Action
Für den siebzigjährigen Regisseur ist es die Krönung einer beeindruckenden künstlerischen Karriere, die im Westen bedauerlicherweise kaum wahrgenommen wurde, und wenn, dann für die falschen Filme. Auf den Leinwänden Europas und Amerikas ist sein Name in Verbindung mit Filmen wie „Monster im All“oder „Sternenkrieg im Weltall“zu lesen, amüsant-lächerlichen Science Fiction-Streifen, die den Trashfan erfreuen, den Cineasten aber kaum an eine Regiegröße vom Format eines Kurosawa denken lassen. Auch Fukasakus Beitrag zum Kriegsfilmklassiker „Tora! Tora! Tora!“, bei dem er die japanischen Szenen inszenierte, wurde und wird im Schatten des zumeist aufgeführten Richard Fleischer gerne vergessen. Doch all diesen Filmen ist gemein, dass sie im Schaffen des Regisseurs eher die Ausnahme als die Regel darstellen. Seine Bedeutung als einer wichtigsten japanischen Filmkünstler der Nachkriegszeit erwarb sich Fukasaku mit seinen gesellschaftskritischen Werken, keine steifen, verkopften Dramen für die intellektuelle Elite, sondern Unterhaltungsfilme, die oft und schonungslos die Schattenseiten des Wirtschaftswunderlandes Japan aufzeigten, gleichzeitig aber auch die Lust des Publikums auf Gewalt und Action bedienten.
Die menschliche Natur
Fukasakus „Battles Without Honor And Humanity“-Serie mit ihren charismatischen Yakuza-Protagonisten und einer ungeschönt ruppigen Kameraführung steht prototypisch für diese bedeutendste Seite des Regisseurs. In den 80er und 90er Jahren wurde es dann stiller um Fukasaku, sein Filmausstoß sparsamer (zumindest im Vergleich zu den 70ern, wo Jahre mit vier Regiearbeiten keine Seltenheit waren), die Werke selbst weniger zornig. Alter macht milder, so hätte man denken können, doch dann walzte „Battle Royale“in die Kinos. Dort wurde das Publikum mit dunkel dräuenden, klassischen Klängen und einem dystopischen Eröffnungstext, der vom wirtschaftlichen und sozialen Absturz Japans berichtet, begrüßt. Der Zuschauer erfuhr von einem neuen, drastischen Erziehungsgesetz, und ehe noch an Langeweile zu denken war, wurden die Konsequenzen des Reformgesetzes deutlich. Hektisch berichtende Reporter drängen sich, um Bilder der Siegerin eines neu eingeführten Schulklassen-Wettbewerbs zu erhaschen. Bildfetzen sind zu sehen, die immer deutlicher werden, ein Lächeln auf dem Gesicht der Gewinnerin rückt ins Bild, ein Lächeln unter irren Augen, darunter zerrissene Schulkleider und Blutspritzer, viele Blutspritzer. Nur eine kurze Verschnaufpause später ereilt eine weitere Schulklasse, im Bus unterwegs auf
Klassenfahrt, ihr Schicksal. Mittels Gas werden sie betäubt, und als sie schließlich wieder erwachen, befinden sie sich auf einereinsamen Insel, haben alle ein Hightech-Band um den Hals und werden von Soldaten bewacht. Das Halsband, so werden sie informiert, explodiert nach drei Tagen, wenn bis dahin von den 42 Schülern mehr als nur noch einer lebt. Ob Freund oder Feind, es heißt, sich gegenseitig zu töten. Und allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz dauert es keine fünf Minuten, bis die erste Schülerin von der Hand eines Mitschülers fällt.
Sozial- und Medienkritik
Jugendliche töten Jugendliche, sehr explizit dargestellt, häufig auch sehr grausam. Es ist kein Wunder, dass die Aufregung um Fukasakus Rückkehr zu Blut und Schmutz in Japan groß war, so groß, dass sich selbst das Parlament zu einer Stellungnahme und offener Kritik an der angeblichen Gewaltverherrlichung veranlasst sah. Wie so häufig, schlug sich die Empörung in sensationellen Besucherzahlen nieder, doch wäre es zu kurz gedacht, die Faszination, die „Battle Royale“ausübt, ausschließlich auf die Sensationsgier eines abgestumpften Publikums zu schieben. „Battle Royale“erzählt von Menschen, davon, wie unterschiedlich schnell sie bereit sind, alle Regeln zu brechen und alle Moral zu vergessen, wenn es dem Überleben dient, wie schwer sich einige damit tun, so schwer, dass auch der Zuschauer ungeduldig wird. Denn in der Welt von „Battle Royale“gibt es keine Katniss Everdeen, die weiß, was getan werden muss, und die es trotzdem schafft, ihre Hände sauber zu halten. In Fukasakus Film stirbt die Unschuld als erstes, das rechtschaffene Überleben wird niemandem gestattet. Das macht „Battle Royale“unerfreulicher, inhaltlich aber auch spannender als die offensichtlich davon inspirierten „Hunger Games“. Der Tod ist hier ein launischer Gefährte mit einem zynischen Sinn für Humor, wobei letzterer Aspekt vom brachialen Soundtrack betont wird, der mit seinem Wagnerschen Pathos einen schillernden Kontrapunkt zur nüchtern-realistischen Inszenierung setzt. Die jugendlichen Darsteller vermögen glücklicherweise, ausreichend Akzente zu setzen, um in dieser Symphonie des Blutes nicht ausschließlich als Kanonenfutter unterzugehen. Doch kaum minder strapaziös und opferreich als der Kampf ums Überleben war der Kampf darum, Fukasakus Meisterwerk ungeschnitten in Deutschland sehen zu dürfen. Diverse Kürzungen, Indizierungen und Beschlagnahmungen später ist es nun soweit, „Battle Royale“liegt als Kinofassung und Extended Cut unzensiert und von der FSK freigegeben auf Blu-ray vor. Und als wäre das nicht schon ein Grund zum Feiern, laden drei prall gefüllte Bonus-DVDs im schön gestalteten Steelbook dazu ein, sich näher mit den Hintergründen und dem Regisseur zu beschäftigen. Ein Traum!