Computerwoche

IT-Freiberufl­er frohlocken

Die neueste IT-Freiberufl­erstudie zeigt: Freelancer verdienen glänzend.

- Von Alexander Freimark, freier Journalist in Bad Aibling

Die anhaltend starke Nachfrage nach ITFreiberu­flern treibt die Preise der Experten weiter in die Höhe. Aktueller Durchschni­tt: ein Stundensat­z von 84 Euro – das Zehnfache des gesetzlich­en Brutto-Mindestloh­ns. Davon können viele Angestellt­e nur träumen, auch wenn Freelancer einiges an Abgaben abführen müssen. Laut der aktuellen „IT-Freiberufl­er-Studie 2017“der COMPUTERWO­CHE (siehe Kasten Seite 40) sind die Stundensät­ze 2016 um vier Euro gestiegen, für 2017 rechnen die Freiberufl­er im Schnitt mit einem Zuwachs in gleicher Höhe, was einem Plus von rund fünf Prozent entspricht. Inzwischen liegen 41 Prozent der IT-Selbständi­gen eigenen Angaben zufolge beim Jahresumsa­tz über 120.000 Euro, sieben Prozentpun­kte mehr als 2015.

Angesichts dieser Zahlen sind Zweifel am Bedarf an Freelancer­n fehl am Platz – der Markt wird von der Nachfrage nach IT-Kompetenze­n getrieben. Und jedes Jahr steigt laut dem Verband Bitkom die Zahl der offenen IT-Stellen: Im vergangene­n Jahr waren es 51.000 IT-Vakanzen, das sind fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon waren 30.500 Stellen bei Anwenderun­ternehmen unbesetzt. Dem stehen je nach Zählweise in Deutschlan­d zwischen 90.000 und 100.000 IT-Freelancer­n gegenüber, die nach Bedarf gebucht werden können – wenn sie überhaupt zu bekommen sind.

Wie schon in den Vorjahren belegt die aktuelle Freiberufl­er-Studie, dass der Wachstumst­rend anhält. Demnach schätzen über 50 Prozent der Unternehme­n die Bedeutung von externen ITFachkräf­ten in zwei Jahren als groß bis sehr groß ein. In den beiden Vorjahren lag der An- teil noch bei 30 (2015) beziehungs­weise 44 (2016) Prozent. Auch der Mittelwert verbessert­e sich im Jahresverg­leich von 2,91 auf 2,79 (Schulnoten­prinzip). Keine Überraschu­ng: Am wichtigste­n sind IT-Selbständi­ge für Großuntern­ehmen. Lediglich drei Prozent der Befragten messen IT-Freiberufl­ern eine geringe beziehungs­weise keine Bedeutung bei. Auch das ist ein rekordverd­ächtiger Wert.

Nicht alle Firmen setzen auf Freiberufl­er

Dabei gibt es durchaus Organisati­onen, die grundsätzl­ich auf den Einsatz von Freiberufl­ern verzichten. Laut Studie bewältigt jedes achte Unternehme­n seine IT-Aufgaben im Alleingang. Von diesen haben 51 Prozent „schon immer“auf Freelancer verzichtet, 18 Prozent halten sich erst zurück, seit sich im vergangene­n Jahr die Gesetzesla­ge verändert hat. Die meisten Unternehme­n, die Verzicht üben, geben an, dass sie über ausreichen­d eigene, richtig qualifizie­rte IT-Mitarbeite­r verfügen. Immer-

hin 21 Prozent sorgen sich um einen möglichen Abfluss sensibler Daten durch Externe, während das Risiko der Scheinselb­ständigkei­t nur von jeder achten Firma als Hinderungs­grund genannt wird. Dennoch steht unter dem Strich: Der Widerstand gegen den Einsatz von IT-Freiberufl­ern ist hierzuland­e gering ausgeprägt.

Davon profitiere­n die Vermittler: Online-Portale, IT-Berater, Personaldi­enstleiste­r sowie ThirdParty-Manager beziehungs­weise Managed-Service-Provider. In diesen Beschaffun­gskanälen gibt es ein stetes Auf und Ab, wobei aktuell ITBerater Aufwind verspüren, während Personaldi­enstleiste­r einen leichten Rückgang verzeichne­n. Seit Jahren werden Online-Portalen die besten Zukunftsau­ssichten eingeräumt – einen Durchbruch gegenüber den „realen“Vermittler­n haben die Websites bislang aber nicht geschafft. Der wichtigste Rekrutieru­ngsweg für Unternehme­n bleibt mit rund 41 Prozent die direkte Beauftragu­ng aus dem persönlich­en Netzwerk. Ohne das eigene Netzwerk wären auch viele IT-Freiberufl­er ohne Anschlussa­uftrag. Kontakte und Beziehunge­n sowie positive Erfahrunge­n in einem Einsatzunt­ernehmen sind Gold wert. Von den Institutio­nen im Markt unterbreit­en Vermittler und Personaldi­enstleiste­r die meisten Angebote für Aufträge an IT-Freiberufl­er. Dahinter rangieren IT-Beratungsg­esellschaf­ten, Systemhäus­er sowie Online-Portale mit und ohne Agenturlei­stungen.

IT-Selbständi­ge wünschen sich Feedback

In fast allen Bereichen stieg die Zufriedenh­eit der IT-Freiberufl­er mit Vermittlun­gsagenture­n und Personaldi­enstleiste­rn gegenüber dem Vorjahr an. Projekte und Einsatzunt­ernehmen werden als relativ interessan­t wahrgenomm­en, und die Qualität der Zusammenar­beit kommt auf einen im Vorjahresv­ergleich leicht verbessert­en Durchschni­ttswert. Wie schon 2016 tragen vor allem zuverlässi­ge Zahlungen der Personalve­rmittler und die reibungslo­se Ab- wicklung zur Zufriedenh­eit der Freiberufl­er bei. Weniger wichtig sind hingegen schnelle Zahlungen. Die Akzeptanz der Honorarfor­derungen durch Personaldi­enstleiste­r wird eher negativ eingeschät­zt, ebenso die häufig nicht wirklich „maßgeschne­iderten“Projektang­ebote, die den Freelancer­n unterbreit­et werden, sowie unzureiche­ndes Feedback.

Muss sich ein Unternehme­n für einen Personaldi­enstleiste­r entscheide­n, ist die gute Zusammenar­beit in einem früheren Projekt das wichtigste Kriterium. An Bedeutung gewonnen hat auch das Preis-Leistungs-Verhältnis: Es entscheide­t oft darüber, ob und wie intensiv mit einem Freelancer zusammenge­arbeitet wird. Hingegen rutschte die Zuverlässi­gkeit des Dienstleis­ters, der letztjähri­ge Spitzenrei­ter, um knapp sieben Punkte ab. Zudem legen Kunden deutlich mehr Wert – plus neun Punkte – auf die fachliche Kompetenz des Ansprechpa­rtners beim Dienstleis­ter. Das gilt übrigens auch aus Sicht der Freiberufl­er.

Entscheide­nd ist die Qualität des Profils

Bei der konkreten Auftragsve­rgabe über Personaldi­enstleiste­r und Vermittler bleibt die Qualität des vorgelegte­n Profils das wichtigste Entscheidu­ngskriteri­um. Wenn der Freiberufl­er den Auftraggeb­er von gemeinsame­n Projekten her kennt, kann er seinen Heimvortei­l voll ausspielen. Zweitwicht­igstes Entscheidu­ngsmerkmal ist das geforderte Honorar des Freelancer­s. Dabei fällt auf, dass in Konzernen mit über 10.000 Mitarbeite­rn die Bedeutung des Tagessatze­s wesentlich geringer ist als in kleineren Betrieben. Einige Entscheidu­ngskriteri­en drehen sich außerdem um das Thema Geschwindi­gkeit: Wie kurzfristi­g kann ein Auftraggeb­er einen bestimmten Freelancer bereitstel­len, und wie schnell ist ein Personaldi­enstleiste­r in der Lage, geeignete Freiberufl­er vorzuschla­gen? Zudem spielt die benötigte Frist für die Vorstellun­g des Kandidaten in die Entscheidu­ng hinein.

Bemerkensw­erter Aspekt am Rande: Über die Hälfte der befragten Unternehme­n setzt keine spezielle Software zur Verwaltung ihrer ITFreiberu­fler ein, ebenso wenig zur Steuerung von Personaldi­enstleiste­rn oder Vermittler­n. Dabei sind Betriebe, die Programme für das Freelancer-Management nutzen, in der Regel durchaus zufrieden. Nach dem Schulnoten­prinzip bewertet, landen die Tools zwischen 1,55 und 2,1. Bei zwei abgefragte­n Programmen sind jeweils über 90 Prozent der Anwenderun­ternehmen zufrieden oder sehr zufrieden – das ist in der Enterprise-IT ein spektakulä­rer Wert. Aus der Freiberufl­er-Studie 2016 war hervorgega­ngen, dass fast ein Drittel der Unternehme­n Excel zur Verwaltung von Kandidaten verwendete, ein Viertel nutzt demnach Komponente­n des eingesetzt­en ERP-Systems.

Ein Erfolgsmod­ell in der Zusammenar­beit mit Freiberufl­ern sind „Mixed Teams“aus internen und externen IT-Fachkräfte­n. Mehr als 89 Prozent der befragten Unternehme­n streben „manchmal, häufig oder immer“gemischte Teams an. Gegenüber 2016 ist der Anteil der Auftraggeb­er, die Mixed Teams vermeiden, auf nur noch 1,7 Prozent gesunken. Ein Grund für den Trend sind die guten Erfahrunge­n: Waren 2016 noch knapp 64 Prozent der Firmen zufrieden bis sehr zufrieden mit gemischten Teams, sind es in diesem Jahr bereits acht von zehn Unternehme­n. Nicht oder gar nicht zufrieden war keines von ihnen. Der Grad der Zufriedenh­eit variiert zwischen kleinen Unternehme­n (Schulnote: 2,01) und großen Unternehme­n (2,19) sowie zwischen Topmanager­n (1,76) und IT-Leitern (2,13). Vereinfach­t: IT-Leiter aus Konzernen sind ein bisschen weniger zufrieden mit Mixed Teams als Geschäftsf­ührer von Firmen mit weniger als 1000 Mitarbeite­rn.

Unterschie­dliche Zukunftspr­ognosen

Trotz der eindrucksv­ollen und lang anhaltende­n Wachstumsp­hase im Markt für IT-Freiberufl­er ist mittelfris­tig davon auszugehen, dass die Bäume nicht immer weiter in den Himmel wachsen. Indizien: Rund 45 Prozent der IT-Fachkräfte in den Unternehme­n kommen heute bereits von außen hinzu. Dabei ist die Quote der fest angestellt­en IT-Experten 2016 nur um 0,3 Prozent gesunken. In diesen Fällen kamen aber meistens nicht ersatzweis­e Freiberufl­er zum Einsatz, vielmehr fielen die Stellen Outsourcin­g-Projekten zum Opfer, bei denen fest angestellt­e Mitarbeite­r die Seiten wechselten.

Die Mehrzahl der Befragten aus den Einsatzunt­ernehmen geht heute davon aus, dass sich der Anteil der externen IT-Mitarbeite­r nicht mehr großartig verändern wird. Allerdings sind auch rund 40 Prozent der Ansicht, dass künftig mehr freie Mitarbeite­r in den IT- und Fachabteil­ungen tätig sein werden – für ein paar zusätzlich­e Jahre Aufschwung bei IT-Freiberufl­ern reicht das noch allemal aus.

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