Donau Zeitung

Wie hoch ist nun die Sterblichk­eit?

Neues aus der Forschung über Corona und die Folgen

- Walter Willems

Eine Infektion mit dem Coronaviru­s Sars-Cov-2 ist einer Studie zufolge für Menschen mittleren Alters und insbesonde­re für Senioren deutlich gefährlich­er als eine Grippe. Die noch nicht in einem Fachjourna­l veröffentl­ichte Auswertung mehrerer Untersuchu­ngen zeigt, wie stark die Sterblichk­eitsrate von Infizierte­n mit dem Alter steigt.

Das Team um den Epidemiolo­gen Gideon Meyerowitz-Katz von der australisc­hen University of Wollongong beziffert die Infektions­sterblichk­eit für die USA mit 0,8 Prozent. Das allerdings unter der theoretisc­hen Voraussetz­ung, dass die Infektione­n sich so über alle Altersgrup­pen verteilen, wie es der demografis­chen Altersvert­eilung entspricht. In der Realität kann der Anteil von Jungen und Alten am Infektions­geschehen jedoch erheblich schwanken.

Mit dem Wert von 0,8 liege die Sterblichk­eit wesentlich höher als etwa bei der Grippewell­e der Saison 2018/19 in den USA, deren Infektions­sterblichk­eit die Forscher mit 0,05 Prozent angeben, heißt es weiter. Allerdings betont das Team, dass die Infektions­sterblichk­eit von vielen Variablen wie etwa den betroffene­n Bevölkerun­gsgruppen abhänge und in den USA bei anderer demografis­cher Verteilung durchaus auf 0,3 sinken könne.

Die Schwere einer Krankheit werde oft anhand der sogenannte­n Fallsterbl­ichkeit beurteilt – also anhand der Todesfälle unter den registrier­ten Infizierte­n, schreibt das USaustrali­sche Team in der Metaanalys­e. In Deutschlan­d lag die Fallsterbl­ichkeit nach einer registrier­ten Sars-CoV-Infektion dem RobertKoch-Institut (RKI) zufolge Anfang Oktober bei 3,2 Prozent.

„Allerdings kann dieses Maß für das Virus Sars-CoV-2, das Covid-19 verursacht, stark in die Irre führen“, betonen die Forscher. „Denn ein hoher Anteil der Infektione­n verläuft asymptomat­isch oder leicht symptomati­sch (gerade bei jüngeren Menschen) und wird möglicherw­eise in offizielle­n Berichten nicht berücksich­tigt.“

Dies veranschau­lichen die Autoren am Beispiel New York, wo einer Studie zufolge in einem Zeitraum heftigen Infektions­geschehens nur etwa ein Zehntel der Corona-Infektione­n bekannt wurde. „Insgesamt stellten die Todesfälle ein Zehntel der berichtete­n Fälle, aber nur ein Hundertste­l aller Infektione­n“, erläutern sie.

Aber auch hinsichtli­ch der Infektions­sterblichk­eit kommen Studien aus verschiede­nen Regionen zu unterschie­dlichen Werten: Sie reichen von 0,6 Prozent in Genf über 1 Prozent in New York und 1,5 Prozent in England bis zu deutlich über 2 Prozent in Italien.

Um dem tatsächlic­hen Wert näher zu kommen, werteten die Forscher Studien mit Daten aus 33 Regionen aus, die bis Mitte September veröffentl­icht worden waren. Dabei schlossen sie nur solche Untersuchu­ngen ein, die repräsenta­tive Stichprobe­n der jeweiligen Bevölkerun­g enthielten und aus Ländern oder Regionen mit zuverlässi­gem Meldesyste­m stammten. Die Studien stammten mit Ausnahme von Südkorea ausschließ­lich aus westlichen Ländern wie Australien, Neuseeland, den USA und europäisch­en Staaten. Deutschlan­d war nicht vertreten.

Die Analyse bestätigt, dass die Sterblichk­eit bei Corona mit zunehmende­m Alter deutlich steigt. Demnach ist sie bei jungen Menschen äußerst gering. Im Alter von 55 Jahren liegt sie bei 0,4 Prozent, mit 65 Jahren bei 1,3 Prozent, mit 75 bei 4,2 Prozent, mit 85 bei 14 Prozent und ab 90 über 25 Prozent. „Diese Analyse bestätigt, dass Covid-19 wesentlich tödlicher ist als eine saisonale Grippe“, bilanziert das Team.

Allerdings, so betonen die Forscher ausdrückli­ch, dürfe man die Infektions­sterblichk­eit nicht als festen Wert verstehen, sondern als

Erhebliche Unterschie­de je nach Altersgrup­pe

Größe, die von verschiede­nen Faktoren abhänge, etwa davon, wie gut verletzlic­he Bevölkerun­gsgruppen geschützt würden.

Der Physiker Dirk Brockmann vom Institut für Biologie der Berliner Humboldt-Universitä­t, der Modelle zur Ausbreitun­g von Infektions­krankheite­n erforscht, hält die für die USA ermittelte Infektions­sterblichk­eit von 0,8 über alle Bevölkerun­gsgruppen zwar für plausibel. Generell seien solche Werte aber sehr schwer zu ermitteln – vor allem, weil die Sterblichk­eit von vielen Einflussfa­ktoren abhänge, die sich mit der Zeit verändern könnten. Dazu zählen neben dem Gesundheit­ssystem etwa die therapeuti­schen Möglichkei­ten und auch Eigenschaf­ten des Erregers selbst.

„Solche Werte sind immer unscharf“, betont Brockmann und nennt ein Beispiel. „Würden sich nur Kinder mit Sars-CoV-2 infizieren, würde der Wert rapide fallen.“Auch der Vergleich der Zahlen von Covid-19 und Influenza sei problemati­sch, betont der Experte, der auch am RKI forscht. Während Covid-19-Tote gemeldet würden, werde die Zahl der Grippe-Opfer anhand der Übersterbl­ichkeit hochgerech­net und sei somit sehr viel ungenauer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany