EuropapokalSpiele Schweigeminuten an.
Immer wieder hatte der Superstar von einst mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt, der persönliche Niedergang des Idols schmerzte. Doch Maradona war immer zurückgekommen. Im Jahr 2000 diagnostizierten Ärzte ein Herzleiden, verursacht durch Kokainkonsum. Es folgten unter anderem Entziehungskuren und eine Magenverkleinerung.
Zuletzt war der 91-malige Nationalspieler wegen einer
Bis zuletzt
Gehirnblutung in einem Krankenhaus nahe der argentinischen Hauptstadt operiert worden und hatte dann einige Tage in der Klinik verbracht. Bereits an seinem 60. Geburtstag am 30. Oktober hatte er einen angeschlagenen Eindruck gemacht. Vor dem ersten Spiel nach der Corona-Pause mit seinem Verein Gimnasia y Esgrima La Plata, wo er sich wieder mal als Trainer versucht hatte, kam er zwar kurz ins Stadion, um Glückwünsche und Geschenke entgegenzunehmen. Er musste beim Gehen gestützt werden.
Die Partie selbst verfolgte Maradona auf Anraten seines Arztes von zu Hause aus.
Die Legende beginnt in der Siedlung Villa Fiorito am Rande von Buenos Aires, wo „El Pibe de Oro“(der Goldjunge) früh vom Erstligisten Argentinos Juniors entdeckt wird. Als zwölf Jahre alter Balljunge soll er den Zuschauern mit seinen Kabinettstückchen während der Halbzeitpausen schon mehr Unterhaltung als die erste Mannschaft geboten haben.
Ob er der neue Pelé ist, wollen argentinische Reporter damals von ihm wissen.
„Ich bin Maradona, kein neuer Irgendwas. Ich will einfach nur Maradona sein“, antwortet der junge „Diegito“. 1982 wechselt Maradona für eine Rekordablösesumme zum FC Barcelona, zum Halbgott steigt er aber erst zwei Jahre später auf. Für eine Rekordablöse geht es weiter zum SSC Neapel, zum verspotteten Fast-Absteiger in den von vielen Norditalienern verachteten Süden.
Hier steigt er höher und höher, 1987 und 1990 führt er Neapel zu den einzigen Meisterschaften der Vereinsgeschichte. Schon bei seiner Begrüßung hatten mehr als 70 000 Fans ihn im Stadio San Paolo empfangen. Die Neapolitaner verehren ihn wie einen Heiligen. Einmal stiehlt eine Krankenschwester eine Blutprobe von ihm und bringt sie in eine Kirche.
„ Auf dem Platz wird das Leben unwichtig. Die Probleme, all das wird unwichtig“, sagt er in der Amazon-Dokumentation „Diego Maradona“. Mit Argentinien wird er 1986 Weltmeister, 1989 gewinnt er mit Neapel den
UEFA-Pokal. Abseits des Platzes wird er genauso unkontrollierbar wie für seine Gegenspieler. Er verfällt dem Kokain („Eine Line - und ich fühlte mich wie Superman“), zieht oft von Sonntagabend bis Mittwoch um die Häuser, um danach alles auszuschwitzen. Seine Nationalmannschaftskarriere endet bei der WM 1994 wegen einer zweitenDoping-Sperre.
„Diego hatte ein Leben wie ein Traum. Und wie ein Alptraum“, sagte sein Fitnesstrainer Fernando Signorini. Unvergessen sind die „Hand Gottes“, mit der er bei der WM 1986 gegen England getroffen hatte, oder sein Jahrhunderttor nach einem Dribbling im selben Spiel. Unvergessen sind auch Bilder vom kugelrunden Maradona mit schrillblonden Haaren. Er scheiterte als TV-Moderator und argentinischer Nationalcoach, verbrachte Wochen in Krankenhäusern, ließ sich den Magen verkleinern und brachte sich selbst mehrfach in Lebensgefahr. Trotzdem kommt sein Tod überraschend.