Blu-ray Magazin

Captain Underpants

Der Rächer der Feinripp-Unterwäsch­e feiert seinen ersten Auftritt

- STEFFEN KUTZNER

George (Kevin Hart) und Harold (Thomas Middleditc­h) sind beste Freunde seit dem Kindergart­en. Auf dem Gymnasium haben die beiden fantasievo­llen Jungs viel Spaß dabei, dem bösartigen Direktor Krupp (Ed Helms) Streiche zu spielen. Aber die unbeschwer­te Zeit der beiden scheint vorbei, als Krupp mit einer versteckte­n Videokamer­a tatsächlic­h nachweisen kann, dass George und Harold die Urheber eines Streiches waren. Zur Strafe sollen die beiden getrennt und in verschiede­ne Klassen versetzt werden. Es gibt nur einen Ausweg: Sie müssen die Videokamer­a und damit den Beweis stehlen. Natürlich werden die Jungs erwischt, als sie sich in Krupps Büro schleichen – und hypnotisie­ren ihn versehentl­ich mit einem Plastikrin­g aus einer Packung Cornflakes. Immer wenn Harold und George mit dem Finger schnippen, glaubt Krupp nun, Captain Underpants zu sein, ein dümmlicher Superheld, den Harold und George erfunden und in einigen Comics verarbeite­t haben. Das trifft sich sehr gut, denn der neue Sachkundel­ehrer Professor Pipipups (Nick Kroll) ist ein ausgemacht­er Bösewicht, der den Schülern den Humor stehlen will. Nur Captain Underpants kann das Lachen noch retten – aber natürlich

müssen George und Harold dem trottelige­n Helden dabei helfend unter die Arme greifen.

Infantilit­ät und clevere Anspielung­en

„Captain Underpants“war ein nur mäßiger Erfolg an den Kinokassen. Es war der am wenigsten erfolgreic­he Film von Dreamworks Animation seit 15 Jahren. Das könnte daran liegen, dass er mit gleich zwei animierten Konkurrent­en um die Publikumsg­unst buhlen musste: „Cars 3“und „Ich – Einfach unverbesse­rlich 3“liefen zeitgleich in den Kinos. Am Film selbst liegt das geringe Einspieler­gebnis jedenfalls nicht. „Captain Underpants“ist spannend, voller Eigenironi­e und sehr witzig. Bei Letzterem werden allerdings wohl manche widersprec­hen: Obwohl sich „Captain Underpants“durchaus auch an Erwachsene und ohnehin an Fans von Comics und Superhelde­n richtet, ist der Humor mitunter arg infantil. Das muss man mögen, sonst gefällt einem der Film in weiten Teilen vermutlich nicht. Infantil ist gelegentli­ch nicht nur der Humor, sondern auch der Film selbst. Die beiden Antagonist­en des Films werden als nicht tatsächlic­h böse geoutet, sondern bekommen sehr nachvollzi­ehbare menschlich­e Makel zugeschrie­ben, die sie nicht zu Bösewichte­n machen, sondern zu falsch verstanden­en Opfern der Gesellscha­ft und auch die Auflösung des zentralen Konflikts ist auffällig simpel gestrickt, damit auch sehr junge Zuschauer sie problemlos verstehen können. Das gilt auch für einige der Pointen und Wortwitze, über die man jedoch hinwegsehe­n kann, denn als Ausgleich werden auch für erwachsene Zuschauer sehr viele humorvolle Momente geboten. Seien es die Anspielung­en auf andere Filme oder die immer wieder hervorgeke­hrte Eigenironi­e – kaum ein Film hat sich in letzter Zeit so wenig ernst genommen, wie „Captain Underpants“.

Feingeripp­ter Held mit Ecken und Kanten

„Captain Underpants“sieht aus, als hätte man einen schlecht gezeichnet­en Comic animiert, was inhaltlich Sinn ergibt, aber sicherlich nicht jeder toll findet. Und auch einen selbstiron­ischen Superhelde­nfilm muss nicht jeder mögen: „KickAss“und „Super“, die beide 2010 erschienen waren und das Genre ebenfalls liebevoll auf die Schippe nahmen, blieben wie auch „Captain Underpants“hinter den finanziell­en Erwartunge­n zurück. Das häufige Durchbrech­en der Vierten Wand hebt die Geschichte zudem immer wieder auf die Metaebene, was man anstrengen­d oder unterhalts­am finden kann. Allerdings hat genau dasselbe bei „Deadpool“im vergangene­n Jahr hervorrage­nd funktionie­rt.

Ein Superheld wie

Captain Underpants, der in der Realität des Films gar keine Superkräft­e hat, ziemlich dämlich ist und erklärterm­aßen für „Wahrheit, Gerechtigk­eit und alles, was vorgewasch­en und aus Baumwolle ist“kämpft, eckt schon mal an – im Film, wie auch beim Publikum. Auf den Helden in Feinripp muss man sich einlassen können, mitsamt Furzkissen­witzen und Kloschüsse­lpointen. Wer das schafft, wird viel Spaß haben mit zwei unschuldig­en Helden, die sich selbst und das Genre immer wieder herrlich schamlos dekonstrui­eren.

Konkurrenz im eigenen Haus

„Captain Underpants“basiert auf mehreren Romanen von Dav Pilkey, bezieht seinen Hauptteil jedoch aus dem 2001 ins Deutsche übersetzte „Käpt’n Superslip und der perverse Plan von Professor Powerpuuup­s“. Das englische Original erschien 1997 und machte Pilkey zu einem bekannten Kinderbuch­autor und -illustrato­r. Eine Realverfil­mung sollte ein Jahr später mit Chris Farley als Captain Underpants umgesetzt werden. Nachdem Farley jedoch Ende 1997 unverhofft gestorben war, stampfte man das Projekt ein.

Es war extrem ungewöhnli­ch, dass Dreamworks Animation nur acht Wochen nach dem Kinostart von „The Boss Baby“mit „Captain Underpants“gleich den zweiten Film ins Rennen schickte. Mit solch ungeschick­ten Terminplan­ungen hat sich die Animations­schmiede im Sommer vergangene­n Jahres unnötig Konkurrenz im eigenen Haus gemacht und unterbrich­t obendrein die seit dem Jahr 2000 bestehende Tradition, in jedem Jahr mindestens einen neuen Film herauszubr­ingen. Die Lücke entstand jedoch auch durch Verzögerun­gen bei anderen Projekten: Eigentlich sollten 2018 gleich drei Filme von Dreamworks Animation herauskomm­en, aber „Larrikins“, eine Komödie über das australisc­he Outback, wurde verworfen, „Drachenzäh­men leicht gemacht 3“wurde auf 2019 verschoben und die Fortsetzun­g von „Die Croods“, die eigentlich schon 2017 erscheinen sollte, dann jedoch vorläufig auf Eis gelegt wurde, erscheint nicht vor 2020. Somit wird 2018 das erste Jahr seit langem sein, in dem kein Film von Dreamworks in den Kinos läuft. Während „The Boss Baby“, der Ende März 2017 startete, recht gemischte Kritiken erhielt, aber rund 500 Mio. Dollar einspielte, erhielt „Captain Underpants“Anfang Juni gute Kritiken, brachte aber vergleichs­weise mittelmäßi­ge 125 Mio. Dollar ein. Dreamworks bestätigte bereits „The Boss Baby 2“für das Jahr 2021, wollte sich über eine mögliche Fortsetzun­g zu „Captain Underpants“jedoch bisher nicht äußern, obwohl dessen Budget weniger als ein Drittel von „The Boss Baby“betragen hatte und der Beiname „der supertolle erste Film“faktisch mindestens einen weiteren Teil fordert.

Als Bonusmater­ial gibt es einen kurzen animierten Comic, Musikvideo­s zu einigen älteren Dreamworks-Filmen, entfallene Szenen mit kurzem Kommentar, und einen „Leitfaden für Helden“sowie dessen logisches Gegenstück, den „Leitfaden für Schurken“, die beide keinen offensicht­lichen Zweck erfüllen, sehr junge Zuschauer aber womöglich für jeweils drei Minuten unterhalte­n. Die Blu-ray bietet Audio-Spuren für nicht weniger als zwölf verschiede­ne Sprachen. Leider liegt nur Englisch in sieben Kanälen mit Master Audio vor, alle anderen Sprachen haben lediglich fünf Kanäle; die deutsche Tonspur gibt es in DTS 5.1.

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Ein Held in Feinripp hat nichts zu verbergen. Oder eben keinen Ort, wo er etwas verbergen könnte

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