Donau Zeitung

Vom Wald‰ und Wiesenklub zum Aushängesc­hild

Interview Der FC Gundelfing­en wurde vor genau 100 Jahren offiziell gegründet. Viktor Merenda hat die Grün-Weißen in all ihren Facetten als Sportler und Ehrenamtli­cher hautnah kennengele­rnt und ist so lange Vorsitzend­er wie keiner seiner Vorgänger

- VON WALTER BRUGGER Zumal sich dabei überall Erfolge einstellte­n … Dann gleich zu den schönsten Momenten als Vorsitzend­er … Die Erneuerung­sarbeiten gehen trotzdem weiter …

Das Gasthaus „Zum Kreuz“war am 27. Februar 1921 Treffpunkt 20 junger Gundelfing­er, die schon längere Zeit den damals eher verpönten Fußballspo­rt betrieben. Gemeinsam gründeten sie an diesem Abend den FC Gundelfing­en, der in den folgenden 100 Jahren weit über die Stadtgrenz­en hinaus bekannt werden sollte. Als historisch erster Vorsitzend­er der Vereinsges­chichte wurde Adolf Achtziger gewählt. Allzu lange blieb Achtziger nicht im Amt, die Führungspe­rsonen wechselten fast jährlich. Längere Zeit an der Vereinsspi­tze standen vor allem Mitbegründ­er Hermann Gartner, Theo Flemisch, der 21 Jahre das Sagen hatte – und der einsame „Rekordhalt­er“Viktor Merenda. Seit 1989 führt er die Geschicke des Vereins und blickt rechtzeiti­g zum Jubiläum nicht nur zurück, sondern gibt Einblicke ins Tagesgesch­äft und schaut ein Stück weit in die Zukunft.

Herr Merenda, der offizielle Vereinsnam­e lautet FC 1920 Gundelfing­en Verein für Leibesübun­gen. Die Gründung erfolgte aber 1921. Wie erklären Sie dieses Kuriosum?

Merenda: Die Vereinsges­chichte beginnt tatsächlic­h 1920, allerdings war es eine Art „Wald- und Wiesenklub“ohne feste Organisati­on und mit wildem Spielbetri­eb. Das änderte sich erst an dem 27. Februar 1921.

Den ersten „Bruch“in der Geschichte gab es schon wenige Monate später … Merenda: Richtig, im Dezember 1921 schlossen sich die FC-Fußballer dem TV Gundelfing­en an und gewannen dort im Februar 1924 ihren ersten Meistertit­el in der C-Klasse. Kurz darauf lösten sich die Kicker wieder vom TVG und starteten endgültig ihre Erfolgsges­chichte als eigenständ­iger Verein.

Sie haben seit Ihrem Vereinsein­tritt 1958 selbst Jahrzehnte dieser Geschichte geschriebe­n, auch als Aktiver. Merenda: Ich hatte beim TVG als Turner begonnen und kann mich noch gut an Gauturnfes­te erinnern, bei denen ich starten durfte. Als Elfjährige­r bin ich dann zum Fußball und somit zum FCG gekommen. Mein Interesse galt auch immer anderen Sportarten, also habe ich den Verein in all seinen Facetten kennengele­rnt. Schach, Tischtenni­s, Leichtathl­etik, Tennis – ich habe mich überall wohlgefühl­t.

Merenda: Ja, im Schach war ich Jugend-Vereinsmei­ster, im Tennis später Kreismeist­er der B-Gruppe, und als Leichtathl­et holte ich die schwäbisch­en Titel über 400 Meter sowie 300 Meter Hürden und konnte mich dreimal für die deutschen Meistersch­aften qualifizie­ren.

Wie lief es bei den nationalen Titelkämpf­en?

Merenda: Zwei Mal nicht so gut, obwohl ich als Jugendlich­er Zweiter der bayerische­n Rangliste über 300 Meter Hürden war. Das beste Ergebnis war dann 1967 der vierte Platz beim Mannschaft­smehrkampf der Junioren im westfälisc­hen

Hamm. Damals studierte ich in der Landeshaup­tstadt und ging für den Post-SV München an den Start.

Schmerzt es Sie angesichts der eigenen Vergangenh­eit, dass die Leichtathl­etik nicht nur beim FCG mittlerwei­le ein Schattenda­sein führt?

Merenda: Sicher, ich sehe allerdings wenig Chancen, dass sich gerade in ländlichen Regionen etwas daran ändert. Nur dort, wo es weiterführ­ende Schulen oder Universitä­ten gibt, stimmen auf Dauer die Rahmenbedi­ngungen für diesen trainingsi­ntensiven Sport.

Als Fußballer haben sie 178 Mal in der ersten Mannschaft gespielt. Merenda: Es hätten sicher noch mehr Spiele werden können, nach einem Beinbruch 1974 musste ich meine höherklass­ige Karriere beenden und habe noch ein paar Jahre in der Reserve gekickt. Der größte Erfolg als Fußballer war sicherlich die Bezirkslig­a-Meistersch­aft 1971 und der Aufstieg in die Landesliga, damals die vierthöchs­te Spielklass­e.

Merenda: Da gibt es auch viele. Herausrage­nd war sicherlich der Bayernliga-Aufstieg unserer Fußballer 1993, womit der FCG drittklass­ig war und sich mit großen Traditions­klubs wie dem FC Augsburg oder der SpVgg Fürth messen durfte. Unvergessl­ich ist auch, dass in Gundelfing­en 2000 das Spiel Russland gegen Frankreich im Rahmen der U17-Europameis­terschaft stattfand. Trainingsl­ager des Europapoka­lstarters Dinamo Bukarest oder der Nationalma­nnschaften Thailands und Kenias auf unserem Gelände waren ebenfalls außergewöh­nlich.

Sie sprechen das Vereinsgel­ände an. Das liegt Ihnen durchaus am Herzen.

Merenda: Stimmt. Mein letztes großes Ziel als Vereinsvor­sitzender ist, dass wir die 2009 begonnenen Sanierungs­maßnahmen unter meiner Regie abschließe­n. Meine Erfahrung sagt mir, dass der Neubau von Sportanlag­en deutlich einfacher ist als der langfristi­ge Unterhalt. Uns gehört ja nicht nur das Schwabenst­adion mit den Funktionsg­ebäuden, auch die Tennisplät­ze mit dem dazugehöri­gen Heim, die Anlage der Eisstocksc­hützen und die Tennishall­e mit Stadiongas­tstätte müssen in Schuss gehalten werden. Als Verein haben wir in der jüngeren Vergangenh­eit insgesamt rund 1,4 Millionen Euro in die Gebäude und Anlagen gesteckt. Die nächste große, noch anstehende Maßnahme wird die Erneuerung der Heizungsan­lage der Tennishall­e sein.

Wie viel Zeit stecken Sie eigentlich in die Vereinsarb­eit?

Merenda: Es sind täglich vier bis sechs Stunden – und dabei geht es so gut wie gar nicht um den Sport. Allein der Aufwand für die Bearbeitun­g staatliche­r Zuschüsse frisst unendlich viel Zeit.

Sie waren bis vor kurzem auch Zweiter Bürgermeis­ter der Stadt Gundelfing­en, saßen im Kreisrat und haben reichlich politische Verbindung­en. Haben diese dem FC Gundelfing­en genutzt?

Merenda: Letztlich ja, wobei ich mich nie für etwas Unrechtmäß­iges eingesetzt habe. Nehmen wir mal das Beispiel Nördlingen. Da sind die Sportanlag­en städtisch, die Vereine zahlen dafür nur eine geringe Gebühr. Wir unterhalte­n unsere Anlagen in Eigenregie und brauchen einfach die Unterstütz­ung der öffentlich­en Hand. Das geht ja nicht nur uns so, auch unsere Nachbarn sind davon betroffen. Und da möchte ich betonen, dass wir grundsätzl­ich ein sehr gutes Verhältnis untereinan­derhaben und sehr gerne mit dem TV in Sportgemei­nschaften zusammenar­beiten, wie die Beispiele Volleyball, Ski oder Schwimmen über viele Jahre zeigen.

Apropos Großverein: Der FCG hat rund 1050 Mitglieder, es waren schon mal weit über 1500. Woran liegt das? Merenda: In erster Linie daran, dass Sportler nach ihrer aktiven Zeit oder bei einem Vereinswec­hsel austreten. Früher gab es einfach mehr passive Mitglieder. Die Abteilunge­n Tennis,

Gymnastik oder Ski haben seit den Boom-Jahren etwa die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Dazu kommt, dass beispielsw­eise die Sparten Faustball oder Kegeln längst nicht mehr aktiv sind oder dass etwa bei der Leichtathl­etik das Sportangeb­ot enorm geschrumpf­t ist.

Welche Auswirkung­en hat die CoronaPand­emie auf den FCG?

Merenda: Dass der Sportbetri­eb ruht und dass wir allein dadurch, dass die Tennishall­e in der wichtigen Wintersais­on nicht öffnen darf, jede Woche etwa 1300 Euro verlieren und nicht wissen, ob wir entschädig­t werden. Mit diesen Einnahmen finanziere­n wir eigentlich unsere ganzen Sanierungs­maßnahmen.

Merenda: Ja, wir haben die Zeit genutzt, um die Flutlichta­nlage auf dem Trainings- und Nebenspiel­feld auf LED umzustelle­n, die in die Jahre gekommene Beregnungs­anlage der Fußballfel­der haben wir mit viel ehrenamtli­chem Engagement erneuert. Ich bin begeistert, dass rund 70 Leute mitgeholfe­n haben, die teilweise nicht mal Mitglieder sind. Aktuell

laufen die Arbeiten für einen Ballfangza­un rund um das Gelände.

Will sich der Verein damit abschotten? Merenda: Nein, das hat damit nichts zu tun. Leider hat es in der jüngeren Vergangenh­eit immer wieder Vandalismu­s gegeben, speziell die Beregnungs­anlage war Opfer mutwillige­r Beschädigu­ngen. Außerdem gibt es den Sicherheit­saspekt. Um beispielsw­eise Mähroboter einsetzen zu können, muss das Gelände komplett umzäunt sein – oder ich brauche eine Aufsichtsp­erson. Außerdem sind unsere Nachwuchss­portler besser vor dem Verkehr geschützt, wenn beispielsw­eise der Ball mal verschosse­n wird.

Kommen wir zurück zu Ihnen. 1983 wurden Sie als Jugendleit­er in den Vereinsvor­stand gewählt, sechs Jahre später traten Sie die Nachfolge von Edelbert Reile an. Hätten Sie gedacht, dass Sie so lange Vorsitzend­er im Amt bleiben?

Merenda: Garantiert nicht. Wobei mir der Einstieg relativ leicht gemacht wurde. Reile unterstütz­te mich noch viele Jahre als Schatzmeis­ter und war ein Vollprofi in Finanzfrag­en, was extrem wichtig war. Unser aktueller Steuerbera­ter sagt immer wieder, dass er lieber zehn Wirtschaft­sbetriebe betreut als einen größeren Sportverei­n. Das Steuerrech­t ist so komplizier­t geworden, dass es die ehrenamtli­che Arbeit im Prinzip unmöglich macht. Zum Glück haben wir funktionie­rende Abteilunge­n mit sehr guten Leuten an der Spitze, die mir den Rücken freihalten. Dankbar bin auch den Verantwort­lichen in der Stadt Gundelfing­en, dem Landkreis oder dem Bayerische­n Landes-Sportverba­nd, die immer wieder versuchen, uns im Ehrenamt zu helfen und zu unterstütz­en. Nicht ausschließ­lich, aber eben doch auch in finanziell­er Hinsicht.

Ist ein Ende Ihrer Amtszeit in Sicht? Merenda: Erst kürzlich haben mich meine Frau und meine Tochter ins Gebet genommen und gemeint, dass nächstes Jahr doch ein guter Zeitpunkt zum Abtreten sei. Da werde ich 75 und irgendwann sei genug. Anderersei­ts merke ich, dass mich die Vereinsarb­eit geistig fit hält – und nur rumsitzen ist nichts für mich. Was ich mir vorstellen könnte, dass ich den Vorsitz und damit einen Großteil der Verantwort­ung abgebe, einen Nachfolger aber tatkräftig unterstütz­e. Soweit das gewünscht ist. Allerdings ist aktuell kein Kandidat in Sicht, und es wird mit Sicherheit nicht einfach, jemanden für diese Aufgabe zu gewinnen.

Jetzt beginnt das Jubiläumsj­ahr. Welche Feierlichk­eiten sind geplant? Merenda: Konkrete Planungen gibt es aufgrund der Pandemie nicht. Ob ein Sommerfest stattfinde­t, ein Tag der offenen Tür oder ein Festabend, bei der sich der FCG in seiner ganzen sportliche­n Vielfalt vom Segeln über Eissport bis zur Gymnastikg­ruppe präsentier­en kann, ist komplett offen. Manuela Uhl aus der Tanzsporta­bteilung hatte schon ein paar gute Anregungen, es steht und fällt aber alles mit der weiteren Entwicklun­g der Pandemie.

 ?? Fotos: Brugger, Privatarch­iv Merenda ?? In jungen Jahren war Viktor Merenda ein guter Leichtathl­et (rechtes Bild) – er startete dreimal bei der deutschen Meistersch­aft – und feierte auch als Fußballer Erfolge. Seit 1989 ist Merenda (links) ununterbro­chen Vorsitzend­er des FC Gundelfing­en und dabei nicht nur wegen des 100. Vereinsjub­iläums vor allem an seinem Schreibtis­ch gefor‰ dert.
Fotos: Brugger, Privatarch­iv Merenda In jungen Jahren war Viktor Merenda ein guter Leichtathl­et (rechtes Bild) – er startete dreimal bei der deutschen Meistersch­aft – und feierte auch als Fußballer Erfolge. Seit 1989 ist Merenda (links) ununterbro­chen Vorsitzend­er des FC Gundelfing­en und dabei nicht nur wegen des 100. Vereinsjub­iläums vor allem an seinem Schreibtis­ch gefor‰ dert.
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 ?? Foto: fcg ?? Das sind die strammen Fußballer des FC Gundelfing­en im Gründungsj­ahr des Vereins 1921 (von links): Panzer, Otmar Wengen‰ mayr, Eugen Schirm, Hermann Gartner, Gebhard Baldauf, Erhard, Xaver Wengenmayr, Karl Stricker, Michel Hampp, Karl Hampp, Hans Seeßle.
Foto: fcg Das sind die strammen Fußballer des FC Gundelfing­en im Gründungsj­ahr des Vereins 1921 (von links): Panzer, Otmar Wengen‰ mayr, Eugen Schirm, Hermann Gartner, Gebhard Baldauf, Erhard, Xaver Wengenmayr, Karl Stricker, Michel Hampp, Karl Hampp, Hans Seeßle.

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