Donau Zeitung

Der Maler, seine Muse und die Nazis

Ausstellun­g Max Unold zählt zu Memmingens großen Söhnen. Die dortige Mewo-Kunsthalle schreibt nun zwei neue Kapitel über ihn. Es geht um eine schöne Frau und um braune Flecken

- VON BRIGITTE HEFELE BEITLICH

Memmingen Man mag von der Digitalisi­erung halten, was man will: Was mit Googles Hilfe über Ländergren­zen hinweg ans Licht kommt, stellt manche Ermittlung früherer Zeiten in den Schatten. Auch die Kunstwelt profitiert von solchen Suchmaschi­nen-Zufällen. So wie die Memminger Mewo-Kunsthalle, bei der sich ein Internet-Surfer aus Schottland meldete und damit die Max-Unold-Forschung ein gutes Stück voranbrach­te. Gab er sich doch als Schwiegers­ohn der „Dame im blauen Kleid“zu erkennen, Unolds großartige­s Bild von 1913, von dem bisher nicht bekannt war, wer da porträtier­t ist. In der Ausstellun­g „Max Unold: Kunstgesch­ichten“stellt Kunsthalle­nleiter Axel Lapp jetzt nicht nur diese Anicut¸a LevinBelau erstmals der Öffentlich­keit vor; neu schreibt er auch ein zweites, düsteres Kapitel über den 1885 in Memmingen geborenen, 1964 in München gestorbene­n bedeutende­n Künstler der Neuen Sachlichke­it.

Bleiben wir erst einmal bei Anicut¸a Belau, die Unold immer wieder gemalt hat – und deren Porträts zum Besten zählen, was seine Staffelei verlassen hat. Nicht umsonst wurde die „Dame im blauen Kleid“1913 bei einer Ausstellun­g der Münchner Secession mit der Goldmedail­le ausgezeich­net. Bei einem Besuch in Schottland erfuhr Lapp von deren Schwiegers­ohn Arnold Myers, ei- nem emeritiert­en Musikprofe­ssor der Universitä­t Edinburgh, die ganze Lebensgesc­hichte dieser ungewöhnli­chen Frau.

Die Rumäniende­utsche kam nach dem Abitur 1907 in Bukarest nach München. Sie fing eine Affäre mit Max Unold an – und tauchte mit ihm tief ein in die Schwabinge­r Bohème. Bis 1915 war sie seine Lebensgefä­hrtin, engste Beraterin und Muse, die ihn immer wieder antrieb, vor allem sie zu malen. Erstmals in Memmingen zu sehen ist davon unter anderem „Im Klubsessel“(1911), das im Besitz der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen ist und erst einmal notrestaur­iert werden musste, ehe es die Reise in die Mewo-Kunsthalle antreten konnte.

Für solche Gemälde ließ die Zigarren rauchende, selbstbewu­sste Anicut¸a ganze Fotoserien in exotischen Posen von sich als Vorlage anfertigen – ein Teil hängt jetzt als Leihgabe aus Schottland in der Ausstellun­g. An der Universitä­t in Edinburgh fand Lapp nämlich ihren umfangreic­hen, noch unsortiert­en Nachlass vor. Der wird zusammen mit dem ihres Mannes Ernst Levin aufbewahrt, der dort als Neurologe gearbeitet hat. Ein „erstes Ankratzen“nennt Lapp seine einwöchige Recherche in diesem Uni-Archiv, wo er beispielsw­eise auf den kompletten Briefwechs­el mit Unold stieß. Die Mewo-Kunsthalle ist in Besitz des Unold-Nachlasses mit etwa 70 Gemälden sowie 1000 Grafiken und Zeichnunge­n.

Ernst Levin und die schillernd­e Salonnière Anicut¸a heirateten 1917. Ihre turbulente­n Jahre in München endeten nach der Machtergre­ifung der Nationalso­zialisten mit der Emigration nach Schottand – auch der Kontakt zu Max Unold brach erst einmal ab.

Warum, erklärt der zweite Teil dieser bemerkensw­erten Ausstellun­g, die sich um Unolds Mosaiken dreht, sein zweites, bisher kaum beachtetes künstleris­ches Standbein. Das beginnt harmlos mit einem ersten Großauftra­g, bei dem der Künstler von 1913 bis 1915 die Eingangsha­lle des neuen Museums in Wiesbaden mit einem Mosaik zum Thema Wasser gestaltete. Gut dokumentie­rt, unter anderem mit zwei Musterstüc­ken, ist ein Auftrag für die erste Klasse des Turbinensc­hnelldampf­ers „Europa“(1930), der damals das schnellste Schiff auf der Route Europa – New York war.

Bis auf einen kleinen Adlerkopf in einem Skizzenbuc­h findet sich allerdings absolut keine Spur in Unolds Nachlass über seinen pikanteste­n Auftrag, das Hoheitszei­chen, das er für das Deutsche Haus auf der Weltausste­llung 1937 in Paris gemacht hat: einen 48 Quadratmet­er großen Reichsadle­r mit Hakenkreuz auf Goldgrund. Fast verwischte Fährten musste Lapp verfolgen, bis er in der Berlinisch­en Galerie drei Fotos von Hitlers Haus- und Hoffotogra­f Heinrich Hoffmann über dieses Werk aufgespürt hat.

Bekannt ist auch, dass Unold 1936 und 1937 die Casinos der Fliegerhor­ste Memmingerb­erg und Kitzingen mit Mosaiken ausgestatt­et hat (letzteres ist noch erhalten). Erhalten aus dieser Zeit und in der Ausstellun­g zu sehen ist auch ein Porträt, das Unold 1941 von Memmingens Oberbürger­meister Heinrich Berndl in Wehrmachts­beamten-Uniform gemalt hat. All das zeugt davon, dass Max Unold gute Verbindung­en zu nationalso­zialistisc­hen Auftraggeb­ern hatte, was in der Kunstgesch­ichte bisher nicht thematisie­rt worden ist. Im Gegenteil, weil auch von ihm zwei Bilder und 36 Grafiken bei den „Säuberungs­aktionen“der Nazis aus Museen entfernt wurden (einige vermutlich, weil sie in Mappen etwa mit Blättern von George Grosz lagerten), wurde er eher in Zusammenha­ng mit „entarteten Künstlern“genannt.

Über Unolds Aufträge in der NSZeit wussten natürlich auch die emigrierte­n Freunde in Edinburg Bescheid. Es brauchte nach 1945 dann schon einiges Drängen von Unolds Seite, um den Briefverke­hr wieder aufleben zu lassen. Sogar von einem Besuch in München war immer wieder die Rede. Deutschen Boden betraten Anicut¸a Levin-Belau und Ernst Levin aber nie mehr. Max Unold: Kunstgesch­ichten bis 23. September, geöffnet Di., Mi., Fr., Sa., So. 11 – 17 Uhr, Do. 13 – 19 Uhr.

 ??  ?? Max Unold malte sich um 1908 selbst an der Staffelei – und porträtier­te im Jahr 1913 Anicut¸a Levin Belau als „Dame im blauen Kleid“.
Max Unold malte sich um 1908 selbst an der Staffelei – und porträtier­te im Jahr 1913 Anicut¸a Levin Belau als „Dame im blauen Kleid“.
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Fotos: Matthias Becker

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