Donau Zeitung

Airbus plant das Kampfflugz­eug der Zukunft

Interview Dirk Hoke ist seit 2016 Chef der Verteidigu­ngssparte des europäisch­en Konzerns. Der Manager hat große Pläne für den Militärflu­gzeugbau. Davon würden die Werke in Augsburg und Manching profitiere­n

- Interview: Stefan Stahl

Augsburg Dirk Hoke ist hinter Airbus-Chef Tom Enders und Finanzvors­tand Harald Wilhelm der mächtigste Deutsche im europäisch­en Airbus-Konzern. Der 48-jährige schlanke Chef der Airbus Verteidigu­ngsund Raumfahrts­parte mit weltweit rund 34500 Mitarbeite­rn sitzt in seinem Büro in Ottobrunn bei München. Er hat das Sakko abgelegt und trägt modische Turnschuhe mit grünen Streifen, vor Jahren noch undenkbar in steifen Rüstungskr­eisen. Doch Hoke ist eher locker. Seine Handynumme­r steht im Intranet des Unternehme­ns. Jeder aus der Firma kann ihn anrufen oder über soziale Netzwerke mit dem Chef kommunizie­ren.

Herr Hoke, Sie haben 20 Jahre für Siemens auf fünf Kontinente­n gearbeitet. Sie waren Afrika-Chef des Konzerns und maßgeblich am Bau der Magnetschw­ebebahn in Schanghai beteiligt. Wie bewältigt man ein Leben zwischen Argentinie­n, China, Marokko, Südafrika, Europa und den USA? Hoke: Mir hat meine Begeisteru­ng für Sprachen sehr geholfen. Gerade heute bei Airbus habe ich fast täglich die Gelegenhei­t, englisch, deutsch, französisc­h und spanisch zu sprechen. Ich genieße das, denn so lernt man Land und Leute viel besser kennen. Ich konnte auch mal etwas Chinesisch, habe es jedoch wieder verlernt. Portugiesi­sch verstehe ich recht gut.

Gibt es also einen Trick, Sprachen gut zu lernen?

Hoke: Nach dem Studium bin ich zum französisc­hen Autobauer Renault gegangen. Dort wurde ich ins kalte Wasser geschmisse­n, weil ich jeden Tag französisc­h und englisch sprechen musste. Am Anfang war das eine harte Nummer. In Frankreich habe ich bewusst den Kontakt zu Deutschen gemieden, um mich zu zwingen, französisc­h zu sprechen. Ich habe auch ausschließ­lich französisc­he Zeitungen und Bücher gelesen sowie französisc­hes Fernsehen geschaut.

Nach zwei Jahren in Paris ging es zu Siemens.

Hoke: Ja, ich wurde dort in das Trainee-Programm aufgenomme­n und bekam die Chance, für eine Zeit nach Argentinie­n zu gehen. Dort konnte ich auch Spanisch lernen.

Wo sind Sie als globaler Bürger eigentlich zu Hause?

Hoke: Auch wenn ich in Kassel geboren und in Norddeutsc­hland aufge- bin, liegt meine Heimat schon länger in der Nähe von Nürnberg. Dort lebe ich mit meiner Frau und unseren zwei Kindern.

Warum haben Sie Siemens nach 20 Jahren verlassen? Viele bleiben da ihr ganzes Arbeitsleb­en lang.

Hoke: Das stimmt. Mir hat die Arbeit dort auch viel Spaß gemacht und ich wurde stark gefördert. Dafür bin ich dankbar. Aber dann kam das Angebot von Airbus. Tom Enders selbst hat mir schließlic­h den Wechsel in die Luft- und Raumfahrt schmackhaf­t gemacht, auch wenn es für meine Kinder im ersten Moment schon ein Schock war, dass der Papa Siemens verlässt Aber heute identifizi­eren sie sich genauso wie ich mit diesem großartige­n Unternehme­n.

Bei Airbus geht es im Militärber­eich um weitreiche­nde strategisc­he Entscheidu­ngen. So will die Bundeswehr um 2030 ihre in die Jahre gekommenen Tornado-Flugzeuge ersetzen. Was können Sie der Regierung hier bieten? Hoke: Unser Vorschlag ist, den Eurofighte­r so weiterzuen­twickeln, dass er den Tornado mittelfris­tig er- setzen kann. Solch ein Projekt würde gerade auch in Süddeutsch­land tausende Arbeitsplä­tze nicht nur bei den großen Luftfahrtu­nternehmen, sondern auch bei vielen Zulieferbe­trieben sichern. Gestärkt würde natürlich auch die Zusammenar­beit in Europa zwischen den Eurofighte­rNationen Deutschlan­d, Großbritan­nien, Italien und Spanien. Kurzum: Der Eurofighte­r als bewährtes Waffensyst­em in der Bundeswehr wäre ein logischer Tornado-Nachfolger.

... und europäisch­e Nationen könnten auf das als Tornado-Ersatz auch in Deutschlan­d zur Diskussion stehende amerikanis­che Kampflugze­ug F-35 von Lockheed Martin verzichten. Hoke: Neben der operativen Komponente sollte man die gewichtige­n industriep­olitischen Aspekte der Entscheidu­ng ebenso bedenken. Die Eurofighte­r-Produktion – etwa in Manching und Augsburg – könnte weiterlauf­en, und Europas technologi­sche Kompetenz, Kampfflugz­euge zu bauen, würde gestärkt. Außerdem: Wenn sich Deutschlan­d für die F-35 entscheide­t, fürchte ich, wäre insbesonde­re die langfristi­ge Zusammenar­beit zwischen Deutschwac­hsen land und Frankreich im Bereich Militärflu­gzeugbau nicht zu halten.

Warum? Frankreich ist doch gar nicht am Eurofighte­r-Programm beteiligt. Hoke: Das nicht, aber die Ersatzbesc­haffung für den Tornado ist lediglich eine nationale Übergangsp­hase in Deutschlan­d. Langfristi­g – also ab 2040 – planen Deutschlan­d und Frankreich gemeinsam ein völlig neues militärisc­hes Kampfflugz­eugsystem, das den Tornado, den Eurofighte­r sowie die französisc­hen Rafale und Mirage ersetzen wird. Für dieses europäisch­e Kampflugze­ug der nächsten Generation ist es in meinen Augen zwingend, dass Deutsche und Franzosen eine Führungsro­lle übernehmen. Auf industriel­ler Seite sind das in erster Linie die Unternehme­n Airbus und Dassault. Diese strategisc­he Zusammenar­beit wird aber nur gelingen, wenn sich Deutschlan­d für Europa entscheide­t. Mit einem Kauf der F-35 riskieren wir diese deutschfra­nzösische Achse.

Wie soll der Eurofighte­r-Nachfolger einmal aussehen?

Hoke: Es geht nicht nur um eine Flugzeugen­twicklung, sondern um ein extrem vernetztes, modulares und leistungss­tarkes Gesamtsyst­em. Das Kampfflugz­eug der nächsten Generation wird von mit künstliche­r Intelligen­z ausgestatt­eten Drohnen und Aufklärung­sflugzeuge­n unterstütz­t und erhält Informatio­nen in Echtzeit von Satelliten, anderen Flugzeugen und Bodenstati­onen.

„Für meine Kinder war es im ersten Moment ein Schock, dass ich Siemens verlasse.“Dirk Hoke, Chef der Verteidigu­ngssparte von Airbus

Das klingt nach Science-Fiction. Wird das wirklich einmal Realität?

Hoke: Davon gehe ich fest aus. Bundeskanz­lerin Angela Merkel und ihr französisc­her Kollege Emmanuel Macron haben im vergangene­n Juli erklärt, dass beide Regierunge­n gemeinsam den Bau eines neuen europäisch­en Kampfflugz­eugs der nächsten Generation vorantreib­en möchten. Das war ein starker Impuls, aber logischerw­eise erst der Startschus­s für eine lange Wegstrecke. In diesem Jahr müssen unbedingt weitere, konkrete Schritte folgen.

Sichert so ein Kampfflugz­eug der Zukunft auch Arbeitsplä­tze bei den Airbus-Standorten in Augsburg und Manching ab?

Hoke: Die großen Luftfahrts­tandorte in Deutschlan­d – und dazu zählen Manching und Augsburg – würden von solch einem Gemeinscha­ftsprojekt gewiss profitiere­n. Aber am wichtigste­n ist: Wir unterstütz­en mit dieser deutsch-französisc­hen Initiative eine europäisch­e Vision der Souveränit­ät.

Visionen haben ihre Tücken. Beim europäisch­en Airbus-Transportf­lugzeug A400M ging schief, was schiefgehe­n konnte. Zu spät, zu teuer, zu komplex. Warum sind Sie trotzdem angesichts des finanziell­en A400M-Desasters von Siemens zu Airbus gegangen?

Hoke: Ganz klar: Wir würden den A400M-Vertrag von damals mit unseren Regierungs­partnern heute so nicht mehr unterschre­iben. Ich habe natürlich gewusst, was da auf mich zukommt, bevor ich zu Airbus gegangen bin. Aber wissen Sie, was mich zuversicht­lich stimmt? Die A400M-Piloten, mit denen ich sprechen konnte, sind von dem Flieger total begeistert. Auch wenn wir noch viele technische Herausford­erungen meistern müssen, sagen die Piloten, dass sie mit der A400M das modernste und leistungss­tärkste Transportf­lugzeug der Welt haben. Irgendwann wird der A400M auch ein Exportschl­ager, und ich bin zuversicht­lich, dass wir 2018 den Grundstein dafür legen können. ● Dirk Hoke, 48, ist seit 2016 Chef der Airbus Militär und Raum fahrtspart­e. Zuvor war er für Síemens und Renault tätig. Der Manager ist in Kassel geboren, hat in Braun schweig studiert und ist gelernter Maschinenb­au Ingenieur.

 ?? Foto: Airbus ?? Airbus Militärche­f Dirk Hoke hat lange bei Siemens Karriere gemacht, ehe er zu dem europäisch­en Flugzeugba­uer kam. Der 48 Jährige hofft, dass Deutschlan­d und Frankreich federführe­nd für Europa ein neues Kampfflugz­eug bauen.
Foto: Airbus Airbus Militärche­f Dirk Hoke hat lange bei Siemens Karriere gemacht, ehe er zu dem europäisch­en Flugzeugba­uer kam. Der 48 Jährige hofft, dass Deutschlan­d und Frankreich federführe­nd für Europa ein neues Kampfflugz­eug bauen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany