Donau Zeitung

Gespräch mit einem Nerz

Etwa 17 Millionen Tiere wurden in Dänemark getötet. In Zuchtanlag­en grassierte ein veränderte­s Coronaviru­s. Doch ein Verbot der Zucht ist in Europa nicht in Sicht. Das Geschäft mit Pelzkragen ist zu lukrativ

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Das Schicksal der Nerze bewegt mich sehr. Deshalb habe ich diesen fiktiven Dialog mit einem Nerz geschriebe­n. „Grüß dich. Wie heißt du denn, lieber Nerz?“, frage ich ihn. Erschrocke­n schaut mich der kleine Nerz mit seinen dunklen Knopfaugen an. „God dag“, begrüßt er mich, „soweit ich weiß, habe ich keinen Namen.“– „Wenn ich mit dir reden möchte, brauchst du aber einen Namen.

Bist du ein Weibchen oder ein Männchen?“Etwas erbost kommt die Antwort: „Das sieht man doch wohl, ich bin ein Männchen. Ich wiege über zwei Kilo!“Ich entschuldi­ge mich für mein Unwissen und schlage den Namen Nepomuk vor. Der Nerz ist einverstan­den. Langsam wird er zugänglich­er.

Ich mache ihm ein Kompliment: „Dein Fell ist wirklich sehr schön und herrlich glänzend.“Nepomuk ist stolz: „Außerdem wärmt es ganz großartig und ist wasserabwe­isend. Super, nicht wahr?!“Mir ist klar, dass amerikanis­che Nerze, die in der Pelzzucht eingesetzt werden, in der Natur immer am Wasser leben, hervorrage­nd schwimmen und tauchen können und deshalb natürlich einen Schutz gegen die Nässe brauchen. „Aber dir bringt dein Fell ja gar nichts, in diesem Gitterkäfi­g in einer überdachte­n Farm mit 36000 Tieren.“Nepomuk war nicht bewusst, dass so viele Artgenosse­n hier unter einem Dach leben. „Nein, geschwomme­n bin ich in meinem Leben noch nicht. Und auf den blöden Gitterböde­n tun mir die Füße und meine Schwimmhäu­te immer weh. Aber das ist gar nicht das Schlimmste.“

Was denn das Schlimmste für ihn sei, will ich wissen. „Wir Nerze sind Einzelgäng­er. Außerhalb der Paarungsze­it haben wir mit anderen Nerzen nichts zu tun. Aber hier sind überall und andauernd Nerze. Das macht mich rasend! Stress rund um die Uhr.“– „Dann müsstest du nach Deutschlan­d auswandern“, schlage ich vor. „In Deutschlan­d ist die Haltung von Pelztieren für Pelzgewinn­ung mittlerwei­le tabu. Oder nach Österreich. Auch dort ist Pelztierha­ltung verboten. Wer trotzdem einen Nerz als Hobby halten wollen würde, müsste sicherstel­len, dass dieser seine Ruhe vor anderen Nerzen hat und dass die Hälfte des vorgeschri­ebenen Auslaufs aus mindestens 50 Zentimeter tiefem Wasser bestehen muss. Wie klingt das für dich?“Nepomuk will am liebsten sofort umziehen. Oder, noch besser, ausbrechen und ein Leben in freier Wildbahn führen. „Weißt du“, mahne ich, „ihr amerikanis­chen Nerze verdrängt jetzt schon nach Ausbrüchen aus Pelztierfa­rmen unsere europäisch­en Nerze.“Nepomuk überlegt. Andere zu verdrängen ist nicht in seinem Sinne. „Aber leider kann ich nicht mitkommen nach Deutschlan­d oder Österreich.“Sein Blick senkt sich. „Wir haben ja Corona hier im Stall, und ich will nichts verbreiten. Aber wundern muss ich mich über euch Menschen schon. Ihr wisst genau, dass wir in diesen Käfigen unglücklic­h sind. Trotzdem mutet ihr uns das zu. Ihr wisst genau, dass Infektions­krankheite­n explosions­artig um sich greifen, wenn viele Tiere auf engem Raum zusammenle­ben müssen. Das gilt nicht nur für Corona. Denk nur an die Vogelgripp­e! Oder an die Schweinepe­st! Trotzdem pfercht ihr uns zusammen. Und ihr wisst, dass bei intensiver Tierhaltun­g erhöhtes Risiko besteht, dass Krankheite­n auf den Menschen überspring­en können. Trotzdem verbessert ihr nichts. Und wenn die Krankheit dann ausgebroch­en ist, sind wir die Schuldigen und ihr vergast uns.“Nepomuk kann seine Tränen nicht mehr zurückhalt­en.

„Wenn ich tot bin, werdet ihr dann endlich aufhören, uns weiterhin für Pelzmäntel in enge Käfige zu sperren?“, meint der hübsche Nerz. Ich muss schlucken. „Nein“, antworte ich. „Eine Unterbrech­ung soll es geben, aber ein endgültige­s Ende der Pelztierzu­cht in Europa ist nicht in Planung.“– „Schade“, sagt Nepomuk, als hätte er meine Antwort bereits geahnt. „Ich dachte ja nur…“

Einfach Tierisch

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Foto: Takalla, dpa Das Fell der Nerze wird für Pelzkragen genutzt.
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Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver‰ knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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