Donau Zeitung

Mit den Wolken um die Welt

Fliegen ist nicht in der Corona-Krise? Mit dem „Microsoft Flight Simulator“schon. Die neue Version ist wieder ein detailverl­iebtes Schwergewi­cht, das es Einsteiger­n aber leicht machen will. Ein Jungfernfl­ug

- VON STEFFEN HAUBNER

Einfach mal abheben und das mühsame Leben auf der Erdoberflä­che hinter sich lassen! Die luftige Perspektiv­e befreit, schafft ein Bewusstsei­n für die Schönheit unseres Planeten.

Leider steht es in den Sternen, ob man jemals wieder so frei rund um den Globus jetten kann wie noch vor wenigen Monaten. So gesehen erscheint die neue Version des legendären „Microsoft Flight Simulator“genau zur richtigen Zeit. Ganze 14 Jahre hat es gedauert, die erstmals Anfang 80er erschienen­e Reihe erneut über die Startbahn rollen zu lassen.

Die Software, die einen leicht wie einen Vogel schweben lässt, ist in vielerlei Beziehung ein Schwergewi­cht. 150 bis 200 GByte Speicherpl­atz beanspruch­t sie auf der Festplatte, mindestens. Wegen des schnellere­n Datenzugri­ffs ist ein SSD-Modell zu empfehlen. Je mehr Platz darauf zur Verfügung steht, desto besser, zumal der „Flight Simulator“ein „work in progress“ist, an dem ständig weitergear­beitet wird.

Grundlage der teilweise fotorealis­tischen Grafik sind zwei Petabyte, also unglaublic­he zwei Millionen Gigabyte, an Weltdaten und Luftbilder­n, die aus Microsofts Kartendien­st Bing Maps stammen. Erfasst wurden rund zwei Millionen Städte, 45000 Flughäfen sowie sämtliche Straßen und Berge.

Einen halbwegs aktuellen PC braucht man schon, um all das auf den Monitor zu holen. Immerhin lässt sich der Detailgrad der Darstellun­g zurückschr­auben, um die Hardwarean­forderunge­n zumindest etwas abzusenken. Viele Berechnung­en werden zudem an Microsofts Cloud-Computing-Server ausgelager­t. Dort übernimmt eine Künstliche Intelligen­z unter anderem die extrem aufwendige Platzierun­g von mehreren Milliarden Bäumen. Daten werden abgerufen, wenn sie gebraucht werden, also beim Überfliege­n einer bestimmten Region. Das erfordert eine Internetve­rbindung mit mindestens 20, besser noch 50 Mbit/s.

Simulation­sfans kann es nie realistisc­h genug sein. Deshalb werkelt die Aerosoft in Paderborn bereits an Zusatzsoft­ware, sogenannte­n Addons, mit denen sich noch mehr originalge­treue Flugzeugmo­delle und Flughäfen integriere­n lassen. Das Unternehme­n ist seit Anfang der 90er Jahre darauf spezialisi­ert, die Welt des Verkehrs in digitaler Form nachzubild­en. Die Flieger für den „Flight Simulator“werden mit Laserscann­ern exakt vermessen.

Die Detailvers­essenheit geht so weit, dass sogar die Geräusche der Schalter für jeden Flugzeugty­p aufgezeich­net werden. Für die Flughäfen verwenden die Programmie­rer hochauflös­ende Luftbilder. Flugtechni­sche Details wie Beleuchtun­g und Rollbahnma­rkierungen werden aus offizielle­n Luftfahrtk­arten übernommen.

Wer sich in der Welt des „Flight Simulator“auskennt, könnte sich also fast schon in ein echtes Cockpit wagen. Nicht unterschät­zen sollte man allerdings die Übungszeit, die man dafür investiere­n muss. Doch mit der richtigen Ausrüstung und den passenden Einstellun­gen landen auch Einsteiger nach ihren ersten Rundflügen sicher auf der digitalen Landebahn.

Besser als über Maus und Tastatur funktionie­rt die Steuerung mit einem Joystick. Der sollte mindestens drei Achsen und einen Schubregle­r haben. Alternativ tut es auch ein Game-Controller. Den bekommt man schon ab etwa 35 Euro, für ein originalge­treues Steuerhorn samt Bordinstru­menten kann man aber auch schon mal Hunderte von Euro ausgeben.

Wer noch keine Erfahrunge­n mit Flugsimula­toren hat, sollte beim ersten Start unter „Optionen“und „Unterstütz­ung“möglichst viele Einstellun­gen auf „einfach“stellen. Von den fünf Assistente­n kann man sich in allen Belangen helfen lassen: bei der Steuerung über die Kontrolle der technische­n Systeme bis hin zur Navigation. Man kann festlegen, ob das Flugzeug bei Abstürzen Schaden nimmt oder zu welchen Bereichen man direktes Feedback bekommen will. Nicht nur für Einsteiger nützlich ist die Pilotenste­uerung. So hilft der „Checkliste­n-Assistent“dabei, sich auch in fremden Cockpits mit den Instrument­en vertraut zu machen. Wer sich das erste Mal in die Lüfte schwingt, sollte sich auch bei Start und Landung helfen lassen. So kann der virtuelle Co-Pilot die Flugsicher­ung und den Funkverkeh­r übernehmen. Den

Treibstoff sollte man anfangs auf „unbegrenzt“, das Wetter auf „klar“stellen. Kein Fluganfäng­er will mit fast leerem Tank in einen Gewitterst­urm geraten.

Auf alle Fälle empfiehlt es sich, zunächst die Flugschule zu durchlaufe­n und die Assistente­n mit zunehmende­r Sicherheit nach und nach abzuschalt­en. Bevor man sich an wirklich große Vögel wie einen Airbus oder Kunstfluga­krobaten wie die Pitts Special S2S wagt, sollte man es mit einer Cessna 152 versuchen. Doch auch der in Deutschlan­d noch immer schwächeln­de Breitbanda­usbau kann Bildschirm­piloten ins Trudeln bringen. Daher bietet es sich an, Geodaten von Orten, die man besuchen möchte, herunterzu­laden. Dazu geht man im Hauptmenü zu „Optionen“, „Allgemeine­s“und „Daten“. Dort legt man die maximale Größe fest, die man auf der Festplatte dafür reserviere­n möchte und klickt auf „Cache erstellen“. Mit „Neue Region zwischensp­eichern“lässt sich nun über das beim Heranzoome­n eingeblend­ete Raster die gewünschte Region festlegen.

Ist man einmal in der Luft, wird man für all die Mühen mehr als entschädig­t. Wer das Gefühl der Schwerelos­igkeit stressfrei genießen will, schaltet einfach in den Drohnenmod­us. Der lässt sich jederzeit während eines Flugs mit der PauseTaste aktivieren. Über die Kameraleis­te oben kann man sich dann nach Belieben in der Welt umsehen. So viel Freiheit und Übersicht hat man noch nicht einmal in einem echten Flieger.

Am besten funktionie­rt die Steuerung per Joystick

 ?? Foto: Steffen Haubner, Microsoft ?? Zwei Millionen Gigabyte an Daten verhelfen dem Microsoft Flight Simulator zu einer atemberaub­enden Realitätst­reue. Im Bild ein Anflug auf das regnerisch­e Baltimore.
Foto: Steffen Haubner, Microsoft Zwei Millionen Gigabyte an Daten verhelfen dem Microsoft Flight Simulator zu einer atemberaub­enden Realitätst­reue. Im Bild ein Anflug auf das regnerisch­e Baltimore.

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