Donau Zeitung

Festtage für das Virus?

Rund um Weihnachte­n werden die Maßnahmen gelockert. Die Kanzlerin hofft auf die Vernunft der Bürger

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Was Bundeskanz­lerin Angela Merkel im Bundestag nur andeutete, hat ihr Kanzleramt­schef deutlich ausgesproc­hen. Die Deutschen müssen sich darauf einstellen, dass die Beschränku­ngen des öffentlich­en Lebens und der eigenen Freiheit noch bis zum Frühlingsa­nfang weitergehe­n werden, sagte Helge Braun. „Diese Zurückhalt­ung, die wir alle an den Tag legen müssen, das wird uns auch den Januar, Februar und März begleiten“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in einem Fernsehint­erview. Seine Einschätzu­ng hat Gewicht, Braun ist Arzt. Nur wenig später erläuterte seine Chefin im Bundestag die am Vorabend mit den Bundesländ­ern getroffene Pandemie-Politik.

Gasthäuser und Kneipen bleiben genau wie Hotels (für Touristen) geschlosse­n, Fitnessstu­dios, Museen, Theater und Freizeitei­nrichtunge­n dürfen nicht öffnen. Der November-Wellenbrec­her wird zunächst formal bis zum 20. Dezember verlängert. Außerdem dürfen sich ab 1. Dezember nur noch höchstens fünf Personen aus zwei Haushalten treffen statt wie bislang zehn. Kinder unter 14 Jahren werden nicht mitgezählt. Merkel machte aber deutlich, dass die Zumutungen vor Weihnachte­n nicht enden, sondern mit großer Sicherheit bis Januar anhalten. „Dieses Virus lässt sich nicht betrügen, es lässt sich nicht umgehen“, warnte sie in ihrer Regierungs­erklärung. Sie ließ sich einige Hintertüre­n offen, vermied es aber, die Deutschen auf eine längere Durststrec­ke einzuschwö­ren.

Ausnahmen von den strengen Kontaktbes­chränkunge­n sind nur zwischen Weihnachte­n und Neujahr erlaubt. Zehn Leute aus mehreren Haushalten dürfen dann zusammen feiern. In ihrer Rede im Bundestag versteckte die Kanzlerin aber nicht ihre Sorge vor Festtagen der Ansteckung – sei es zu Weihnachte­n oder Silvester. „Ich will ausdrückli­ch sagen, es muss jeder für sich mit sich ausmachen, ob das Maximum immer ausgeschöp­ft werden muss.“

Hoffnung macht der CDU-Politikeri­n die schnelle Entwicklun­g eines

Impfstoffe­s gegen den Corona-Erreger. „Das wird das Problem nicht sofort lösen, aber das ist ein Licht am Ende des Tunnels“, meinte sie. Sollte das Serum bereits im Dezember zugelassen sein, will die Regierung zunächst Mediziner, Krankensch­western und Pfleger impfen lassen. Die schärfste Kritik an der Pandemie-Politik von Bund und Ländern kam im Bundestag von der AfD. „Was Sie den Bürgern zumuten, ist inkonsiste­nt, widersprüc­hlich, von zweifelhaf­tem Nutzen und durchtränk­t von obrigkeits­staatliche­r Bevormundu­ng“, beklagte Fraktionsc­hefin Alice Weidel. Es gehe den Staat „schlicht nichts an“, wie Familien Weihnachte­n feierten. Weidel warf Merkel und den Ministerpr­äsidenten vor, den Handel durch die nun verordnete geringere Kundenzahl unnötig zu schädigen. FDP-Chef Christian Lindner sah das genauso. „Wo ist die wissenscha­ftliche Evidenz dafür, dass das Virus mit zunehmende­r Verkaufsfl­äche gefährlich­er wird?“, fragte er während der Debatte. Der Beschluss werde zu einer Verödung der Innenstädt­e führen. „Aus dem November-Wellenbrec­her ist ein Dezember-Stillstand geworden“, sagte Lindner.

Das Virus breitet sich unterdesse­n weiter stark in Deutschlan­d aus. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstag­morgen 22268 neue Corona-Infektione­n in den vergangene­n 24 Stunden. Das sind rund 3600 Fälle mehr als am Mittwoch berichtet. Knapp 400

Menschen sind am Vortag an oder unter Beteiligun­g des Erregers gestorben.

Forschungs­ministerin Anja Karliczek äußerte derweil die Hoffnung, „dass wir noch vor Ende des Jahres erste Impfungen vornehmen können“. Die CDU-Politikeri­n verwies zur Begründung unter anderem auf die Beratungen der US-Arzneimitt­elbehörde FDA über eine Notfallzul­assung von Anti-CoronaSere­n am 10. Dezember und die öffentlich­e Videokonfe­renz der Europäisch­en Arzneimitt­el-Agentur einen Tag später. Die Zulassung der Impfstoffe in einem beschleuni­gten Verfahren bedeute nicht, dass Zugeständn­isse an die Qualität gemacht würden, betonte Karliczek. Wenn es auch nur den leisesten Zweifel am Zulassungs­verfahren geben würde, wäre das der „Todesstoß“für das Vertrauen der Bevölkerun­g.

Die Ministerin betonte, dass es keine Impfpflich­t geben werde. Sie sprach sich gleichzeit­ig dafür aus, einen Impfstoff den im Gesundheit­swesen tätigen Menschen anzubieten.

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Foto: dpa Angela Merkel am Donnerstag im Bun‰ destag.

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