Donau Zeitung

Schönheits­preise interessie­ren nicht

Die Münchner sind früh in der Saison an ihrer Belastungs­grenze angekommen. Das 3:1 in Stuttgart zeigt, was vom Meister in den nächsten Wochen zu erwarten ist – und was nicht

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Stuttgart Leon Goretzka war sich nicht mal sicher, wie er sich denn nun ausdrücken darf. Sein Trainer Hansi Flick habe ja gesagt, dass das mit der Müdigkeit keine Ausrede sei, erklärte der Nationalsp­ieler nach dem 3:1-Sieg des FC Bayern beim VfB Stuttgart. Der 25-Jährige gab es dann doch zu, aber er tat es mit einem Lächeln, das jedoch nicht über die spürbare Erschöpfun­g hinwegtäus­chen konnte: „Ich bin definitiv sehr müde“, räumte Goretzka ein. Flick nahm es mit einem Schmunzeln: „Wenn der Leon das so sagt, muss man das so stehen lassen“, sagte der 55-Jährige.

Die dringend benötigte Pause wird er seinem Schlüssels­pieler aber trotzdem wohl nicht gönnen können. Seit Wochen kämpfen die Bayern – zumeist erfolgreic­h – gegen einen extremen Spielplan und ihre eigene Müdigkeit an. Schon am Dienstag (21 Uhr) müssen sie wieder in der Champions League bei Atlético Madrid ran. Am nächsten Samstag empfängt der Tabellenfü­hrer dann Verfolger RB Leipzig zum Spitzenspi­el der Bundesliga. Spuren hinterläss­t die Mehrfachbe­lastung schon jetzt. Joshua Kimmich und Alphonso Davies fehlen seit einiger Zeit, im schlimmste­n Fall kommen nun weitere Spieler hinzu: Jérôme Boateng, Corentin Tolisso, Lucas Hernández und Javi Martínez sind angeschlag­en.

Trotzdem jammerte Flick auch in Stuttgart nicht. Seine Mannschaft machte erneut Fehler, aber sie gewann auch dieses Spiel – und profitiert­e zudem vom überrasche­nden Dortmunder Patzer gegen den 1. FC Köln. Es reicht diesen Bayern im Moment, sich auf ihre individuel­le Klasse zu verlassen, wenn sie benötigt wird. Sie müssen und können gerade keine Spiele über 90 Minuten dominieren, und für Flick ist das in Ordnung, solange wie in Stuttgart gewonnen wird.

„Wir wissen alle, dass wir aktuell keinen Schönheits­preis bekommen. Aber wir liefern Ergebnisse“, sagte Flick, der immerhin zugab, dass seine Mannschaft sich „gerade am Limit“bewegt.

Gleich mehrfach hatten die Stuttgarte­r die Möglichkei­t, dem Rekordmeis­ter wehzutun, doch sie scheiterte­n an ihren eigenen Nerven. Tanguy Coulibaly (20. Minute) hatte die Gastgeber nach einem Fehler von Manuel Neuer beim Herauslauf­en zwar in Führung geschossen. Doch anschließe­nd nutzte Philipp Förster (35./36.) gleich zwei hervorrage­nde Chancen nicht, um zu erhöhen. Und das bestraften die Münchner auf ihre ganz eigene, eiskalte Art. „Man sieht, dass die Bayern personell angeschlag­en sind, dass sie zu viele Spiele und zu wenig Urlaub haben“, sagte VfB-Kapitän Gonzalo Castro. „Sie gehen jetzt schon auf dem Zahnfleisc­h.“Aber die Bayern sind eben die Bayern.

Darum drehten sie wenige Minuten nach Försters Top-Chancen das Spiel und bestraften die Schwaben für ihre Nachlässig­keiten. Zwei Glanzmomen­te und ein bisschen zu viel Platz reichten Kingsley Coman (38.) und Robert Lewandowsk­i (45.+1), um noch vor der Halbzeit auf 2:1 zu stellen. Mitten in einer erneuten Stuttgarte­r Drangphase kurz vor dem Abpfiff schlug dann der eingewechs­elte Douglas Costa (87.) zu und markierte den Endstand.

„Wir haben gerade eine Phase, in der nicht alles mit einem Fingerschn­ippen geht“, bekannte Thomas Müller. Doch es reicht aus. Die Frage ist nur, wie lange noch. Doch diese Frage wird Hansi Flick mit Sicherheit nicht öffentlich stellen. Stattdesse­n empfahl er seinen Profis für die Zeit vor dem Spiel in Madrid „viel zu schlafen, sich viel zu erholen, sich gut zu ernähren“. VfB Stuttgart Kobel – Mawropanos (58. Karazor), Anton, M. O. Kempf, Sosa – Endo – Wamangituk­a, Mangala, Castro (59. Kli‰ mowicz) – Coulibaly (82. Massimo), Förster (76. Kalajdzic) Bayern München Neuer – Pavard, Boateng (69. Nianzou), Alaba, Lu‰ cas Hernández (58. Süle) – Tolisso (83. Javi Martínez), Goretzka – Gnabry (69. L. Sané), Müller, Coman (69. Douglas Costa) – Lewandowsk­i Tore 1:0 Coulibaly (20.), 1:1 Coman (38.), 1:2 Lewandowsk­i (45.+1), 1:3 Douglas Costa (87.) Schiedsric­hter Harm Osmers (Hannover)

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Foto: Witters Thomas Müller ist selten für die ästhetisch anspruchsv­ollen Szenen eines Fußballspi­els zuständig. Derzeit aber rücken Kabinett‰ stückchen gänzlich in den Hintergrun­d – außer man zählt Huckepacks­piele wie jenes mit Marc Oliver Kempf dazu.

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