Donau Zeitung

Zusammenha­lt in der Krise? Ja, aber…

Ministerpr­äsident Markus Söder erntet für die Fortsetzun­g des „Lockdown light“grundsätzl­iche Zustimmung von Grünen und SPD, muss sich aber auch viel Kritik anhören und Versäumnis­se vorwerfen lassen

- VON ULI BACHMEIER

München „Halten wir zusammen“, sagt Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). „Halten wir zusammen“, sagt auch Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze. Und irgendwie tun sie das auch – zumindest im Grundsatz. Im Detail allerdings offenbart diese zweite Sondersitz­ung des Landtags zur CoronaStra­tegie der Staatsregi­erung, dass es jenseits des gemeinsame­n Bekenntnis­ses zu einer Fortsetzun­g des „Lockdown light“, dem sich einzig die AfD komplett verweigert, erhebliche Streitpunk­te gibt. Söder bekommt nach seiner neuerliche­n Regierungs­erklärung gehörig die Leviten gelesen – auch von SPD und Grünen, die er wenige Minuten zuvor noch für ihre Mitwirkung im Bund gelobt hatte.

Die Zustimmung der Grünen zum Kurs der Staatsregi­erung kommt fast versteckt daher. Weil die Infektions­zahlen nicht gesunken seien, gelte es „weiterzuma­chen, Abstand zu halten und Kontakte zu reduzieren. Deswegen tragen wir Grüne die grundsätzl­ichen Beschlüsse der Ministerpr­äsidentenk­onferenz mit“, sagt Schulze. Im großen Rest ihrer Rede aber listet sie auf, woran es aus ihrer Sicht hapert und was nach Auffassung der Grünen bisher versäumt wurde. Direkt an Söder gerichtet fragt sie: „Wo ist die langfristi­ge Strategie? Wo ist das Stufenmode­ll, das beschreibt, was wann passiert? Wo sind die Vorbereitu­ngen, dass wir nicht in eine dritte Welle hineinlauf­en?“

Im Umgang mit Schülern, Eltern und Lehrern wirft Schulze Söder vor, zu wenig auf die Leute zu hören: „Warum haben Sie nach acht Monaten Pandemie nicht gelernt, dass man mit den Betroffene­n vorher sprechen, Meinungen einholen und dann erst Entscheidu­ngen treffen sollte?“Schulze fordert eine Anpassung der Teststrate­gie an neuere Erkenntnis­se, um die Gesundheit­sämter zu entlasten. Sie kritisiert die schleppend­e Bearbeitun­g und Auszahlung von Wirtschaft­shilfen. Für die Unterstütz­ung von Künstlerin­nen und Künstlern gebe es noch nicht einmal ein Formular. „Und wo kein Formular, da kein Geld.“Das sei, so Schulze, „stümperhaf­t und unprofessi­onell.“

Ähnlich wuchtig tritt SPD-Fraktionsc­hef Horst Arnold der Staatsregi­erung entgegen. Zwar bekennt auch Arnold sich zu dem gemeinsame­n Ziel, die Pandemie einzudämme­n und Leben zu schützen, listet aber eine ganze Serie von Versäumnis­sen auf, die der Staatsregi­erung seiner Ansicht nach anzulasten sind. An Ankündigun­gen fehle es nicht, so betont er, wohl aber an der Umsetzung. Arnold sagt zu Söder: „Wir sind der Überzeugun­g, Sie haben den Sommer schlichtwe­g verschlafe­n.“Wie Schulze kritisiert auch Arnold die Corona-Teststrate­gie als nicht effektiv. Er fordert mehr Verhältnis­mäßigkeit bei der Einschränk­ung von Grundrecht­en. Und er tritt insbesonde­re einer neu beschlosse­nen Maßnahme der Staatsregi­erung entgegen: „Die angekündig­te Schließung von Volkshochs­chulen und Bibliothek­en hat für große Empörung gesorgt. Das ist der falsche Weg“, sagt Arnold.

Bei der FDP wird die Kritik etwas grundsätzl­icher. Der „Lockdown light“, so stellt FDP-Fraktionsc­hef Martin Hagen fest, „hat sein Ziel verfehlt.“Das Konzept, das als „Wellenbrec­her“gedacht war, werde nicht aufgehen. „Das, was Sie beschlosse­n haben, läuft auf einen monatelang­en Lockdown hinaus“, sagt Hagen an die Adresse Söders und fordert „eine langfristi­ge Strategie, die wir auch durchhalte­n können.“Im Zentrum solle dabei nach dem Konzept des Virologen Alexander Kekulé der „Schutz von Risikogrup­pen“stehen.

Die Fraktionsc­hefs von CSU und Freien Wählern, Thomas Kreuzer und Florian Streibl, weisen die Vorwürfe postwenden­d zurück. Streibl sagt, die Koalition verfolge eine Strategie von „Maß und Mitte“. Kreuzer nennt die Kritik der Grünen „utopisch und ungerechtf­ertigt“. Wer etwa die Arbeit der Behörden kritisiere, der verkenne die Dimensione­n der Anträge, die dort zu bearbeiten seien. Die Forderung nach einer längerfris­tigen Strategie weist Kreuzer als unrealisti­sch zurück. Wer jetzt so tue, als wüsste er schon, wie die Lage im Februar oder März sei, der täusche die Bürger. Alles hänge von den Infektions­zahlen ab, die jetzt noch niemand kenne.

Der Zusammenha­lt der Demokraten, den Söder und Schulze zum Auftakt beschworen haben, zeigt sich in der Debatte allerdings in der gemeinsame­n Ablehnung der AfD. Söder spricht von einem „toxischen Gebräu aus Fake News, Hass und Intoleranz“und fordert, dass der Verfassung­sschutz bei AfD und Querdenker­n genauer hinschauen solle. Kreuzer wirft der AfD „verantwort­ungsund rücksichts­loses Verhalten“vor. AfD-Fraktionsc­hefin Kathrin Ebner-Steiner nennt die Corona-Politik der Staatsregi­erung „sinnlos“, spricht von einem „Zerstörung­swerk“und wirft Söder vor, Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie erntet heftigen Widerspruc­h und scharfen Protest.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Mitunter „stümperhaf­t und unprofessi­onell“sei die Corona‰Politik der bayerische­n Staatsregi­erung und deren Umsetzung, kriti‰ siert Grünen‰Fraktionsc­hef Katharina Schulze.

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