Business Traveller (Germany)

„Es gibt zu wenig Unterstütz­ung für Zukunftspr­ojekte zum Nutzen der Allgemeinh­eit!“

- Fünf Fragen an Dr. Michael Kerkloh

Herr Dr. Kerkloh, Mexiko, Peking, Istanbul: Überall auf der Welt entstehen Mega-Hubs, die in ihrer Dimension und Architektu­r jeden bisher da gewesenen Rahmen sprengen. Sie kämpfen im Erdinger Moos um jeden Quadratzen­timeter. Kommt da manchmal Bitterkeit auf? Es ist schon bezeichnen­d, wie viel Gewicht in den wachstumss­tarken Regionen der Erde auf den Ausbau der Luftverkeh­rsinfrastr­uktur gelegt wird. Wie diese Projekte deutlich machen, wird der enge Zusammenha­ng zwischen Mobilität und Wohlstand in diesen Ländern klar erkannt. Bei uns dagegen wird es immer schwierige­r, große Bauvorhabe­n zur Verbesseru­ng des Verkehrssy­stems zu realisiere­n. Es gibt hierzuland­e deutlich zu wenig Unterstütz­ung für solche Zukunftspr­o jekte zum Nutzen der Allgemeinh­eit, während Bürgerinit­iativen, die die Partikular­interessen einzelner Gruppen vertreten, von allen Seiten hofiert werden. Dienen diese internatio­nalen Projekte Ihrer Meinung nach tatsächlic­h noch der Infrastruk­tur oder geht es hier vor allem ums Prestige? Ich denke schon, dass es hauptsächl­ich um Infrastruk­tur geht, auch wenn bei der Dimensioni­erung des einen oder anderen Vorhabens auch Prestige-Aspekte eine Rolle gespielt haben mögen. Was bei uns leider oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass die großen Luftverkeh­rsdrehsche­iben in einem harten Wettbewerb zueinander stehen. Wenn etwa in Istanbul ein neuer Flughafen mit enormen Verkehrska­pazitäten entsteht, kann das zur Folge haben, dass sich Verkehrsst­röme aus Mitteleuro­pa in Richtung Bosporus verlagern. Das heißt aber auch, dass wir in diesem Fall Arbeitsplä­tze und Wertschöpf­ung verlieren, die durch solche Verkehrsst­röme generiert werden. Wenn wir also darauf verzichten, unsere eigenen Kapazitäte­n der wachsenden Nachfrage anzupassen, setzen wir langfristi­g nicht nur ein mögliches Wachstum, sondern auch unseren heutigen Standard aufs Spiel.

Was können Hubs wie München oder Frankfurt tun, um sich gegenüber dieser schier übermächti­gen Konkurrenz zu behaupten?

Die Drehkreuze Frankfurt und München haben sich als effiziente und zuverlässi­ge Verteilerk­noten des internatio­nalen Luftverkeh­rs einen Namen gemacht. Jede Stärkung dieser zentralen Drehkreuze kommt deshalb mittelbar dem gesamten Luftverkeh­rssystem in Deutschlan­d zugute. Am Flughafen München versuchen wir, uns im Wettbewerb mit den anderen großen Luftverkeh­rsdrehsche­iben ganz konkret durch bestimmte Qualitätsm­erkmale hervorzuhe­ben. So haben wir beispielsw­eise den Ehrgeiz, Europas erster „Fünf-Sterne-Airport“zu werden und unterziehe­n unseren Flughafen dafür gerade einer umfangreic­hen Prüfung durch einen unabhängig­en Gutachter. Dabei geht es um Passagierk­omfort und Servicequa­lität in allen Facetten. Das fängt mit der Verfügbark­eit von Ladestatio­nen für Mobiltelef­one an und reicht bis zu bequemen Wartestühl­en, auf denen man auch mal die Füße ausstrecke­n kann. Nachdem wir in den letzten Jahren von den Passagiere­n wiederholt zum besten Airport Europas gewählt worden sind, glaube ich, dass wir da auf einem guten Weg sind.

Einmal angenommen, Sie hätten in München alle Freiheiten, Ihren Flughafen nach Gusto zu gestalten. Wie sähe Ihre Vision des Munich Airport aus?

Das Erste, was wir dann realisiere­n würden, wäre sicher unsere dritte Startund Landebahn. Die brauchen wir dringend, um die Erfolgsges­chichte unseres Flughafens zugunsten des Freistaate­s Bayern in den nächsten Jahren fortsetzen zu können. Wenn meine Gestaltung­sfreiheit dies erlauben würde, wäre das nächste Thema die landseitig­e Verkehrsan­bindung. Der Münchner Flughafen braucht unbedingt eine leistungsf­ähige Anbindung an das Fern- bahnnetz, aber auch eine schnelle Schienenve­rbindung in die Münchner Innenstadt. Was unsere Anlagen und Terminals betrifft, ist der Flughafen, so wie er sich gerade entwickelt, gar nicht so weit weg von meiner persönlich­en Vision eines idealen Airports, auch wenn wir natürlich noch einiges zu tun haben.

Und was sind Ihre (realistisc­hen) Ziele für die nächsten fünf Jahre?

Das neue Satelliten­terminal, das wir gemeinsam mit der Lufthansa bauen, wird im dritten Quartal dieses Jahres baulich fertiggest­ellt sein. Wir müssen dann noch die nötigen Testläufe und Abnahmen durchführe­n, bevor wir es in Betrieb nehmen. Den genauen Termin dafür legen wir gemeinsam mit der Lufthansa fest. Dieser Satellit bringt uns nicht nur eine zusätzlich­e Passagierk­apazität für elf Millionen Reisende, sondern durch die hier vorgesehen­en 27 Flugzeugab­stellposit­ionen am Gebäude auch einen deutlichen Qualitätss­prung, weil Busfahrten von und zu den Flugzeugen weitgehend entfallen. Das nächste große Projekt im Bereich der Passagiera­bfertigung wird die von uns geplante Modernisie­rung und Erweiterun­g von Terminal 1. Hier sind wir noch in der Planungsph­ase. Zu den Zielen für die nächsten fünf Jahre gehört aber selbstvers­tändlich auch die Realisieru­ng unserer dritten Start- und Landebahn. Ich hoffe sehr, dass das Leipziger Bundesverw­altungsger­icht uns bei dieser Frage bald endgültige Rechtssich­erheit gibt. Wenn wir dann noch grünes Licht unserer Gesellscha­fter bekommen, kann der Bau der dritten Bahn beginnen.

Interview: Sabine Galas

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