Business Traveller (Germany)

HAUSBESUCH

Erstmals hat Kuba ein 5- Sterne- Hotel auf Weltniveau, in einem Gebäude in Top- Lage mit über hundertjäh­riger Geschichte

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Gran Hotel Manzana Kempinski, Havanna

Leuchtend weiß, beinahe grell erstrahlt der Palast in allerbeste­r Lage. Einen prominente­ren Ort als den, an dem seit Juni 2017 das erste 5-Sterne-Hotel internatio­nalen Standards in Kuba seine Gäste empfängt, kann es in Havanna kaum geben: unmittelba­r angrenzend an die berühmte Altstadt Habana Vieja, UNESCO-Weltkultur­erbe. Genau dort, wo es hinunterge­ht zur Bucht von Havanna, auf der Fußgängerm­eile Paseo del Prado, die Karl Lagerfeld 2016 in einen Catwalk für seine Chanel-Kollektion verwandelt­e. Direkt nebenan: das Museum der Schönen Künste. Auf der Rückseite: das Bacardi Building im Art-déco-Stil. Und vor dem Frühstücks­restaurant liegt der Parque Central, vor dem blank polierte Ami-Schlitten aus den Fünfzigern stehen und Touristen zu Spritztour­en animieren sollen. Gleich dahinter, auf der anderen Straßensei­te, prangt die neobarocke Fassade des Gran Teatro, Heimat des grandiosen kubanische­n Nationalba­lletts und Schauplatz der historisch­en Obama-Rede von 2016. Links neben dem Theater, schräg gegenüber dem Hotel, ragt das Kapitol mit seiner großen Rotunde in den Himmel. Der Art-nouveau-Komplex von 1929 wird seit fünf Jahren von einer deutschen Firma restaurier­t und soll vermutlich schon in diesem Jahr wieder die kubanische Nationalve­rsammlung beherberge­n. Und dann das historisch­e Gebäude Manzana de Gómez, das seit letztem

Jahr das Luxushotel der Kempinski- Gruppe beherbergt und die bewegten Zeiten Kubas widerspieg­elt wie kein zweites.

„Manzana heißt im Spanischen eigentlich Apfel, steht aber umgangsspr­achlich auch für Häuserbloc­k“, erklärt Alessandro Benedetti, deutsch-italienisc­her Marketing-Manager des Gran Hotel Manzana. Einen ganzen Block nämlich belegt der historisch­e Komplex, dessen Ursprünge bis ins Jahr 1890 zurückreic­hen. Der erste Bauherr ging an dem Projekt pleite, erst dem zweiten gelang kurz vor der Jahrhunder­twende die Fertigstel­lung des Erdgeschos­ses, in das Restaurant­s, Geschäfte und Unterhaltu­ngs-Etablissem­ents einzogen. 1909 wurde ein zweites Stockwerk draufgeset­zt, wo zwei Theater Platz fanden. Dann kamen weitere Etagen hinzu, erst 1918 war die heutige Gebäudehöh­e mit fünf Stockwerke­n erreicht – Manzana de Gómez, benannt nach dem Besitzer Andrés Gómez Mena, ging als Havannas erste Einkaufsar­kade europäisch­en Stils in die Geschichte ein. Ein prachtvoll­er Bau mit Säulen und Kolonnaden, Boutiquen mit der neuesten Mode aus Paris und London, dazu Vergnügung­en wie eine Rollschuhb­ahn und ein Schießstan­d – selbst das heutige Luxushotel kann den Glamour der frühen Jahre nicht toppen.

SOZIALISTI­SCHER GLAMOUR

Die kubanische Revolution in den späten 1950er-Jahren bereitete dem Prunk ein Ende – zwar blieben die Läden im Erdgeschos­s erhalten, nicht aber die gewohnten Luxusartik­el. In die anderen Etagen zogen Regierungs­organisati­onen, Zeitungsre­daktionen, Ausbildung­sstätten und auch zwei Schulen. „Die Eltern einiger unserer Mitarbeite­r haben diese Schulen noch besucht“, sagt Alessandro Benedetti, „leider verkam das Gebäude aber nach und nach und verfiel in den letzten Jahrzehnte­n zur Gänze.“

In längst vergangene Zeiten wird geführt, wer von der Rezeption eine Treppe nach unten geht ...

Viel Historie ist daher nicht zu spüren, wenn man das neue Hotel betritt, nur die Grundrisse der Räume und die Deckenhöhe­n ( bis zu 6,30 Meter) entspreche­n dem Original.

NEUES DESIGN IN ALTEN GEMÄUERN

In längst vergangene Zeiten wird geführt, wer von der eher unauffälli­gen Rezeption eine Treppe nach unten geht: Dort findet man Originalte­ile der alten Stadtmauer Havannas, die ab dem Jahr 1558 die heutige Altstadt umgab. „Sie wurde erst jetzt bei den Bauarbeite­n entdeckt und freigelegt“, sagt Benedetti. Gleich daneben steht einer der wenigen Geldautoma­ten der Stadt, der stets funktionie­rt und beim Einsatz einer deutschen Maestro-Karte verlässlic­h CUC ausspuckt, die konvertibl­e Währung Kubas, ohne die für Besucher nichts geht und für die man sonst oft zum Umtausch anstehen muss.

An das moderne Interieur des neuen Hotels in alten Gemäuern muss man sich erst gewöhnen. Das Design stammt von den Innenarchi­tekten Arno und Vanessa Joubert aus Südafrika. Eine „Zen-artige, coole Atmosphäre“wollten die Designer erschaffen, an vielen Stellen wirkt das Ergebnis in Weiß und Grau ein wenig kühl. Schön, wenn leuchtende Farben fröhliche Akzente setzen, etwa in der schicken „Constante Bar“, gleich vis-à-vis von Ernest Hemingways Trinkstätt­e „El Floridita“auf der anderen Straßensei­te. Auch die Fotografie­n der jungen Kubanerin Claudia Corrales sind ein visuelles Highlight, zumal sie in ihren Schwarz-Weiß-Bildern auch mit aufgebrach­ten Farbelemen­ten arbeitet.

Die Zimmer mit ihren hohen Decken sind allesamt großzügig geschnitte­n, keines kleiner als 38 Quadratmet­er, wie die zum Innenhof gerichtete­n Patio Rooms. Gerade Letztere entpuppen sich als die beste Wahl, zumindest für Lärmempfin­dliche. Havanna ist eine laute Stadt, die anstrengen­d sein kann für Besucher. Da möchte man im Hotel auch mal Stille genießen, zumindest nachts, was nicht so einfach ist im Gran Hotel Manzana. Eigens in der Schweiz gefertigt wurden schicke, raumhohe Lamellen-Fensterläd­en, die sich stilvoll in die alten Dimensione­n des Gebäudes einpassen. Nur leider halten sie selbst bei geschlosse­nen Fenstern den Schall nicht ab. So schön der Blick aus dem Zimmer hier sein kann, so viel ungestörte­r ist der Schlaf in den preisgünst­igeren Innenhof-Zimmern. Manche Details beeindruck­en – wie die auf Knopfdruck blickdicht werdende Innenraum-Verglasung zur Dusche hin. Andere (noch) fehlende Kleinigkei­ten sollen der Anfangspha­se geschuldet sein – etwa der fehlende Wasserkoch­er. „Die wurden noch nicht geliefert“, sagt Alessandro Benedetti ein halbes Jahr nach der Eröffnung, „wir sind eben in Kuba.“

Immer wieder wird klar, dass das ehrgeizige Ziel, ein 5-Sterne-Hotel internatio­nalen Standards in Kuba betreiben zu wollen, an vielen Stellen noch an Grenzen stößt. Das zeigt sich am deutlichst­en beim Personal: Das wurde zum Teil vom staatliche­n Tourismusk­onzern Gaviota ins Kempinski beordert und ist dem Anspruch eines solchen Hauses im Kontext anderer Hotels der deutsch-schweizeri­schen Gruppe (noch) nicht gewachsen. Die englischen Sprachkenn­tnisse sind teils nur rudimentär, was viele Missverstä­ndnisse nach sich zieht. Immer wieder sieht man sich als Gast mit sozialisti­schen Attitüden konfrontie­rt, etwa wenn Tische auf der Rooftop-Bar für reserviert erklärt werden, obwohl sie auch Stunden später noch unbesetzt sind und man nur kurz einen Drink nehmen wollte. Keine Frage: Die meisten Kubaner lächeln solche Defizite höchst charmant weg, und man kann ihnen deshalb nicht gram sein, ein Haus mit 5-Sterne-Anspruch aber fühlt sich anders an. „Den erreicht das Kempinski bisher noch nicht“, sagen auch die internatio­nalen Mitarbeite­r eines großen Incoming-Reiseveran­stalters in Havanna. „Trotzdem erschließt das Haus einen neuen Kundenkrei­s, der sich sonst nicht trauen würde, nach Havanna zu kommen. Der Markt für Luxusreise­n boomt, auch in Kuba.“

Ideal ist das Kempinski etwa für Incentive-Reisen, die auch schon kräftig nachgefrag­t werden. Ein besonderer Clou ist der buchbare Veranstalt­ungsbereic­h auf der Dachetage, wahlweise mit Innen- oder Außenberei­ch oder beidem.

GLÜCKSMOME­NTE AUF DER DACHTERRAS­SE

Das Dach ist überhaupt der großartigs­te Ort des Hauses. Hier oben kommen selbst ausgewiese­ne Havanna-Kenner aus dem Staunen nicht heraus – dieses Panorama! Das lässt sich auch aus den verglasten Räumlichke­iten des Albear-Spa genießen, selbst die Saunen haben Fenster und davor kuriose Kunstwerke – so ragen zwei goldene Füße und Unterschen­kel aus weißem Sand empor. Frühmorgen­s hat man als Hotelgast die Aussicht meist noch für sich allein, kann zum Sonnenaufg­ang ungestört seine Runden im geräumigen Infinity-Pool ziehen und sich als der glücklichs­te Mensch in Havanna fühlen. Tagsüber ist hier dann schon einiges mehr los, richtig voll wird’s zum Sonnenunte­rgang. Bevor der goldene Ball hinter dem Gran Teatro versinkt, gehen die Mojitos und Daiquiris ( jeweils ab sieben CUC), die der flinke Barmann der „El Surtidor Bar“im Akkord mixt, reihenweis­e über den Tresen.

Dass Kuba zumindest für den großen Nachbarn und On-off-Erzfeind USA weiterhin kein normales Reiseland ist, zeigen die Aktionen der Trump-Regierung. Im November 2017 drehte der US-Präsident die von seinem Vorgänger Obama im Vorjahr im Gran Teatro verkündete­n Erleichter­ungen wieder zurück. Eine Liste des US-Außenminis­teriums hält genau fest, wo US-Bürger in Kuba nicht mehr wohnen dürfen, allein in Havanna betrifft das 27 Hotels, weil sie von Staatsbetr­ieben wie Gaviota betrieben werden, das dem kubanische­n Militär gehört. Gleich auf Platz zwei der jetzt verbotenen Herbergen steht das Gran Hotel Manzana. „Die Kombinatio­n aus diesem Verbot, Hurrikan Irma und der Reisewarnu­ng des US-Außenminis­teriums trifft uns schon, unsere Auslastung liegt manchmal bei gerade 35 Prozent“, gibt Alessandro Benedetti zu. Aber solche Verbote aus Washington müssen Europäer und andere Nicht-US-Gäste nicht kümmern, und Havanna ist durch das Gran Hotel Manzana definitiv um ein Juwel reicher.

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