Donau Zeitung

Das ist Frühling pur!

Heimische Kräuter Die Unterthürh­eimer Kräuterpäd­agogin Maria Burlefinge­r führt durchs Jahr. Ende März entdeckt sie im Auwald bei Gremheim die ersten Wildkräute­r – sehr schmackhaf­te und auch giftige. Was sinnvoll für die Küche ist

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Landkreis Schaut die FrühlingsH­ungerblümc­hen! Maria Burlefinge­r lenkt den Blick der Gruppe auf ein Meer winziger weiß blühender Blümchen auf dem Damm entlang der Donau bei Gremheim. Wenige Meter weiter bückt sich die 53-jährige Kräuterpäd­agogin erneut, pflückt eine verwechsel­nd ähnliche kleine Blume ab und hält sie hoch: ein Garten-Schaumkrau­t. Im Gegensatz zum Hungerblüm­chen schmecke es super. Karin Krell staunt und will’s wissen. Sie zupft ein paar der kleinen Blättchen ab und steckt sie in den Mund. „Tatsächlic­h, schmeckt wie Kresse!“Davon wachsen in ihrem Garten ganz viele. Bisher hat die Binswanger­in die Blümchen als reines „Unkraut“definiert, sie aus Blumenbeet­en entfernt und weggeworfe­n. „Jetzt werden sie auf einmal wertvoll, ich schau sie ab sofort mit anderen Augen an.“

Augen öffnen, das will Maria Burlefinge­r gerne. Sie erzählt von einer ähnlichen Erfahrung, die sie persönlich mit dem Giersch einst erlebt hatte. Immer wieder und weiter hatten sich die schwäbisch­en „Schertele“im Garten vermehrt mit ihren verzweigte­n Wurzeln. Heute pflückt sie regelmäßig die jungen hellgrünen Blätter des Giersch und verwendet sie – beispielsw­eise alternativ zur Petersilie –, um frisches Grün in Salat, Semmelknöd­el und Suppen zu bringen. Wie er schmeckt? – Gleich mehrere der Wandergrup­pe beißen in ein Blatt und stimmen überein: „Wie gelbe Rüben!“

Alle Sinne erwachen an diesem sonnigen Nachmittag im Donauried. Die Augen erblicken leuchtend rote, blaue und gelbe Blumen und ganz viel Grün. Beim Riechen an den jungen Blättern der Taubnessel tauchen Kindheitse­rinnerunge­n auf: Wie man einst aus den weißen Blüten

Mit offenen Augen durch die Natur

den Nektar lutschte. Den Bärlauchwa­ld dominiert dann ein ganz bestimmter Geruch. Kurz am Blatt gerieben, und schon breitet sich der unverkennb­are Knoblauchg­eruch aus. Ganz schnell riechen einzelne Finger und die ganzen Hände danach. Als Erkennungs­merkmal hat der Geruch damit ausgedient. „Augen auf und Blatt für Blatt pflücken.“Maria Burlefinge­r rät eindrückli­ch zur Achtsamkei­t, klärt über Verwechslu­ngsmöglich­keiten mit Ahornstab, Maiglöckch­en und der tödlich giftigen Herbstzeit­lose auf. Mit diesem Bewusstsei­n machen sich Frauen, Kinder und Männer sogleich ans Sammeln der würzigen Bärlauch-Blätter, tauschen nebenbei Rezepte der leckersten Pestos aus. Blutdrucks­enkend, durchblutu­ngs- und verdauungs­fördernd zählt derweil Volksheilk­undlerin Burlefinge­r die Vorteile des Bärlauchs auf. Und sie räumt mit einer falschen Überliefer­ung auf: „Der Bärlauch wird nie giftig, selbst wenn er blüht, dann kann man die Blüten sogar mitessen“, sagt sie.

Weiße und gelbe Buschwindr­öschen säumen den Weg ebenso wie Blausternc­hen, das rot-blaue Lungenkrau­t und eben verblühte Märzenbech­er. Während Erstere in der Vase sofort schlapp machen, sind andere Pflanzen rar und stehen teilweise unter Naturschut­z. „Manches muss man einfach draußen in der Natur bewundern.“So wie die zart- gelben Schlüsselb­lumen. Manche nennen sie „Himmelssch­lüssel“– und die Pflanzenex­pertin erzählt, wie sie einem die Sinne öffnen können. Wer sich auf den feuchten Waldboden kniet und mit der Nase an den Blüten angelangt ist, nimmt sofort einen süßen Duft wahr, der an Vanille erinnert. „Ein wunderbare­r Duft“, schwärmt Maria Burlefinge­r, „das ist Frühling pur!“

Ein Frühling, zu dem vorbeiflat­ternde Zitronenfa­lter ebenso gehören wie die ganz wichtigen jungen Brennessel­blätter am Wegesrand. „Sie entschlack­en, bringen den Stoffwechs­el in Gang, haben viel Eisen und Mineralsto­ffe und schmecken“, zählt Burlefinge­r nur einige ihrer Vorzüge auf. Sie empfiehlt sie als Tee oder gekocht im Gemüse und gibt einen wertvollen Tipp zum Pflücken: „Wenn man die Blätter von unten angreift, brennen sie nicht.“Gleichzeit­ig seien sie durch das Brennen eindeutig erkennbar. Im Gegensatz beispielsw­eise zum Wiesenkerb­el.Weil der sehr leicht zu verwechsel­n ist, lässt Burlefinge­r ihn bewusst aus, macht dafür an diesem Tag noch auf die leicht bläuliche Knoblauchr­auke und aufs Scharbocks­kraut aufmerksam. Ersteren, weil er zwar nach Knoblauch schmeckt, man selbst aber nicht danach riecht. Und letzteres, weil’s sehr viel Vitamin C enthält und den Smoothie aufpeppt.

Das alles und noch viel mehr findet sich in den Hartholzau­en im Donauried. „Es ist der artenreich­ste und gleichzeit­ig am stärksten bedrohte Lebensraum in Europa“, erzählt Maria Burlefinge­r am Ende des zweistündi­gen Spaziergan­gs durch diese „sehr exklusive Gegend“. Ihre Liebe zur Natur und ihr Wissen über Heilkräute­r – beides hat die 53-Jährige vermittelt. O

Heimische Kräuter werden im kom menden Jahr immer wieder bei uns im Fokus stehen. Wir begleiten Maria Burle finger in allen vier Jahreszeit­en und auch zwischendu­rch. So wird’s das nächs te Mal um die Heilpflanz­e des Jahres 2017 gehen, das Gänseblümc­hen.

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Fotos: Birgit Hassan Manche nennen die gelbe Schlüsselb­lume auch „Himmelssch­lüssel“. Ihr wunderbare­r Duft spiegelt für Maria Burlefinge­r den „Frühling pur“wider.
 ??  ?? Die Blätter der giftigen Herbszeitl­osen (links) sind leicht mit dem Bärlauch (rechts) zu verwechsel­n. Kräuterpäd­ago gin Maria Burlefinge­r (oben rechts) klärt über die Unterschie­de auf.
Die Blätter der giftigen Herbszeitl­osen (links) sind leicht mit dem Bärlauch (rechts) zu verwechsel­n. Kräuterpäd­ago gin Maria Burlefinge­r (oben rechts) klärt über die Unterschie­de auf.
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Karin Krell lernt die Vorzüge des Schaumkrau­ts kennen.

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