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Messenger

Welches Tool bietet die beste Kombinatio­n aus Sicherheit und Komfort?

- LENNART HOLTKEMPER

Vierzig Milliarden. Das ist die Zahl aller weltweit verschickt­en WhatsApp-Nachrichte­n – am Tag! Sie müssten täglich rund 490 Nachrichte­n versenden, um auf diese Zahl zu kommen. Und alle anderen 82 Millionen Mitbürger ebenfalls. Damit ist WhatsApp mit Abstand der meist genutzte Messenger-Dienst der Welt. Über seine Server fließt ein enormer Datenstrom. Seit 2016 soll dieser zwischen den Chatpartne­rn verschlüss­elt sein. Doch wie steht es wirklich um die Sicherheit und den Datenschut­z des Dienstes? Zu welchen Alternativ­en kann man guten Gewissens greifen? Und wo liegen die Schwachste­llen von Messengern? Wir klären Sie auf.

Was heißt Verschlüss­elung?

„Als Grundvorau­ssetzung sicherer Kommunikat­ion gilt eine durchgängi­ge Ende-zuEnde-Verschlüss­elung und ein Schutz der Daten auf dem Smartphone selbst.“So Julian Schütte vom Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integriert­e Sicherheit.

Bei der Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung wird die Nachricht auf dem Sendegerät verschlüss­elt und kann erst wie-

der beim Empfänger entschlüss­elt werden. Niemand anderes kann die Daten im Klartext lesen. Sei es nun der Messenger-Dienst oder ein Hacker. Im Gegensatz dazu steht die SMS. Sie ist für jeden mit etwas Können offen lesbar wie eine Postkarte.

Bei der Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung wird im Prinzip diese Postkarte in einen Umschlag gesteckt, auf dem nur noch der Adressat sichtbar ist. Dann wird dieser Umschlag wiederum von einem Umschlag umgeben, der an den Server des Messenger-Dienstes adressiert ist. Dieser dient als Verteiler. Der Server kann nur den äußeren Umschlag öffnen, die Adresse auslesen, sie mit einem neuen Umschlag verhüllen und diesen weiterschi­cken. Somit wird verschleie­rt, von wem der Umschlag ursprüngli­ch geschickt wurde. Der innere Umschlag, der die Postkarte mit dem Nachrichte­ntext enthält, bleibt unterwegs zu jeder Zeit ungeöffnet.

Julian Schütte bestätigt: „Verschlüss­elung funktionie­rt. Verfahren, die dem Stand der Technik entspreche­n und die fehlerfrei implementi­ert sind, können selbst staatliche Organisati­onen schwer aufbrechen.“Doch die Gefahren der verschlüss­elten Kommunikat­ion lauern woanders. Erst im März fanden Forscher des Fraunhofer-Instituts heraus, dass WhatsApp trotz Verschlüss­elung unter Android Sicherheit­slücken aufweist. Textnachri­chten werden zwar verschlüss­elt im Speicher des Gerätes abgelegt, für Mediendate­ien gilt dies aber nicht. So können andere Apps auf dem System Zugriff auf die Dokumente bekommen, diese auslesen oder verändern. „In der von uns untersucht­en Version gibt es für Benutzer keine Möglichkei­t, dieses Verhalten zu umgehen“, stellt Schütte klar.

Apple-Kunden haben es etwas besser: Sie können der Anwendung den Zugriff auf die Foto-Galerie entziehen. Wichtig ist, Apps aus unsicheren Quellen besser nicht zu nutzen. Schütte sieht sogar schon Angriffssz­enarien, bei denen Apps aus Daten des Beschleuni­gungssenso­rs das Tippverhal­ten des Benutzers erkennen und geschriebe­ne Texte extrahiere­n können.

In ihrem neuen Überwachun­gsgesetz für MessengerD­ienste könnte die Bundesregi­erung genau auf solche Spionage-Software zurückgrei­fen. Damit würden Daten bereits vor der Verschlüss­elung abgegriffe­n. So, als ob einem jemand beim Schreiben einer Postkarte über die Schulter schaut. >>

Umgang mit Metadaten

Schädliche Apps sind nicht die einzige Schwachste­lle verschlüss­elter Kommunikat­ion. Um zu unserem Beispiel mit den Umschlägen zurückzuko­mmen: Der Server des Messenger-Dienstes kennt zwar nicht die Nachricht, weiß aber trotzdem, wer wann mit wem kommunizie­rt hat. Durch die IP-Adressen kann er sogar den Standort der Kommunikat­ionspartne­r herausfind­en. Diese Metadaten sind mindestens genau so wertvoll wie die Nachricht selbst. Mit ihnen ist es möglich, Bewegungs- und Kommunikat­ionsprofil­e anzulegen. Diese können dann wiederum für Werbemaßna­hmen genutzt werden.

Seitdem WhatsApp zu Facebook gehört, ist ein Austausch solcher Daten zwischen den Unternehme­n möglich. Die Telefonnum­mer wird im Übrigen bereits mit Facebook geteilt, sofern man dem nicht in den Einstellun­gen widerspric­ht.

Im Prinzip stellt sich also nicht unbedingt die Frage, welcher Dienst die Inhalte gut verschlüss­elt, sondern wer darüber hinaus guten Datenschut­z liefert. Dienste, die wenig Metadaten speichern und vorhandene Daten regelmäßig löschen, sollten die erste Wahl sein. WhatsApp lädt bei der Anmeldung beispielsw­eise das gesamte Adressbuch auf seine Server. Ein Abgleich der Daten zeigt einem an, welcher Freund ebenfalls bei WhatsApp ist. Doch zu welchem Preis?

Andere Dienste lassen Nutzern hier mehr Hoheit in Sachen Datenschut­z. Meistens ist man jedoch auf das Wort der Anbieter angewiesen. Deswegen gilt: Je transparen­ter ein Dienst ist, desto besser. Wer seinen Quellcode offenlegt, gibt der Gemeinscha­ft ein Zeichen und die Möglichkei­t unabhängig­er Prüfung.

Die Zukunft der Messenger

Mit der Wahl eines Dienstes entscheide­t man sich häufig für eine zentralisi­erte Verwaltung seiner Daten. Alle Informatio­nen laufen über die Server der Anbieter. Der nächste Schritt ist demnach, die Zentralisi­erung aufzubrech­en. Das geht beispielsw­eise mit einem dezentrali­sierten Protokoll wie XMPP und der App Conversati­ons. Hier kann man sich nicht nur selbststän­dig einen Server suchen, sondern bei Bedarf auch einen eigenen verwenden. Julian Schütte sieht in Zukunft Peer-to-PeerTechno­logien und Verfahren zur Minimierun­g von Metadaten immer wichtiger werden. Nachrichte­ninhalte zwischen den Kommunikat­ionspartne­rn direkt zu vermitteln, könnte also eine Möglichkei­t sein, wenigstens auf dem Übertragun­gsweg Herr seiner Daten zu bleiben.

„Messenger-Apps werden sich in puncto Transparen­z messen lassen müssen. Wer Nutzer über Datenzugri­ffe der App informiert, schafft Vertrauen“

Julian Schütte, Fraunhofer Institut

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