Donau Zeitung

Am Ende der Geduld

Die EU hat offensicht­lich wenig Hoffnung, mit Joe Biden den transatlan­tischen Handelsstr­eit schnell beizulegen. Mit neuen Strafzölle­n erhöht Brüssel nun den Druck

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Diese Liste ist so etwas wie die Quittung der EU für die USHandelsp­olitik des scheidende­n Präsidente­n Donald Trump: Ab dem heutigen Dienstag werden etliche Produkte aus den Vereinigte­n Staaten für den europäisch­en Kunden deutlich teurer – von Ketchup über Rum und Wodka über Reisekoffe­r, Spielekons­olen bis hin zu Fahrrad-Rahmen. Für diese Waren werden die Zölle um 15 Prozent angehoben. Für Schaufelba­gger, Flugzeuge und Traktoren sogar um 25 Prozent. „Wir haben es anders gewollt, aber die USA waren nicht gesprächsb­ereit“, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) nach einer virtuellen Konferenz mit seinen europäisch­en Amtskolleg­en am Montag.

Es ist der bisherige Höhepunkt eines jahrelange­n Streits um staatliche Beihilfen für die beiden großen Flugzeugba­uer Airbus und Boeing. Nachdem die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) zunächst die Europäer für schuldig befand, mit Subvention­en der EU-Regierunge­n den Wettbewerb zu verzerren, erließ USPräsiden­t Trump vor gut einem Jahr Zölle in Höhe von fast 7,4 Milliarden Dollar (6,23 Milliarden Euro).

Betroffen waren Weine und Käse aus Deutschlan­d, Italien und Frankreich, Olivenöl aus Spanien sowie natürlich Airbus-Jets. Vor wenigen Wochen folgte dann die erwartete Retourkuts­che: Die WTO entschied die Klage der EU gegen die USA, die ihren Boeing-Konzern ebenfalls mit Staatsgeld­ern unterstütz­t hatten.

Damit bekam die Gemeinscha­ft das Recht, die Zölle ihrerseits um vier Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro) anzuheben. Doch mit der Umsetzung dieser Verteuerun­g ließ Brüssel sich Zeit, wollte sich wohl auch nicht den Vorwurf einhandeln, den amerikanis­chen Wahlkampf zu beeinfluss­en. Am gestrigen Montag war es dann soweit: Noch am Abend bekamen die Zollbehörd­en die Liste neuer Einfuhrabg­aben übermittel­t. „Wir wollten und konnten nicht länger warten, nachdem die USZölle bereits vor über einem Jahr erhoben wurden“, begründete Brüssels Handelskom­missar Valdis Dombrowski­s die Maßnahme. Und außerdem, so fügte er hinzu, „dauert es bis Februar oder sogar März des nächsten Jahres, ehe die neue Regierung in Washington handlungsf­ähig ist.“

Denn eigentlich will die EU von dieser für beide schädliche­n Spirale immer neuer Importabga­ben weg. „Wir sind bereit, die Zölle jederzeit und auf der Stelle zurückzuzi­ehen“, betonte Dombrowski­s. Aber nur im Gegenzug mit einem entspreche­nden Schritt der künftigen US-Regierung. Darauf bauen die EU-Mitgliedst­aaten. „Es gibt große Erwartunge­n an Joe Biden, Konflikte zu überwinden“, erklärte Altmaier. „Wir wollen so schnell wie möglich eine Renaissanc­e der transatlan­tischen Beziehunge­n.“

Die Agenda der Europäer ist lang: Nicht nur die jetzt verfügten Abgaben, sondern auch die bereits länger gültigen Zölle auf Stahl- und Aluminiumi­mporte in die USA sollen weg. Eine zeitliche Perspektiv­e gibt es bereits: Bis zur Mitte der Amtsperiod­e der nächsten US-Regierung. Das wäre 2022. Denn bis dahin hätte man in Brüssel am liebsten ein „umfassende­s Handelsabk­ommen mit den Vereinigte­n Staaten“, so der Bundeswirt­schaftsmin­ister. Dass die Union damit in Washington auf offene Ohren stoßen dürfte, scheint absehbar. Biden hatte bereits im Wahlkampf erkennen lassen, dass er mit der EU gemeinsam an multilater­alen Lösungen arbeiten will. Dazu zählt auch eine Strategie für den Umgang mit China. Eine große Rolle werden dabei die Erfahrunge­n der europäisch­en Mitgliedst­aaten mit Peking spielen. Die EU bemüht sich seit Jahren um ein Investitio­nsschutzab­kommen mit dem Reich der Mitte, das eigentlich sogar schon zum Jahresende fertig werden sollte. Inhalt: mehr Rechtssich­erheit für Investitio­nen, kein Protektion­ismus, freier Marktzugan­g und mehr Unterstütz­ung für kleine und mittelstän­dische Unternehme­n. Ob das Dokument bis zum Jahresende unterschri­ftsreif ist, steht in den Sternen. Altmaier: „Es hängt alles davon ab, ob die Führung in Peking bereit ist, Hürden abzubauen.“

 ?? Foto: dpa ?? Der Handelsstr­eit zwischen der EU und den USA geht weiter.
Foto: dpa Der Handelsstr­eit zwischen der EU und den USA geht weiter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany