The Young Pope (1. Staffel)
Serie
Stellen Sie sich vor, Sie könnten während eines unliebsamen, langweiligen oder in sonst irgendeiner Form für Sie lästigen Gesprächs jederzeit einen Knopf drücken und dann kommt jemand und liefert Ihnen eine Ausrede, um aufzustehen und zu gehen oder Ihr Gegenüber zum Gehen zu nötigen. Der frisch berufene Papst Pius XIII. (Jude Law) hat so einen Knopf versteckt unter dem Schreibtisch seines Audienzzimmers und macht davon mit einem ebenso schelmisch boshaften Vergnügen Gebrauch, wie er sich keine Mühe gibt, dies zu verbergen – ganz im Gegenteil. Gegen alle üblichen Konventionen ernennt er eine Nonne zu seiner persönlichen Assistentin, aber nicht nur irgend eine. Schwester Mary (Diane Keaton) hat ihn in einem katholischen Waisenhaus groß gezogen und ist seine engste Vertraute. Doch Pius XIII. alias Lenny Belardo macht schnell klar, dass er auf Freundschaft keinen Wert legt. Seine erste Amtshandlung: Das Rauchen im Apostolischen Palast ist wieder erlaubt, aber natürlich nur für den Papst persönlich. Seine erste Aufgabe und Herausforderung: Die Antrittsrede vom Balkon des Petersdoms. Kardinal und Staatssekretär Angelo Voiello (Silvio Orlando) hat seine eigenen Vorstellungen davon, wie der Vatikan und die katholische Kirche zu führen sind und glaubt mit dem 47 Jahre jungen Belardo eine leicht kontrollierbare Marionette auf dem Papststuhl. Doch Lenny ist weder leicht kontrollierbar noch zugänglich für gut gemeinten Rat. Er ist jetzt Papst und die Kirche, ihre Anhänger und sogar Gott selbst sind jetzt in seiner Hand.
Ein Papst mit Götterkomplex
Der fiktive Papst Pius XIII. ist ein Egomane, Revolutionär, Traditionalist, Rebell und Despot zugleich. Mit Jude Law könnte diese Rolle kaum besser besetzt sein. All diese widersprüchlichen Charakterzüge verweben sich in seinem Schauspiel zu einem weitläufigen Netz, sodass man als Zuschauer selbst zwischen Bewunderung, Belustigung und Abscheu hin und her schwankt. Er ist eine zutiefst kontroverse Figur, von der man einfach nur wissen will, was sie als nächstes tut, mit der Garantie, dass man fast immer überrascht wird. Sein oft sympathischer wie gleichsam soziopathischer Extremismus ist das Zentrum allen Handelns und Agierens. Aber auch die anderen Schauspieler brauchen sich mit ihren Rollen nicht hinter Jude Law zu verstecken. Weder Silvio Orlando als Staatssekretär Voiello, der ebenso machtversessen, trocken und zynisch und doch von tiefen, moralischen Zweifeln geplagt ist, noch Diane Keaton als Schwester Mary, die ihre Position genussvoll ausnutzt und sich gleichsam verunsichert und überfordert fühlt.
Dass jede einzelne Figur auf ihre Weise so überzeugend und lebensnah wirkt, ist vor allem der Verdienst von Regisseur und Autor Paolo Sorrentino. Er beweist nicht nur einen spitzen und menschlich entlarvenden Humor, sondern ebenso ein zielsicheres Gespür für Pointen und gutes Timing. Die Dialoge sind das Kernstück der Serie. Ausschweifende Rückblenden oder Erklärungen sind kaum nötig. Oft bedarf es nur weniger, straff sitzender Zeilen, um die einzelnen Figuren treffend zu charakterisieren und die Handlung voran zu treiben und gleichsam einen präsent beiläufigen Kommentar zur katholischen Kirche abzugeben. Aufgrund dieser tragenden Stärke kann es sich Sorrentino erfreulicherweise leisten, auf ausufernde Dramatisierungen und Cliffhanger zu verzichten und ein gefühlvoll inszeniertes Tempo zu verfolgen, ohne dass es dabei langweilig oder einseitig wird.
Der Glaube versetzt Berge
Die Thematisierung von Religion selbst scheint auf den ersten Blick auffällig unauffällig und doch ist sie stets präsent. Die Machtkämpfe und Intrigen zwischen dem Papst und den Kardinälen stehen zunächst im Vordergrund, aber jede Figur wird nicht zuletzt über ihren Glauben und ihr Verhältnis zur Kirche charakterisiert. Ihre eigenen Widersprüche verknüpfen sich wie selbstverständlich mit dem Christentum und dem Katholizismus als solche. Sorrentino gelingt ein äußerst riskanter und kontroverser Spagat, der viel Feingefühl erfordert. Die Serie steckt voller Ironie und hintergründiger Satire und dennoch denunziert sie weder die katholischen Ämter noch die Gläubigen. Jude Law als Papst ist ein entrückter Popstar und Diktator und im selben Atemzug sucht und zweifelt er. Der Glaube ist ein natürlicher Teil seines Lebens und seines eigenen Zwiespalts wie bei allen handelnden Personen. So erweist sich „The Young Pope“als eine vielschichtige und unterhaltsame Serie, die amüsiert, überrascht und fordert, ohne vorauszusetzen, dass man der Religion selbst besonders nahe oder kritisch gegenüber stehen muss. Die ausgefeilten Charaktere und pointiert geschriebenen Dialoge sprechen für sich selbst. Auch optisch gibt es überzeugende Schauwerte. Die Paläste, Gärten und Statuetten des Vatikans haben eine vereinnahmende Ästhetik. Der Prunk und der Protz werden in den besten Momenten auf eine andächtig schöne Weise in Szene gesetzt, in der die Kulisse selbst zum Akteur wird. Die Bildqualität kann da durchaus mithalten. In Anbetracht der prächtigen Kostüme und Szenerie erfreuen die intensiven Farben und der volle Schwarzwert. Der Sound bleibt zumeist stilvoll dezent. Während der dialoglastigen Szenen fließt immer wieder sanft poppige und elektronische Musik ein und aus, die gerade dadurch auf unaufdringliche Weise spannungsaufbauend wirkt.