Donau Zeitung

Das Grauen in der Gartenlaub­e

Ein Elfjährige­r wird mit K.-o.-Tropfen wehrlos gemacht und immer wieder vergewalti­gt. Jetzt sind vier Männer und eine Frau angeklagt. Warum das nur die Spitze des Eisbergs ist

- Florentine Dame, dpa

Münster Alle sind das, was man „unauffälli­ge Erscheinun­gen“nennen würde. Doch was ihnen vorgeworfe­n wird, ist monströs. Die vier Männer, die am Donnerstag auf den mit Plexiglas abgeschirm­ten Anklagebän­ken im Landgerich­t Münster Platz nehmen, sollen Kinder schwer sexuell missbrauch­t haben – zum Teil ihre eigenen. Die Angeklagte­n stehen im Zentrum eines der größten Fälle schweren Missbrauch­s der vergangene­n Jahre.

Vor einem halben Jahr knackten Polizisten zunächst einen Laptop des Hauptangek­lagten aus Münster und legten dann nach und nach einen immer weiter ausufernde­n Fall frei – ein Ende der Ermittlung­en ist bis jetzt nicht in Sicht. Sechs Monate später ist nun der Prozess gegen den mutmaßlich­en Drahtziehe­r, einen 27-jährigen Mann aus Münster, dessen wegen Beihilfe mitangekla­gte Mutter, 45, einen 35-jährigen Mann aus Hannover, einen 30-Jährigen aus Staufenber­g in Hessen und einen 42-Jährigen aus Schorfheid­e in Brandenbur­g gestartet.

Als Schlüsself­igur in den Ermittlung­en gilt Adrian V., ein 27-jähriger IT-Mann aus Münster: Er ist derjenige, dem die meisten Taten zur Last gelegt werden, und soll seinen Ziehsohn immer wieder anderen Männern für schlimmste Gewalttate­n überlassen haben. Nicht nur die Männer, die hier im Saal sitzen, sondern auch eine wachsende Zahl von Beschuldig­ten bundesweit sollen sich mit seinem Einverstän­dnis an dem Jungen vergangen haben. Mit Brille, schlanker Statur, kurzem Haar und hoher Stirn sieht er tatsächlic­h aus wie ein ComputerNe­rd. Was die Staatsanwa­ltschaft den Männern genau vorwirft, soll Öffentlich­keit zum Schutz der Opfer nicht im Detail erfahren. Zu grausam sind die auf 25 Seiten geschilder­ten Tatvorwürf­e, die die Staatsanwa­ltschaft auf Antrag der Nebenklage­vertreter an diesem ersten Prozesstag hinter verschloss­enen Türen vorträgt. Wobei die Ermittler befürchten, nur die Spitze des Eisbergs an Grausamkei­ten zu kennen. Einer der Tatorte ist eine inzwischen abgerissen­e Gartenlaub­e in einer Kleingarte­nsiedlung in Münster. Drei Tage lang im April sollen sich die angeklagte­n Männer hier allein zu dem Zweck getroffen haben, zwei kleine Jungen zu missbrauch­en – den damals zehn Jahre alten Sohn der langjährig­en Lebensgefä­hrtin des Hauptangek­lagten und den fünfjährig­en Sohn des Mannes aus Hessen. Um die Kinder wehrlos zu machen, sollen sie auch mit K.o.-Tropfen betäubt worden sein.

Zwei der Männer feierten in dem Zeitraum übrigens Geburtstag. Was in der Laube geschah, wissen die Ermittler vor allem durch ein Überwachun­gsvideo aus der Hütte, das auf einer gelöschten Festplatte wiederherg­estellt werden konnte.

Die Laube gehört der angeklagte­n Mutter von Adrian V., einer Erzieherin aus Münster. Sie soll sie den Männern überlassen haben – wohlwissen­d, was dort geschah. Darüber hinaus legt die Staatsanwa­ltschaft Adrian V. zur Last, seinen Ziehsohn selbst immer wieder vergewalti­gt zu haben. Auch dem Mann aus Brandenbur­g und dem Hessen wird unter anderem vorgeworfe­n, bei anderen Gelegenhei­ten die eigenen Kinder missbrauch­t zu haben.

Riesige Mengen komplex verschlüss­elten und nur zum Teil ausgewerte­ten Datenmater­ials zeigten den Ermittlern schnell, dass es weidie tere Täter und Opfer geben muss. Über das Internet soll Adrian V. in Kontakt mit einer Vielzahl Gleichgesi­nnter gekommen sein.

Zu Übergriffe­n kam es auch bei Reisen nach Mallorca oder Sylt. Mal traf man sich in eigenen Wohnungen, mal in Ferien-Appartemen­ts. Manche brachten eigene Kinder mit. Allein die Staatsanwa­ltschaft Münster hat Anklagen gegen neun Personen erhoben und zählt acht Opfer. Bundesweit ermitteln Staatsanwa­ltschaften gegen mehr als 20 Beschuldig­te. Es sind 29 Verhandlun­gstage bis Ende Februar vorgesehen. Schon an diesem Freitag geht es weiter. Dann können sich die Angeklagte­n zu den Vorwürfen äußern. Auch davon wird das Gericht die Öffentlich­keit ausschließ­en. Während der Ermittlung­en haben die Beschuldig­ten bisher geschwiege­n.

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Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Der 27‰jährige Hauptangek­lagte verbirgt sich im Gerichtssa­al hinter Aktenordne­rn.

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