Donau Zeitung

„König Emmanuels“Krisen

„Gelbwesten“, Rentenrefo­rm, Corona-Lockdown, Terroransc­hläge und jetzt das Sicherheit­sgesetz: Frankreich­s Präsident verliert an Sympathien. Nun knickt die Regierung ein

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Nicht nur eine Nachricht schickte Emmanuel Macron am vergangene­n Freitag über Twitter ab, sondern es waren 14 und aus ihnen klang die Wut. Seit einem Tag zirkuliert­en die Videos aus dem Eingangsbe­reich eines Pariser Musikstudi­os im Netz, auf denen drei Polizisten minutenlan­g auf den wehrlosen Schwarzen Michel Zecler einprügelt­en. Gegen sie sowie einen vierten Kollegen, der schließlic­h eine Tränengasg­ranate in das Tonstudio warf, wurde nun Anklage erhoben. Die Vorgänge empörten die französisc­he Öffentlich­keit, aber ganz offenkundi­g auch den Präsidente­n. Sie seien inakzeptab­el und beschämend, schrieb Macron. „Frankreich ist ein Land der Freiheit und der Ordnung.“Er erwarte von der Regierung Vorschläge, um das Vertrauens­band zwischen den Franzosen und der Polizei wieder herzustell­en.

Doch das Problem des verlorenen Glaubens in die staatliche­n Institutio­nen betrifft auch und gerade: ihn selbst. Macron steht massiv unter Druck. Auf die Coronaviru­s-Pandemie und die beiden Lockdowns mit schweren Folgen für die Wirtschaft und den Staatshaus­halt, die er doch zu sanieren versproche­n hatte, folgten im Herbst mehrere Terroransc­hläge – und nun kommt auch noch die politische Krise um das Sicherheit­sgesetz hinzu. Es verbietet unter anderem die Verbreitun­g von Videos von Polizisten im Einsatz – während gleichzeit­ig Filme wie das vom Vorgehen gegen Michel Zecler erschütter­nde Verfehlung­en von Sicherheit­skräften belegen. Das war für viele Franzosen zuviel.

Landesweit demonstrie­rten am Sonntag laut Innenminis­terium 133 000 Menschen – die Organisato­ren sprachen von einer halben Million – gegen den umstritten­en Artikel des Gesetzes. Am Rande der Aktionen kam es zu Ausschreit­ungen, bei denen Demonstran­ten wie Polizisten verletzt wurden.

Premiermin­ister Jean Castex bemühte sich, die Gemüter zu beruhigen, indem er ankündigte, dass eine Kommission das Sicherheit­sgesetz vor dessen endgültige­r Verabschie­dung überarbeit­en solle. Doch damit provoziert­e er wiederum eine Protestwel­le im Parlament: Viele Volksvertr­eter sehen sich entmachtet. Denn die Nationalve­rsammlung, in der Macrons Präsidente­npartei La République en marche (LREM) eine Mehrheit besitzt, hatte das Gesetz in erster Lesung bereits verabschie­det. Wie am Montagaben­d bekannt wurde, ist die Regierungs­mehrheit nun eingeknick­t. Die Regierungs­fraktionen im Unterhaus des Parlaments kündigten nach einer Krisensitz­ung im Élyséepala­st in Paris an, dass sie den besonders scharf kritisiert­en Artikel des Sicherheit­sgesetzes um die Aufnahmen von Polizeiein­sätzen neu formuliere­n wollen.

Vorwürfe gegen die französisc­he Polizei, oft unverhältn­ismäßig brutal vorzugehen und teilweise Rassismus in ihren Reihen zu tolerieren, gibt es nicht erst, seit Macron im Amt ist. Auch deshalb fand der Tod des schwarzen US-Amerikaner George Floyd bei einem Polizeiein­satz im Mai ein lautes Echo in Frankreich.

Doch statt Zeichen der Beruhigung auszusende­n, ließ Macron die Sicherheit­sgesetzgeb­ung verschärfe­n und setzte Persönlich­keiten an Schlüssels­tellen, die eine harte Linie verkörpern, etwa der ehrgeizige Innenminis­ter Gérald Darmanin – er hat das jüngste Gesetz zu verantwort­en und besteht auf ihm – oder der Pariser Polizeiprä­fekt Didier Lallement. Vor allem Darmanin, den er den Konservati­ven abgeworben hat, braucht Macron mit Blick auf die Präsidents­chaftswahl 2022:

Er will sich um die Anhänger auch der bürgerlich­en Rechten bemühen. Denn viele der Wähler aus dem linken Spektrum, die 2017 noch für ihn stimmten, haben sich enttäuscht abgewendet.

Auch Macrons Vorgänger hatten mit schweren Zeiten zu kämpfen. Unter Nicolas Sarkozy brach die Finanzkris­e mit jahrelange­n Folgen für die Wirtschaft aus, François Hollande stand mehreren schweren Terroratta­cken gegenüber. Doch unter Macron scheinen sich die Krisen zu multiplizi­eren. Vor zwei Jahren entstand die Widerstand­sbewegung der „Gelbwesten“, die soziale Ungerechti­gkeiten im Land anprangert­e, vor einem Jahr lähmten Streiks gegen die – infolge der Coronaviru­s-Pandemie ausgesetzt­e – Rentenrefo­rm das Land. Der Dialog mit den Sozialpart­nern stockt.

Präsident Macrons LREM-Partei hat Sympathien und Anhänger verloren. Sein Verspreche­n, den Menschen wieder Zuversicht zu geben und anders zu regieren, nämlich pragmatisc­her und bürgernähe­r, hat er nicht halten können. Im Gegenteil: Viele werfen ihm einen autoritäre­n, ja monarchisc­hen Amtsstil vor. Und mit ihren Monarchen gingen die Franzosen schon oft nicht zimperlich um.

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Foto: Getty Images Zu Hunderttau­senden gehen die Franzosen auf die Straße: Nicht zum ersten Mal steht Präsident Emmanuel Macron gewaltig unter Druck.

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