„Es gibt zu wenig Unterstützung für Zukunftsprojekte zum Nutzen der Allgemeinheit!“
Herr Dr. Kerkloh, Mexiko, Peking, Istanbul: Überall auf der Welt entstehen Mega-Hubs, die in ihrer Dimension und Architektur jeden bisher da gewesenen Rahmen sprengen. Sie kämpfen im Erdinger Moos um jeden Quadratzentimeter. Kommt da manchmal Bitterkeit auf? Es ist schon bezeichnend, wie viel Gewicht in den wachstumsstarken Regionen der Erde auf den Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur gelegt wird. Wie diese Projekte deutlich machen, wird der enge Zusammenhang zwischen Mobilität und Wohlstand in diesen Ländern klar erkannt. Bei uns dagegen wird es immer schwieriger, große Bauvorhaben zur Verbesserung des Verkehrssystems zu realisieren. Es gibt hierzulande deutlich zu wenig Unterstützung für solche Zukunftspro jekte zum Nutzen der Allgemeinheit, während Bürgerinitiativen, die die Partikularinteressen einzelner Gruppen vertreten, von allen Seiten hofiert werden. Dienen diese internationalen Projekte Ihrer Meinung nach tatsächlich noch der Infrastruktur oder geht es hier vor allem ums Prestige? Ich denke schon, dass es hauptsächlich um Infrastruktur geht, auch wenn bei der Dimensionierung des einen oder anderen Vorhabens auch Prestige-Aspekte eine Rolle gespielt haben mögen. Was bei uns leider oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass die großen Luftverkehrsdrehscheiben in einem harten Wettbewerb zueinander stehen. Wenn etwa in Istanbul ein neuer Flughafen mit enormen Verkehrskapazitäten entsteht, kann das zur Folge haben, dass sich Verkehrsströme aus Mitteleuropa in Richtung Bosporus verlagern. Das heißt aber auch, dass wir in diesem Fall Arbeitsplätze und Wertschöpfung verlieren, die durch solche Verkehrsströme generiert werden. Wenn wir also darauf verzichten, unsere eigenen Kapazitäten der wachsenden Nachfrage anzupassen, setzen wir langfristig nicht nur ein mögliches Wachstum, sondern auch unseren heutigen Standard aufs Spiel.
Was können Hubs wie München oder Frankfurt tun, um sich gegenüber dieser schier übermächtigen Konkurrenz zu behaupten?
Die Drehkreuze Frankfurt und München haben sich als effiziente und zuverlässige Verteilerknoten des internationalen Luftverkehrs einen Namen gemacht. Jede Stärkung dieser zentralen Drehkreuze kommt deshalb mittelbar dem gesamten Luftverkehrssystem in Deutschland zugute. Am Flughafen München versuchen wir, uns im Wettbewerb mit den anderen großen Luftverkehrsdrehscheiben ganz konkret durch bestimmte Qualitätsmerkmale hervorzuheben. So haben wir beispielsweise den Ehrgeiz, Europas erster „Fünf-Sterne-Airport“zu werden und unterziehen unseren Flughafen dafür gerade einer umfangreichen Prüfung durch einen unabhängigen Gutachter. Dabei geht es um Passagierkomfort und Servicequalität in allen Facetten. Das fängt mit der Verfügbarkeit von Ladestationen für Mobiltelefone an und reicht bis zu bequemen Wartestühlen, auf denen man auch mal die Füße ausstrecken kann. Nachdem wir in den letzten Jahren von den Passagieren wiederholt zum besten Airport Europas gewählt worden sind, glaube ich, dass wir da auf einem guten Weg sind.
Einmal angenommen, Sie hätten in München alle Freiheiten, Ihren Flughafen nach Gusto zu gestalten. Wie sähe Ihre Vision des Munich Airport aus?
Das Erste, was wir dann realisieren würden, wäre sicher unsere dritte Startund Landebahn. Die brauchen wir dringend, um die Erfolgsgeschichte unseres Flughafens zugunsten des Freistaates Bayern in den nächsten Jahren fortsetzen zu können. Wenn meine Gestaltungsfreiheit dies erlauben würde, wäre das nächste Thema die landseitige Verkehrsanbindung. Der Münchner Flughafen braucht unbedingt eine leistungsfähige Anbindung an das Fern- bahnnetz, aber auch eine schnelle Schienenverbindung in die Münchner Innenstadt. Was unsere Anlagen und Terminals betrifft, ist der Flughafen, so wie er sich gerade entwickelt, gar nicht so weit weg von meiner persönlichen Vision eines idealen Airports, auch wenn wir natürlich noch einiges zu tun haben.
Und was sind Ihre (realistischen) Ziele für die nächsten fünf Jahre?
Das neue Satellitenterminal, das wir gemeinsam mit der Lufthansa bauen, wird im dritten Quartal dieses Jahres baulich fertiggestellt sein. Wir müssen dann noch die nötigen Testläufe und Abnahmen durchführen, bevor wir es in Betrieb nehmen. Den genauen Termin dafür legen wir gemeinsam mit der Lufthansa fest. Dieser Satellit bringt uns nicht nur eine zusätzliche Passagierkapazität für elf Millionen Reisende, sondern durch die hier vorgesehenen 27 Flugzeugabstellpositionen am Gebäude auch einen deutlichen Qualitätssprung, weil Busfahrten von und zu den Flugzeugen weitgehend entfallen. Das nächste große Projekt im Bereich der Passagierabfertigung wird die von uns geplante Modernisierung und Erweiterung von Terminal 1. Hier sind wir noch in der Planungsphase. Zu den Zielen für die nächsten fünf Jahre gehört aber selbstverständlich auch die Realisierung unserer dritten Start- und Landebahn. Ich hoffe sehr, dass das Leipziger Bundesverwaltungsgericht uns bei dieser Frage bald endgültige Rechtssicherheit gibt. Wenn wir dann noch grünes Licht unserer Gesellschafter bekommen, kann der Bau der dritten Bahn beginnen.
Interview: Sabine Galas