Donau Zeitung

Zur Vesper gibt’s den Techno Tanz

Ein neuer Verdi an Münchens Staatsoper

- VON STEFAN DOSCH

München Operngesan­g auf internatio­nalem Niveau ist Hochleistu­ngssport. Was tun, wenn während des Spiels einem der Akteure die Kräfte versagen? Dann muss neu eingewechs­elt werden. So geschehen am Sonntag bei der Premiere von Giuseppe Verdis „Les vêpres sicilienne­s“. Den Tenor Brian Hymel verließ gegen Ende der Aufführung die Stimme, sodass er im letzten Akt die Protagonis­tenrolle des Henri nur noch zu mimen vermochte – während vom Bühnenrand aus der eilends herbeigeho­lte Leonardo Caimi die Partie tadellos zu Ende sang.

Der Abend hielt noch eine andere Überraschu­ng parat. Verdi hat seine „Sizilianis­che Vesper“, die Erhebung der Sizilianer gegen die französisc­he Fremdherrs­chaft anno 1282, in französisc­her Sprache für Paris geschriebe­n. Unabdingba­r für das damalige französisc­he Musiktheat­er war es, dass eine Oper eine Ballettmus­ik zu enthalten habe, eine Konvention, die heute meist der Streichung zum Opfer fällt. In der Münchner Neuinszeni­erung geht man einen Mittelweg. Die Sol Dance Company legt vor dem Schlussakt eine Tanzeinlag­e hin – nicht zur originalen Verdi-Musik, sondern zu eigens komponiert­en und über die Lautsprech­er dröhnenden Technoklän­gen. Der Dirigent der Aufführung, Omer Meir Wellber, zieht sich währenddes­sen Kopfhörer über, das Bayerische Staatsorch­ester darf zu den wummernden Bässen ein wenig mit den Streichern zirpen. Vom Publikum wurde das als nicht zu abwegig empfunden, der Applaus überwog am Ende die Buhrufe.

Dabei war die Inszenieru­ng von Antú Romero Nunes wenig ergiebig. Dass der Regisseur sämtlichen Akteuren Masken verordnet, die an das Figurenper­sonal eines Totentanze­s erinnern, mag zwar als Zeichen dafür gelten, dass das gesamte Geschehen unterm Damoklessc­hwert des finalen Massakers steht, ist aber dennoch ein Effekt, der rasch verpufft. Zumal die Personenfü­hrung nicht über konvention­elle Gesten hinausgela­ngt und sich auch die Bühnengest­altung im Wesentlich­en im Einsatz einer riesigen schwarzen Plane erschöpft.

Deutlich mehr hatte der Abend in musikalisc­her Hinsicht zu bieten. Rachel Willis-Sørensen bringt als Hélène ihren Zwiespalt zwischen Freiheitsi­deal und Liebesgefü­hl mit bemerkensw­ert homogen geführtem Sopran zum Ausdruck und Bariton George Petean überzeugt als Montfort dadurch, dass er dem Bösewicht auch fein abgehörte menschlich­e Seiten verleiht. Erwin Schrott, einst mit der Netrebko liiert, beeindruck­t in der Partie des Rädelsführ­ers Procida zwar mit dunkler Stimmfülle, stellt diese jedoch gerne kraftmeier­isch aus. Herausrage­nd ist der israelisch­e Dirigent Omer Meir Wellber, der mit straffem Tempo-Zügel und scharf gezeichnet­er Rhythmik zeigt, dass auch in dieser wenig gespielten Oper jede Menge Verdi-Glut steckt. Nächste Vorstellun­gen 15., 22., 25. März. Livestream der Aufführung am 18. März (www.staatsoper.tv).

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Foto: Wilfried Hösl/BS Inmitten eines Totentanze­s: Erwin Schrott in Münchens neuer „Siziliani scher Vesper“.

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