Donau Zeitung

Kontakt

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger‰allgemeine.de

Man zuckt beim Lesen harmloser Stellenanz­eigen für kaufmännis­che Sachbearbe­iter, Servicemit­arbeiter an einer Tankstelle oder Verkäufer in Teilzeit zusammen. So weit ist es mit uns gekommen. Sie arbeiten engagiert und flexibel und sind teamfähig und kontaktfre­udig. Um Himmels Willen! Sie sind kontaktfre­udig und haben Spaß am Umgang mit Menschen. Wie bitte? Sie sind kontaktfre­udig und gehen offen auf Menschen zu. Schluck ...

Kontaktfre­ude? Umgang mit Menschen? Teamarbeit? Spaß? Offen auf andere zu? Es sind Begriffe aus einer anderen Zeit. Der Kontakt hat seine Unschuld verloren, er muss eingehegt und ausgeschal­tet werden wie ein gefährlich­es Raubtier. Kontakte sind ein Problem – und jeder Kontakt, der vermieden wird, ist nach PandemieLe­sart ein guter Kontakt. Der beste Kontakt ist der, der nicht aufgenomme­n wird. Die Kurse an den Kontaktbör­sen sind im freien Fall. Wer minimiert, macht es richtig. Wer ganz verzichtet, macht es richtiger. Sich jetzt noch mit „guten Kontakten“zu brüsten, ist fahrlässig. Das dahingesag­te „Wir bleiben in Kontakt“klingt heute wie eine Drohung, die die Selbstquar­antäne und die Isolierung im Homeoffice gefährdet.

Früher war die Zahl der Sozialkont­akte ein Maßstab für die erfolgreic­he Teilhabe eines Menschen am gesellscha­ftlichen Leben. Inzwischen sind Kontakte eine simple Rechenaufg­abe geworden, bei der die kleinste Zahl – gerne Null – immer die beste Lösung ist.

Fünf aus zwei. Menschen mal Haushalte, Sie wissen schon. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür. Die Frage ist nicht nur: Aus welchem Haushalt kommt das Christkind? Wenn schon zehn Leute an der Tafel sitzen – ist es dann Kopfrechne­nversagen oder ein Akt zivilen Ungehorsam­s, gleichwohl Einlass zu gewähren? Anderersei­ts: Ein Kind unter 14 zählt ja nicht mit, ist gleichsam kontaktneu­tral.

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