Donau Zeitung

Der Hass von rechts und links

Vertreter der äußersten politische­n Ränder sind auch in der Region aktiv. Ihre Strategie hat sich inzwischen verändert. Eine Verfassung­sschützeri­n berichtet im Donauwörth­er Landratsam­t

- VON THOMAS HILGENDORF

Landkreis Der Hass kennt oft keine Grenzen: Der Hass auf den Staat und seine Vertreter, auch an der Basis, in den Kommunen, ist laut einer Vertreteri­n des Verfassung­sschutzes, die am Freitag bei der virtuellen Bürgermeis­terdienstb­esprechung im Landratsam­t in Donauwörth ihre Lageeinsch­ätzung präsentier­te, nach wie vor auf dem Vormarsch. Die Verfassung­sschützeri­n zeigte auch auf: Der Extremismu­s rechts wie links sei zwar in der Tat eine Randersche­inung in mehrfachem Sinne – aber ein Phänomen, das jeder Rathausche­f wie auch jeder Bürger durchaus im Auge behalten sollte.

Julia Beinder ist als Verfassung­sschützeri­n zuständig für Schwaben und Oberfranke­n und daher gut informiert über das, was in der Region an den äußersten Rändern des politische­n Spektrums passiert. Sie arbeitet bei der Bayerische­n Informatio­nsstelle gegen Extremismu­s (BIGE), einer Einrichtun­g des Freistaats. Beinder zufolge gibt es in der Region Nordschwab­en sowohl rechts- als auch linksextre­mistische Umtriebe. Aus Ostdeutsch­land schwappe hinsichtli­ch des Rechtsextr­emismus neuerdings eine Art „Kümmerer-Bewegung“nach Bayern, die vorgibt, sich der Sorgen und

Nöte ganz normaler Bürger anzunehmen (jedoch explizit nur deutscher) – etwa, in Corona-Zeiten, über Einkaufsdi­enste, Bürgerwehr­Streifen und Ähnliches. Dieses vermeintli­ch soziale Handeln gehe des Öfteren direkt von Organisati­onen und Parteien wie dem „III. Weg“aus, einer Kleinstpar­tei am äußersten rechten Rand, die laut Beinder deutliche Parallelen zur Ideologie des Nationalso­zialismus aufweist.

Mittlerwei­le fischten jene Gruppierun­gen nicht mehr nur im eigenen Milieu, also in den Rechtsauße­n-Subkulture­n, vielmehr suchten sie seit einigen Jahren verstärkt den Weg mitten hinein ins Bürgertum.

Flugblätte­r und Broschüren mit jenen Hilfsdiens­ten als auch der Versuch der sukzessive­n Unterwande­rung von bürgerlich­en Protestbew­egungen – auch aktuell bei Demonstrat­ionen gegen die staatliche­n Corona-Maßnahmen – ebneten die Kontaktknü­pfung zu eigentlich dem Extremismu­s fernstehen­den Menschen, so Beinder. Indessen warne sie davor, so Beinder auf Nachfrage des online zugeschalt­eten Nördlinger Oberbürger­meisters David Wittner, die Corona-Protestbew­egung oder Impfgegner in der Region mit extremisti­schen Milieus schlicht gleichzuse­tzen. Proteste von Bürgern sollten nicht per se mit Argwohn betrachtet werden: „Es macht eine Demokratie aus, dass man auf die Straßen gehen darf“, sagte die Verfassung­sschützeri­n.

In Nordschwab­en sei zuletzt immer wieder die völkisch ausgericht­ete Identitäre Bewegung (IB) aufgefalle­n, etwa durch die unangemeld­ete Beteiligun­g am Faschingsz­ug in Donauwörth sowie durch weitere kleinere Aktionen und auffällige Aufkleberv­erbreitung. Die IB versuche, so Beinder, die völkische Ideologie in ein modernes, jugendlich­es Gewand zu transformi­eren. Zuletzt allerdings sei es ruhiger um die IB in der Region geworden.

Auf linker Seite sind in Nordschwab­en vor allem Einzelakti­onen aus dem Bereich des Anarchismu­s augenfälli­g, wie die Verfassung­sschützeri­n weiter berichtete. Wie auch die rechte Szene seien auch die Linksextre­misten gut vernetzt, etwa mit der Antifaschi­stischen Aktion (Antifa) als „Sammelbeck­en“.

Die linken Aktionen liefen zumeist über dezentrale Kleingrupp­en ab – in Nordschwab­en seien in letzter Zeit Schmierere­ien wie ACAB/ 1312 (All cops are bastards, auf Deutsch: „alle Polizisten sind Bastarde“) – sowie diverse andere linke

Zahlen- und Buchstaben­codes auffällig (zum Beispiel: AFA/161, „Antifaschi­stische Aktion).

Der Linksextre­mismus, der in den vergangene­n Jahren eher die „Gewalt gegen Sachen“vorzog, tendiere deutschlan­dweit mittlerwei­le verstärkt zur Gewalt gegen Menschen, allem voran den politische­n Gegner; dieser solle somit direkt bekämpft beziehungs­weise eingeschüc­htert werden. Teile der linksextre­men Szene, so Beinders, versuchten zudem, in von maßgeblich von Jugendlich­en getragenen ökologisch­en Bewegungen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion

Fuß zu fassen beziehungs­weise Anschluss zu finden.

Jeglicher Form des Extremismu­s kämen die Digitalisi­erung und die Anonymität des Internets entgegen. So erreichten die Vertreter jener Gruppierun­gen, welche die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng ablehnten, auch Bürger, die im analogen Zeitalter Propaganda­material von rechts- und linksaußen eher nicht in die Hand genommen hätten.

Hinsichtli­ch der bundesweit zu beobachten­den digitalen Drohungen gegen Kommunalpo­litiker sei der Landkreis Donau-Ries derweil schier eine „Insel der Glückselig­en“. Zumindest ist es, wie Sandra Wolgschaft vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord in Augsburg berichtete, in den vergangene­n drei Jahren nicht zu Anzeigen gekommen. Bayernweit hätte hingegen einer Befragung zufolge ein Drittel der Kommunen angegeben, dass sie bereits E-Mails oder Briefe mit hasserfüll­tem Inhalt (Drohungen, Beleidigun­gen) erreicht hätten.

Beinder und Wolgschaft rieten sowohl den kommunalen Mandatsträ­gern wie auch den Bürgern, einerseits besonnen auf Anzeichen von Extremismu­s zu reagieren – aber Drohungen und direkt gegen die freiheitli­che Grundordnu­ng gerichtete Aktionen konsequent der Polizei zu melden.

Die Aktionen sind subtiler geworden

 ?? Archivfoto: Kehlenbach ?? Zahlencode­s und Sprüche, welche die Ablehnung der staatliche­n Organe zei‰ gen, prangen an so manchen Bauwerken in der Region. Der Verfassung­sschutz beobachtet aber nicht nur jene Schmie‰ rereien.
Archivfoto: Kehlenbach Zahlencode­s und Sprüche, welche die Ablehnung der staatliche­n Organe zei‰ gen, prangen an so manchen Bauwerken in der Region. Der Verfassung­sschutz beobachtet aber nicht nur jene Schmie‰ rereien.

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