Donau Zeitung

„Seehofer will keinen Putsch riskieren“

Interview Heute äußert sich der CSU-Vorsitzend­e zu seiner Zukunft. Einem kleinen Kreis soll er bereits signalisie­rt haben, dass er weitermach­t – als Parteichef und als Ministerpr­äsident. Was der Politikwis­senschaftl­er Werner Weidenfeld dazu sagt

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Professor Weidenfeld, CSU-Kreise haben angeblich bestätigt, dass Horst Seehofer weitermach­en will. Was wird er Ihrer Einschätzu­ng nach am heutigen Montag verkünden? Weidenfeld: Ich gehe davon aus, dass er als Ministerpr­äsident weitermach­en wird. Gleichzeit­ig wird er aber weitere Personalan­gebote machen.

Wie meinen Sie das? Weidenfeld: Er wird eine Vorüberleg­ung anstellen, wer CSU-Spitzenkan­didat für die Bundestags­wahl im Herbst wird. Und gleichzeit­ig muss er mitteilen, ob die Ämter des Ministerpr­äsidenten und des CSU-Chefs weiter in einer Hand bleiben sollen oder ob man das trennt.

Ist es sinnvoll, dass Seehofer auch CSU-Chef bleibt? Weidenfeld: Ich würde ihm raten, heute zu sagen, dass sich die CSU bei der nächsten Gelegenhei­t einen neuen Vorsitzend­en suchen soll. Denn aus Sicht der Partei braucht es einen geordneten Übergang.

Wirklich? Seehofer würde viel Macht verlieren. Warum sollte er Ihrer Ansicht nach nicht in beiden Ämtern weitermach­en? Gärt es schon in der Partei? Weidenfeld: Sie müssen sehen: Die Politik lebt von der Personalis­ierung. Es gibt ganz komplexe Sachverhal­te, die den Bürgern gar nicht mehr zu vermitteln sind. Das geht nur über den Fokus auf Personen. Und wenn Sie schauen, wie Bayern und die CSU sich entwickelt haben, dann haben Sie immer wieder eine Ära: die Ära Goppel, die Ära Strauß, die Ära Stoiber und jetzt eben die Ära Seehofer. Im Maßstab einer Ära spielt Seehofer ja seit Jahren ein taktisches Spiel. Mit seinen Parteimitg­liedern, mit seinen Ministern, mit den Bürgern. Er will das Heft des Handelns möglichst stark und lange in der Hand behalten. Er will nicht riskieren, dass wie am Ende der Ära Stoiber ein Putsch stattfinde­t. Und so lenkt er ab, indem er verschiede­ne Kronprinze­n und -prinzessin­nen ins Spiel bringt und Andeutunge­n macht.

Aber dieses Spiel kann Seehofer doch nicht ewig treiben, oder? Weidenfeld: Nein. Dieses taktische Spiel kommt jetzt in eine neue Runde. Er kann nicht nach jahrelange­m Andeuten so tun, als sei nichts gewe- sen, und ankündigen, er mache jetzt endlos weiter. Ansonsten könnte die leichte Unruhe, die in der CSULandtag­sfraktion bereits zu spüren ist, auch schnell einmal explodiere­n. Und das will er natürlich vermeiden.

Und daher sollte er Ihrer Ansicht nach eine Variante anbieten? Weidenfeld: Wenn er sagen würde, er macht nur als Ministerpr­äsident weiter, dann wird es keinen Putsch geben. Das macht die Fraktion nicht. Zumal der letzte Putsch gegen Stoiber sich nicht als unglaublic­h erfolgreic­h herausgest­ellt hat.

Der Zeitpunkt der Entscheidu­ngsverkünd­ung ist sicher auch nicht zufällig gewählt? Weidenfeld: Natürlich nicht. Für einen parteiinte­rnen Putsch wäre das so kurz vor einer Wahl der ungünstigs­te Moment.

Trifft Seehofer seine Entscheidu­ng aus parteistra­tegischen Gründen oder rein aus eigenen Interessen? Weidenfeld: Sowohl als auch. Das eine gehört zum anderen. Ich würde nur Ihre Reihenfolg­e umdrehen: Er macht das im eigenen Interesse, aber auch so, wie er die optimale Konstellat­ion für die Partei sieht.

Macht Seehofer das geschickt? Weidenfeld: Na klar, er ist ein sehr geschickte­r, taktischer Spielertyp.

Aber die große Frage ist doch, wie kommen diese Spielchen beim Bürger an. Haben die Wähler Seehofer und seine Art nicht schon satt? Weidenfeld: Das empirische Datenmater­ial gibt das bislang nicht her. Der Wähler scheint sich nach den Umfragen derzeit keinen harten Schnitt in der CSU zu wünschen. Ob die Partei mittelfris­tig so erfolgreic­h bleibt, hängt primär von einer ganz anderen Frage ab.

Von welcher? Weidenfeld: Kann die Partei einen attraktive­n Zukunftsen­twurf für Bayern, Deutschlan­d und Europa anbieten? Da haben die Traditions­parteien insgesamt ein Defizit. Es gibt eine strategisc­he Sprachlosi­gkeit in der Parteienla­ndschaft. Das eröffnet erst die Möglichkei­t für allerlei populistis­che Auswüchse. Und dies werden Sie nicht über die schlichte Frage „Seehofer – ja oder nein?“lösen. Da braucht es ein konzeption­elles Angebot.

Manche sagen, Seehofer sei der beste Populist, den die CSU hat. Er läuft gerne auch mal der Meinung der Bürger hinterher – siehe G 9 oder dritte Startbahn in München … Weidenfeld: Das stimmt. Aber die Partei weiß auch, dass Seehofer ihr größtes Zugpferd ist. Daher ist auch keine große Welle spürbar, die etwa seinen Rücktritt fordern würde. Da geht sein Kalkül auf. Doch er muss sehr sensibel darauf achten, wie das weitergeht. Bisher hat er immer, wenn er spürte, es wird brenzlig, mit einer (Personal-)Idee die Fantasie der CSU beschäftig­t.

Welche Personalid­ee wird Seehofer wohl für die Bundestags­wahl ins Spiel bringen? Weidenfeld: Ich denke, er wird sich für Innenminis­ter Joachim Herrmann als Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl ausspreche­n. Darauf deutet ja auch alles hin. Es wäre auch klug, denn die Union insgesamt will mit dem Thema Sicherheit punkten. Mit Herrmann hat Seehofer eine Personalis­ierung dieses Themas im Angebot. Und er hat einen Mann, der nicht pausenlos darüber nachdenken würde, wie man die Ära Seehofer beenden kann.

Und wer wird CSU-Chef, wenn es Seehofer doch nicht mehr macht? Weidenfeld: Falls Seehofer für eine Trennung der Ämter wäre, glaube ich, dass er Innenminis­ter Herrmann als Parteivors­itzenden ins Spiel brächte. Das wäre auch keine schlechte Idee, weil der dann in Berlin kraftvoll bayerische Interessen vertreten könnte.

Was wird der ehrgeizige Finanzmini­ster Markus Söder zu all dem sagen? Weidenfeld: Für Söder bedeutet das zunächst mal im Hinblick auf das Amt des Ministerpr­äsidenten eine weitere Geduldspro­be. Söder wird den Zeitpunkt, wann er den Hut in den Ring wirft, sehr genau wählen. Er wird abwarten, bis die Geduld von Partei und Fraktion gegenüber Seehofer erschöpft ist. Und dieses Kalkül wird Söder weiter begleiten. Er muss allerdings aufpassen, dass er den richtigen Zeitpunkt nicht verpasst und schon wieder eine neue Generation nachkommt.

Seehofers ganzes politische­s Wirken ist auf Wahlerfolg­e ausgericht­et. Diesem Ziel ordnet er alles andere unter. Wird er bei den nächsten Wahlen wieder Erfolg haben? Weidenfeld: Ja. Aber die CSU hat es ein Stück weit noch selbst in der Hand, das zu optimieren, indem sie ein strategisc­hes Zukunftspr­ofil bietet. Dann hat sie alle Chancen. Die CSU hat immer an den Rändern verloren, denken Sie an die Freien Wähler oder die AfD. Gegenüber den anderen größeren Parteien ist sie bisher nie eingebroch­en. Es muss ihr also gelingen, die Wähler an den Rändern wieder zu sich rüberzuzie­hen. Von den Wahlergebn­issen hängt alles ab.

Interview: Holger Sabinsky-Wolf

„Die Unruhe in der CSU kann schnell explodiere­n.“Politikwis­senschaftl­er Werner Weidenfeld

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Foto: Sven Hoppe, dpa Bleibt Horst Seehofer bayerische­r Ministerpr­äsident? Der Politikwis­senschaftl­er Werner Weidenfeld geht davon aus. Er glaubt aber, dass es besser wäre für Seehofer, den CSU Vorsitz abzugeben.
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