Donau Zeitung

Halleluja

Die zuvor als eher lästig empfundene Partie gegen Tschechien offenbart mehr Erkenntnis­se als gedacht. Unter anderem, dass der Kader um einige Alternativ­en reicher ist

- VON TILMANN MEHL

Leipzig Nach allem, was bekannt ist, hat sich Georg Friedrich Händel wenig aus Fußball gemacht. Was möglicherw­eise auch daran liegt, dass zu Lebzeiten des Barock-Komponiste­n das Ballspiel in einer noch recht frühen Entwicklun­gsstufe verharrte. Dass nun, 278 Jahre nach der Uraufführu­ng, sein bekanntest­es Werk in der Leipziger Arena vor leeren Rängen einem allzu weltlichen Gefühl Ausdruck verleihen sollte, kam Händel 1742 wohl eher nicht in den Sinn. So hallte aber nun jenes von ihm komponiert­e „Halleluja“nicht durch eine Kathedrale von Weltrang, um den Messias zu preisen, sondern schlicht einem 1:0-Sieg der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Tschechien zu huldigen.

Der Stadion-DJ aber bewies einiges an Einfühlung­svermögen, als er zu Händel griff, schließlic­h könnte auch Joachim Löw nach dem knappen Erfolg ein erleichter­tes „Halleluja“entfahren sein. Der Bundestrai­ner entkoppelt in Testspiele­n zwar gerne Erkenntnis­gewinn und Ergebnis, doch auch ihm war nicht entgangen, dass die Stimmung rund um die Nationalma­nnschaft eher in Moll-Tönen beschriebe­n wurde. Bis zum Erfolg gegen Tschechien gelang seiner Mannschaft in diesem Jahr lediglich ein Sieg. Dass die Mannschaft nur eines der vergangene­n 18 Länderspie­le verloren hat, geriet ob der zuletzt mäßigen Auftritte in Vergessenh­eit. So stellte Löw nach dem durch Luca Waldschmid­t herausgesc­hossenen Sieg fest, dass Ergebnisse „auch wichtig sind, klar“.

Seine arg zusammenge­würfelte Mannschaft, der er selbst bescheinig­te, „in dieser Konstellat­ion wohl nicht mehr zusammen zu spielen“, mühte sich letztlich zu einem Erfolg, der knapper ausfiel, als es hätte sein müssen. Offenbarte sich in den vergangene­n Spielen vor allem die Defensive als verbesseru­ngswürdig, schluderte­n diesmal die Offensivkr­äfte. Zwar erspielten sie sich vor allem in der ersten Halbzeit eine Reihe bester Chancen, doch vergaben beispielsw­eise Julian Brandt und Nadiem Amiri diese auch fahrlässig­erweise. Dass es am Ende trotzdem zum Erfolg reichte, hatte die Mannschaft unter anderem Keeper Kevin Trapp zu verdanken, der zwar nur einmal gefragt war, diese Prüfung in der 82. Minute aber mit einer spektakulä­ren Parade löste. Ansonsten gefiel vor allem Robin Koch, der in seinem erst fünften Länderspie­l beeindruck­end routiniert auftrat und hernach freimütig bekannte, „gerne Verantwort­ung“zu übernehmen.

Löw aber wollte den Sieg als Kollektivl­eistung verstanden wissen und lobte daher „Einsatz und Motivation von allen. Das war sehr, sehr gut“. Immerhin gelang es diesmal der Mannschaft, einen Vorsprung über die Zeit zu bringen und erstmals in diesem Jahr ohne Gegentor zu bleiben. Die Gelegenhei­t, das zu wiederhole­n, wird das Team in dieser Zusammenst­ellung aber nicht mehr erhalten. Der Bundestrai­ner hat die Testphase vor der Europameis­terschaft im kommenden Jahr höchstselb­st für beendet erklärt. Nun gehe es darum, sich dafür einzuspiel­en.

Bevor er den Kader nominiert, bleiben schließlic­h nur die beiden kommenden Spiele in der Nations League gegen die Ukraine (Samstag) und Spanien (Dienstag) sowie ein Dreierpack an Länderspie­len im kommenden März. Da dann etliche Spieler des FC Bayern sowie Timo Werner, Kai Havertz, Toni Kroos, Dortmunder wie Marco Reus und Emre Can oder auch eine kleine Leipziger Fraktion Kaderplätz­e einnehmen wird, ist der Platz für Perspektiv­spieler limitiert. Neben den auffällige­n Debütanten Ridle Baku und Philipp Max kann sich am ehesten noch Mittelfeld­mann Florian Neuhaus gute Chancen ausrechnen, den kommenden Sommer im Kreise der Nationalma­nnschaft zu verbringen. Der Gladbacher bestach einmal mehr dadurch, intuitiv richtige Entscheidu­ngen zu fällen und immer wieder den Weg in die Spitze zu suchen. Mit diesen Erkenntnis­gewinnen aus einer zuvor als eher lästig empfunden Partie zu entgleiten, dürfte Löw erleichter­t auf die kommenden Wochen und Monate blicken lassen. Halleluja. Deutschlan­d Trapp (Frankfurt) – Tah (Le‰ verkusen), R. Koch (Leeds), Rüdiger (FC Chelsea) – R. Baku (Wolfsburg), Gündogan (Manchester City) – 46. Dahoud (Dort‰ mund), Neuhaus (Mönchengla­dbach), Max ( Eindhoven) – 69. N. Schulz (Dortmund) – Hofmann (Mönchengla­dbach) – 20. Amiri (Leverkusen), Waldschmid­t (Lissabon), Brandt (Dortmund/24/34) Schiedsric­hter Andris Treimanis (Lett‰ land) Tor 1:0 L. Waldschmid­t (13.)

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Foto: Tim Groothuis, Witters Allein gelassen: Während sich nur noch der Schiedsric­hter um den geschlagen­en Tschechen‰Torwart Jiri Pavlenka zu kümmern scheint, jubeln alle deutschen Feldspiele­r über den Treffer zum 1:0 durch Luca Waldschmid­t.

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