IT-Freiberufler frohlocken
Die neueste IT-Freiberuflerstudie zeigt: Freelancer verdienen glänzend.
Die anhaltend starke Nachfrage nach ITFreiberuflern treibt die Preise der Experten weiter in die Höhe. Aktueller Durchschnitt: ein Stundensatz von 84 Euro – das Zehnfache des gesetzlichen Brutto-Mindestlohns. Davon können viele Angestellte nur träumen, auch wenn Freelancer einiges an Abgaben abführen müssen. Laut der aktuellen „IT-Freiberufler-Studie 2017“der COMPUTERWOCHE (siehe Kasten Seite 40) sind die Stundensätze 2016 um vier Euro gestiegen, für 2017 rechnen die Freiberufler im Schnitt mit einem Zuwachs in gleicher Höhe, was einem Plus von rund fünf Prozent entspricht. Inzwischen liegen 41 Prozent der IT-Selbständigen eigenen Angaben zufolge beim Jahresumsatz über 120.000 Euro, sieben Prozentpunkte mehr als 2015.
Angesichts dieser Zahlen sind Zweifel am Bedarf an Freelancern fehl am Platz – der Markt wird von der Nachfrage nach IT-Kompetenzen getrieben. Und jedes Jahr steigt laut dem Verband Bitkom die Zahl der offenen IT-Stellen: Im vergangenen Jahr waren es 51.000 IT-Vakanzen, das sind fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon waren 30.500 Stellen bei Anwenderunternehmen unbesetzt. Dem stehen je nach Zählweise in Deutschland zwischen 90.000 und 100.000 IT-Freelancern gegenüber, die nach Bedarf gebucht werden können – wenn sie überhaupt zu bekommen sind.
Wie schon in den Vorjahren belegt die aktuelle Freiberufler-Studie, dass der Wachstumstrend anhält. Demnach schätzen über 50 Prozent der Unternehmen die Bedeutung von externen ITFachkräften in zwei Jahren als groß bis sehr groß ein. In den beiden Vorjahren lag der An- teil noch bei 30 (2015) beziehungsweise 44 (2016) Prozent. Auch der Mittelwert verbesserte sich im Jahresvergleich von 2,91 auf 2,79 (Schulnotenprinzip). Keine Überraschung: Am wichtigsten sind IT-Selbständige für Großunternehmen. Lediglich drei Prozent der Befragten messen IT-Freiberuflern eine geringe beziehungsweise keine Bedeutung bei. Auch das ist ein rekordverdächtiger Wert.
Nicht alle Firmen setzen auf Freiberufler
Dabei gibt es durchaus Organisationen, die grundsätzlich auf den Einsatz von Freiberuflern verzichten. Laut Studie bewältigt jedes achte Unternehmen seine IT-Aufgaben im Alleingang. Von diesen haben 51 Prozent „schon immer“auf Freelancer verzichtet, 18 Prozent halten sich erst zurück, seit sich im vergangenen Jahr die Gesetzeslage verändert hat. Die meisten Unternehmen, die Verzicht üben, geben an, dass sie über ausreichend eigene, richtig qualifizierte IT-Mitarbeiter verfügen. Immer-
hin 21 Prozent sorgen sich um einen möglichen Abfluss sensibler Daten durch Externe, während das Risiko der Scheinselbständigkeit nur von jeder achten Firma als Hinderungsgrund genannt wird. Dennoch steht unter dem Strich: Der Widerstand gegen den Einsatz von IT-Freiberuflern ist hierzulande gering ausgeprägt.
Davon profitieren die Vermittler: Online-Portale, IT-Berater, Personaldienstleister sowie ThirdParty-Manager beziehungsweise Managed-Service-Provider. In diesen Beschaffungskanälen gibt es ein stetes Auf und Ab, wobei aktuell ITBerater Aufwind verspüren, während Personaldienstleister einen leichten Rückgang verzeichnen. Seit Jahren werden Online-Portalen die besten Zukunftsaussichten eingeräumt – einen Durchbruch gegenüber den „realen“Vermittlern haben die Websites bislang aber nicht geschafft. Der wichtigste Rekrutierungsweg für Unternehmen bleibt mit rund 41 Prozent die direkte Beauftragung aus dem persönlichen Netzwerk. Ohne das eigene Netzwerk wären auch viele IT-Freiberufler ohne Anschlussauftrag. Kontakte und Beziehungen sowie positive Erfahrungen in einem Einsatzunternehmen sind Gold wert. Von den Institutionen im Markt unterbreiten Vermittler und Personaldienstleister die meisten Angebote für Aufträge an IT-Freiberufler. Dahinter rangieren IT-Beratungsgesellschaften, Systemhäuser sowie Online-Portale mit und ohne Agenturleistungen.
IT-Selbständige wünschen sich Feedback
In fast allen Bereichen stieg die Zufriedenheit der IT-Freiberufler mit Vermittlungsagenturen und Personaldienstleistern gegenüber dem Vorjahr an. Projekte und Einsatzunternehmen werden als relativ interessant wahrgenommen, und die Qualität der Zusammenarbeit kommt auf einen im Vorjahresvergleich leicht verbesserten Durchschnittswert. Wie schon 2016 tragen vor allem zuverlässige Zahlungen der Personalvermittler und die reibungslose Ab- wicklung zur Zufriedenheit der Freiberufler bei. Weniger wichtig sind hingegen schnelle Zahlungen. Die Akzeptanz der Honorarforderungen durch Personaldienstleister wird eher negativ eingeschätzt, ebenso die häufig nicht wirklich „maßgeschneiderten“Projektangebote, die den Freelancern unterbreitet werden, sowie unzureichendes Feedback.
Muss sich ein Unternehmen für einen Personaldienstleister entscheiden, ist die gute Zusammenarbeit in einem früheren Projekt das wichtigste Kriterium. An Bedeutung gewonnen hat auch das Preis-Leistungs-Verhältnis: Es entscheidet oft darüber, ob und wie intensiv mit einem Freelancer zusammengearbeitet wird. Hingegen rutschte die Zuverlässigkeit des Dienstleisters, der letztjährige Spitzenreiter, um knapp sieben Punkte ab. Zudem legen Kunden deutlich mehr Wert – plus neun Punkte – auf die fachliche Kompetenz des Ansprechpartners beim Dienstleister. Das gilt übrigens auch aus Sicht der Freiberufler.
Entscheidend ist die Qualität des Profils
Bei der konkreten Auftragsvergabe über Personaldienstleister und Vermittler bleibt die Qualität des vorgelegten Profils das wichtigste Entscheidungskriterium. Wenn der Freiberufler den Auftraggeber von gemeinsamen Projekten her kennt, kann er seinen Heimvorteil voll ausspielen. Zweitwichtigstes Entscheidungsmerkmal ist das geforderte Honorar des Freelancers. Dabei fällt auf, dass in Konzernen mit über 10.000 Mitarbeitern die Bedeutung des Tagessatzes wesentlich geringer ist als in kleineren Betrieben. Einige Entscheidungskriterien drehen sich außerdem um das Thema Geschwindigkeit: Wie kurzfristig kann ein Auftraggeber einen bestimmten Freelancer bereitstellen, und wie schnell ist ein Personaldienstleister in der Lage, geeignete Freiberufler vorzuschlagen? Zudem spielt die benötigte Frist für die Vorstellung des Kandidaten in die Entscheidung hinein.
Bemerkenswerter Aspekt am Rande: Über die Hälfte der befragten Unternehmen setzt keine spezielle Software zur Verwaltung ihrer ITFreiberufler ein, ebenso wenig zur Steuerung von Personaldienstleistern oder Vermittlern. Dabei sind Betriebe, die Programme für das Freelancer-Management nutzen, in der Regel durchaus zufrieden. Nach dem Schulnotenprinzip bewertet, landen die Tools zwischen 1,55 und 2,1. Bei zwei abgefragten Programmen sind jeweils über 90 Prozent der Anwenderunternehmen zufrieden oder sehr zufrieden – das ist in der Enterprise-IT ein spektakulärer Wert. Aus der Freiberufler-Studie 2016 war hervorgegangen, dass fast ein Drittel der Unternehmen Excel zur Verwaltung von Kandidaten verwendete, ein Viertel nutzt demnach Komponenten des eingesetzten ERP-Systems.
Ein Erfolgsmodell in der Zusammenarbeit mit Freiberuflern sind „Mixed Teams“aus internen und externen IT-Fachkräften. Mehr als 89 Prozent der befragten Unternehmen streben „manchmal, häufig oder immer“gemischte Teams an. Gegenüber 2016 ist der Anteil der Auftraggeber, die Mixed Teams vermeiden, auf nur noch 1,7 Prozent gesunken. Ein Grund für den Trend sind die guten Erfahrungen: Waren 2016 noch knapp 64 Prozent der Firmen zufrieden bis sehr zufrieden mit gemischten Teams, sind es in diesem Jahr bereits acht von zehn Unternehmen. Nicht oder gar nicht zufrieden war keines von ihnen. Der Grad der Zufriedenheit variiert zwischen kleinen Unternehmen (Schulnote: 2,01) und großen Unternehmen (2,19) sowie zwischen Topmanagern (1,76) und IT-Leitern (2,13). Vereinfacht: IT-Leiter aus Konzernen sind ein bisschen weniger zufrieden mit Mixed Teams als Geschäftsführer von Firmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern.
Unterschiedliche Zukunftsprognosen
Trotz der eindrucksvollen und lang anhaltenden Wachstumsphase im Markt für IT-Freiberufler ist mittelfristig davon auszugehen, dass die Bäume nicht immer weiter in den Himmel wachsen. Indizien: Rund 45 Prozent der IT-Fachkräfte in den Unternehmen kommen heute bereits von außen hinzu. Dabei ist die Quote der fest angestellten IT-Experten 2016 nur um 0,3 Prozent gesunken. In diesen Fällen kamen aber meistens nicht ersatzweise Freiberufler zum Einsatz, vielmehr fielen die Stellen Outsourcing-Projekten zum Opfer, bei denen fest angestellte Mitarbeiter die Seiten wechselten.
Die Mehrzahl der Befragten aus den Einsatzunternehmen geht heute davon aus, dass sich der Anteil der externen IT-Mitarbeiter nicht mehr großartig verändern wird. Allerdings sind auch rund 40 Prozent der Ansicht, dass künftig mehr freie Mitarbeiter in den IT- und Fachabteilungen tätig sein werden – für ein paar zusätzliche Jahre Aufschwung bei IT-Freiberuflern reicht das noch allemal aus.