Kontakt
Man zuckt beim Lesen harmloser Stellenanzeigen für kaufmännische Sachbearbeiter, Servicemitarbeiter an einer Tankstelle oder Verkäufer in Teilzeit zusammen. So weit ist es mit uns gekommen. Sie arbeiten engagiert und flexibel und sind teamfähig und kontaktfreudig. Um Himmels Willen! Sie sind kontaktfreudig und haben Spaß am Umgang mit Menschen. Wie bitte? Sie sind kontaktfreudig und gehen offen auf Menschen zu. Schluck ...
Kontaktfreude? Umgang mit Menschen? Teamarbeit? Spaß? Offen auf andere zu? Es sind Begriffe aus einer anderen Zeit. Der Kontakt hat seine Unschuld verloren, er muss eingehegt und ausgeschaltet werden wie ein gefährliches Raubtier. Kontakte sind ein Problem – und jeder Kontakt, der vermieden wird, ist nach PandemieLesart ein guter Kontakt. Der beste Kontakt ist der, der nicht aufgenommen wird. Die Kurse an den Kontaktbörsen sind im freien Fall. Wer minimiert, macht es richtig. Wer ganz verzichtet, macht es richtiger. Sich jetzt noch mit „guten Kontakten“zu brüsten, ist fahrlässig. Das dahingesagte „Wir bleiben in Kontakt“klingt heute wie eine Drohung, die die Selbstquarantäne und die Isolierung im Homeoffice gefährdet.
Früher war die Zahl der Sozialkontakte ein Maßstab für die erfolgreiche Teilhabe eines Menschen am gesellschaftlichen Leben. Inzwischen sind Kontakte eine simple Rechenaufgabe geworden, bei der die kleinste Zahl – gerne Null – immer die beste Lösung ist.
Fünf aus zwei. Menschen mal Haushalte, Sie wissen schon. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür. Die Frage ist nicht nur: Aus welchem Haushalt kommt das Christkind? Wenn schon zehn Leute an der Tafel sitzen – ist es dann Kopfrechnenversagen oder ein Akt zivilen Ungehorsams, gleichwohl Einlass zu gewähren? Andererseits: Ein Kind unter 14 zählt ja nicht mit, ist gleichsam kontaktneutral.