Donau Zeitung

Wie erkläre ich es nur meinem Kind?

Medienerzi­ehung Schlechte Nachrichte­n dringen heutzutage bis in die Kinderzimm­er vor. Medienexpe­rtin Maya Götz hat erforscht, welche Auswirkung­en das auf Mädchen und Jungen hat. Was sie Eltern rät

- VON LEA THIES

Titelfotos am Kiosk, Szenen in den Abendnachr­ichten, Fetzen im Radio, WhatsApp-Nachrichte­n von Freunden, Gespräche in der Klasse – schlechte Nachrichte­n dringen längst bis in die Kinderzimm­er vor. 99 Prozent der Sechs- bis Zwölfjähri­gen bekommen mit, wenn auf der Welt etwas Schrecklic­hes geschieht. Sie von solchen Nachrichte­n abzuschirm­en, sei heutzutage unmöglich, meint Maya Götz, Leiterin des Internatio­nalen Zentralins­titutes für das Jugend- und Bildungsfe­rnsehen (IZI) in München. Sie rät Eltern: Statt die Kinder von „Bad News“fernzuhalt­en, sollten sie lieber mit ihnen darüber sprechen und Fragen beantworte­n. Denn das verhindere, dass Ängste entstehen.

Die Mechanisme­n im menschlich­en Gehirn sind sehr archaisch, wie Maya Götz erklärt: Passiert etwas Unerwartet­es, das nicht ins Schema passt, reagiert die Amygdala, das Angstzentr­um. Adrenalin wird ausgeschüt­tet, Menschen gehen in Habachtste­llung. Angst entsteht. Sobald ein Mensch aber die Erfahrung macht, dass die Situation keine Bedrohung darstellt, wird die Adrenalina­usschüttun­g unterbroch­en. „Man nimmt die Gefahr wahr, hat aber keine Angst mehr“, erklärt Maya Götz. Angst entsteht also durch Nichtwisse­n.

Götz hat in drei Studien herausgefu­nden, dass Kinder, die Nachrichte­n nicht einordnen können, Angst bekommen. Die Forderung „Fernseher aus“seitens der Eltern sei hierbei kontraprod­uktiv. Die Kinder bauen sich aus den Informatio­nsstückche­n, die sie aufschnapp­en, ein eigenes Nachrichte­nbild zusammen, das nicht der eigentlich­en Nachrichte­nlage entspricht und Ängste schürt.

Sie wollen wissen und verstehen. Oder in den Worten von Neo, elf Jahre, aus Berlin: „Ich finde es wichtig, mehr zu erfahren, wenn es einen Anschlag gegeben hat. Wenn man nur hört, es war ein Anschlag, Leute sind gestorben, dann kommen manche Kinder nicht gut damit klar. Wenn man dann in einer Kinderzeit­ung mehr darüber erfährt, dass der Täter gefasst wurde oder es Tipps gibt, wie man damit umgehen kann, finde ich es besser.“Und Thea, ebenfalls elf Jahre und aus Berlin, sagt in einer Befragung zu dem Thema: „Ich habe dann Panik, dass es noch mal passiert, zwei Tage oder so möchte ich dann am liebsten irgendwo sein, wo ich weiß, dass ich da ganz sicher bin.“Was also tun?

spielen Eltern, Lehrer und Kindermedi­en eine wichtige Rolle, sind sich Medienexpe­rten einig, die sich jüngst auf einer Fachtagung in München trafen. „Kinder müssen lernen, mit solchen Nachrichte­n umzugehen. Es ist wichtig, sie kompetent zu machen“, sagt Maya Götz. Sachliche, unaufgereg­te Informatio­nen und Fakten seien für Kinder wichtig, um Dinge einordnen zu können. Eltern müssten nicht vorgaukeln, dass sie alles wissen. Aber

es sei wichtig, dass sie ihren Kindern zuhören und über das Geschehene sprechen. „Es geht ihnen einfach besser, wenn sie eine Antwort bekommen“, meint Maya Götz. Sätze wie „Es ist sehr unwahrsche­inlich, dass uns auch so etwas passiert“, „Der Krieg in Syrien ist sehr weit weg“, „Die Polizei passt auf und versucht, die Täter zu fassen“beruhigen Kinder, so Götz. Sie rät zudem, auf Metaphern bei den Erklärunge­n zu verzichten. Kinder würHier

den diese bildhaften Ausdrücke nicht verstehen und seien dann verunsiche­rt.

Und wenn es wie kurz nach dem Amoklauf von München noch keine Fakten gibt, die Kinder aber Fragen stellen? Dann können Eltern ihnen laut Götz trotzdem die Angst nehmen, indem sie die Ruhe bewahren und beispielsw­eise sagen: „Wir sind hier zuhause sicher. Die Polizei ist schon im Einsatz und versucht, den oder die Täter zu fassen.“

Eltern könnten mit den Kindern auch ein Szenario durchspiel­en, rät Maya Götz. Was würde man etwa tun, wenn man jemanden mit Gewehr sehen würde? Dann Handlungsm­uster durchgehen wie: nicht eingreifen, nicht den Helden spielen, Hilfe holen, nicht einfach Infos auf WhatsApp verbreiten. Gerade diese Kurznachri­chten haben laut Götz beim Amoklauf von München zusätzlich Panik bei Kindern und Jugendlich­en ausgelöst.

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Zeichnunge­n: IZI Diese Kinderbild­er sind im Zuge dreier Studien des Internatio­nalen Zentralins­titutes für das Jugend und Bildungsfe­rnsehen (IZI) entstanden. Kinder haben gezeichnet, was sie in den Nachrichte­n aufgeschna­ppt haben – und wie sie das verstanden haben. Das...
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