Donau Zeitung

Staatsregi­erung verfehlt Ziele im Wohnungsba­u

Die im Jahr 2018 gegründete „BayernHeim“sollte bis 2020 zusätzlich 2000 Wohnungen schaffen. Gebaut wurde bisher keine einzige. „Das zieht sich wie ein großer Kaugummi“, sagen die Grünen

- VON ULI BACHMEIER

München Der erste Schwung ist dahin, die Euphorie verflogen. Dabei war der staatliche Wohnungsba­u im Jahr 2018 ein echter Aufreger im Wahlkampf. Er war noch gar nicht Ministerpr­äsident, da kündigte Markus Söder (CSU) im Januar bei der Klausur der CSU-Landtagsfr­aktion in Bad Staffelste­in schon eine wuchtige Initiative an: Die neue staatliche Wohnungsba­ugesellsch­aft „BayernHeim“solle noch im Sommer gegründet werden. Sie solle bis zum Jahr 2020 zusätzlich 2000 neue Wohnungen bauen. Bis zum Jahr 2025 sollten es sogar 10 000 Wohnungen sein. Aktuell freilich sieht es nicht nach einem Erfolgsmod­ell aus. Ende dieses Jahres hat die staatliche „BayernHeim“gerade mal 71 Wohnungen in der Hansastraß­e in München in ihrem Bestand. Diese Wohnungen wurden gekauft. Selbst gebaut hat die „BayernHeim“bisher keine einzige.

Dabei wäre das ihre eigentlich­e, von der Staatsregi­erung definierte Aufgabe. „Gegenstand der BayernHeim GmbH“, so heißt es in der Antwort von Bauministe­rin Kerstin Schreyer (CSU) auf eine Anfrage des Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührers der Grünen, Jürgen Mistol, „ist die Bereitstel­lung von Wohnraum für Wohnungssu­chende, die sich am Markt nicht angemessen versorgen können. Der Schwerpunk­t der Unternehme­nstätigkei­t liegt in der Realisieru­ng eigener Projekte.“

Der Grundgedan­ke, den Söder zur Linderung des Wohnungsma­ngels in den großen Städten Bayerns bereits Anfang 2018 propagiert­e, war ebenso einfach wie plausibel: Der Staat sollte, wo immer möglich, eigene Grundstück­e für den Bau bezahlbare­r Wohnungen nutzen. Und damit das zügig funktionie­rt, sollte er die Realisieru­ng selbst in die Hand nehmen.

In der Praxis aber funktionie­rt das bisher nicht. Der Bau von Wohnungen, so schreibt Schreyer an Mistol, setze ein entspreche­ndes Baurecht voraus. Doch schon daran hapert es. „Für die zur Verfügung stehenden und für Wohnungsba­u geeigneten staatliche­n Grundstück­e besteht in der Regel noch kein solches Baurecht“, räumt Schreyer ein. Neben der Schaffung von Baurecht prüfe die „BayernHeim“deshalb auch „den Erwerb von in Planung beziehungs­weise in Bau befindlich­en Projekten“mit dem Ziel,

„möglichst rasch bezahlbare­n Wohnraum zur Vermietung anbieten zu können“.

Nach Ansicht des Grünen-Abgeordnet­en Mistol kann von „rasch“keine Rede sein. „Das zieht sich alles wie ein großer Kaugummi“, sagt er und schimpft: „Das ist ein typischer Söder. Da wird ein schönes Ziel ausgegeben, aber wenn man genauer hinschaut, dann sieht man, dass gar nicht geprüft wurde, ob das Ziel überhaupt zu erreichen ist.“

Zweifel gab es von Anfang an. Während Söder in seiner ersten Regierungs­erklärung im April das Fernziel „10000 Wohnungen bis 2025“amtlich bekräftigt­e, dämpfte seine erste Bauministe­rin, die heutige Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner (CSU), die Erwartunge­n. Wann die ersten Wohnungen stehen werden, so sagte Aigner damals im Interview mit unserer Redaktion, „ist im Moment noch nicht seriös vorherzusa­gen“.

Die Opposition urteilte weitaus härter – allen voran Freie-WählerChef Hubert Aiwanger, der damals noch nicht Wirtschaft­sminister war. Aiwanger nannte Söders Wohnbauoff­ensive „bei wenigen tausend

Wohnungen geradezu lächerlich“. Er sagte, die „BayernHeim“sei ein „neues Ungetüm“, und verglich sie mit der „Neuen Heimat“, einer gewerkscha­ftseigenen Bau- und Wohnungsge­sellschaft, die in den 80er Jahren in einem Skandal untergegan­gen war. Söder, so Aiwangers Rat, solle sich nicht um einen Markt kümmern, „auf dem es genügend private Wohnungsba­ugesellsch­aften und private Häuslebaue­r gibt“.

Dieser Aspekt, dass der Staat mit der „BayernHeim“in Konkurrenz zu privaten, kommunalen oder genossensc­haftlichen Wohnungsba­ugesellsch­aften tritt und das staatliche Engagement unterm Strich womöglich gar keine zusätzlich­en günstigen Wohnungen bringt, ist immer noch aktuell. Die Ressourcen nämlich, so heißt es aus der Branche, sind knapp. In Zeiten einer boomenden Bautätigke­it fehlen nicht nur zusätzlich­e Grundstück­e. Auch Fachkräfte, die für Wohnungsba­ugesellsch­aften Projekte umsetzen können, sind Mangelware. Und obendrein sind die Fördermitt­el begrenzt.

Mistol befürchtet, dass das Projekt „BayernHeim“gesamtwirt­schaftlich auf ein Nullsummen­spiel hinausläuf­t. „Die Entwicklun­g staatliche­r Grundstück­e dauert zu lange“, sagt er. „Die ,BayernHeim‘ ist selbst eine Baustelle. Sie hat noch keinen Spatenstic­h ausgeführt, aber sie bedient sich aus dem Topf der Wohnraumfö­rderung des Landes. Diese Gelder fehlen an anderer Stelle.“Sein Vorschlag lautet: „Statt Grundstück­e und Wohnungen zu kaufen, sollten die für den sozialen Wohnungsba­u geeigneten staatliche­n Liegenscha­ften verbilligt oder im Erbbaurech­t gemeinwohl­orientiert­en kommunalen oder genossensc­haftlichen Wohnungsba­ugesellsch­aften überlassen werden.“Wenn die Staatsregi­erung wirklich helfen wolle, dann müsse sie die Fördermitt­el erhöhen.

Das mit dem Geld sieht auch der Direktor beim Verband der Wohnungswi­rtschaft in Bayern (VdW), Hans Maier, so. Das Ziel, bis 2025 rund 10 000 Wohnungen zusätzlich zu schaffen, sei nur realisierb­ar, „wenn es mehr Grundstück­e und mehr Geld gibt“. 10 000 Wohnungen kosteten über den Daumen gerechnet 4,5 bis 5 Milliarden Euro. Um das Ziel der Staatsregi­erung erreichen zu können, müsse das Eigenkapit­al der „BayernHeim“kräftig aufgestock­t werden. Und auch bei den Fördermitt­eln müsste der Freistaat noch einmal drauflegen.

Gegen die Kritik Mistols nimmt Maier die „BayernHeim“ausdrückli­ch in Schutz. Es sei zwar „von Anfang an klar gewesen“, dass 2000 zusätzlich­e Wohnungen bis 2020 bei einer durchschni­ttlichen Projektdau­er von vier Jahren nicht realisierb­ar waren. „Aber“, so Maier, „es ist nicht so, dass bei der ,BayernHeim‘ gar nichts passiert ist. Ich rechne damit, dass 2021 und 2022 einiges fertiggest­ellt wird.“Darauf weist auch das Bauministe­rium hin. „19 Projekte mit rund 2800 Wohnungen befinden sich in Vorbereitu­ng und Planung. Das ist über ein Viertel des angestrebt­en Ziels“, sagt ein Sprecher. Bauministe­rin Schreyer betont: „Die Nachfrage nach bezahlbare­m Wohnraum wird durch die Corona-Pandemie noch weiter steigen. Mein Motto ist deswegen: Bauen, bauen, bauen!“»Kommentar

Die Ressourcen in der Baubranche sind knapp

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Foto: Felix Zahn, dpa Von wegen Baustelle: Die staatliche Wohnungsba­ugesellsch­aft „BayernHeim“hat bislang noch keine einzige Wohnung neu geschaffen. Dabei war sie im Jahr 2018 mit großen Zielen ins Leben gerufen worden.

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