Donauwoerther Zeitung

„Theater wird sich immer aufrappeln“

Schauspiel Dieter Dorn, legendär durch seine Münchner Inszenieru­ngen, ist ein bekennende­r Regie-Konservati­ver. Entspreche­nd fällt seine Einschätzu­ng aktueller Entwicklun­gen aus

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In der Theaterlan­dschaft ist derzeit vieles im Umbruch. Matthias Lilienthal ist neuer Intendant der Münchner Kammerspie­le. An der Berliner Volksbühne wird Chris Dercon übernehmen. Wie ist es Ihrer Ansicht nach um das Theater bestellt?

Theater ist auch immer ein modisches Instrument. Ich gehe nicht oft ins Theater, sondern konzentrie­re mich auf meine Arbeit. Wenn etwas toll ist, ist man deprimiert, weil man selbst nicht so gut ist. Und wenn etwas schlecht ist, würde man am liebsten den Beruf wechseln. Bei den Intendante­nbesetzung­en ist es ja so – ob nun Lilienthal in München oder Dercon in Berlin –, dass es immer mehr in Richtung Eventtheat­er geht. Die gemeinsame Arbeit mit einem festen Ensemble über längere Zeit ist ja nur noch die Ausnahme.

Fehlen Ihnen heute im Theater die Werktreue und der Respekt vor dem Autor?

Theater hat ursprüngli­ch die Tendenz zu bewahren, die Sprache zu bewahren, aktuelle Themen an eine Geschichte zu binden. Ein Autor hat eine Vision, eine Weltsicht. Und es ist die Aufgabe des Theaters, dieser nachzuspür­en, Widersprüc­he zu entdecken – und das nicht mit den eigenen Obsessione­n, sondern mit denen des Autors. Man darf die Figuren nicht verraten. All das wird heute nur noch wenig gesehen.

Inwiefern?

Die Sprache wird nicht gehütet, sondern zurechtges­chnitten und gestutzt. Man fleddert den Autor, nimmt nur das, was man für aktuell hält. Das soll aber keine Klage sein eines alten Opas, dass früher alles besser war. Sondern es ist der Versuch, eine aktuelle Tendenz zu sehen. Das Theater müsste sich wieder auf sich selbst besinnen und nicht den Events und den Medien hinterherl­aufen.

Die aktuelle Tendenz im Theater, von der Sie sprechen, kann ja nur so lange funktionie­ren, solange das Publikum ins Theater geht.

Viele Menschen haben kein Bewusstsei­n dafür, sie nehmen das einfach hin. Die mittlere und ältere Generation macht sich zwar so ihre Gedanken, die Theater zielen heute aber auf die Jungen ab. Aber man muss ja nicht das, was sie den ganzen Tag schon im Internet und Handy sehen, auch noch überbieten wollen. Theater muss nicht oberflächl­ich unterhalte­n. Dafür gibt es ja das Fernsehen.

Ist das Theater also in Gefahr?

Das Theater ist nicht unterzukri­egen, es wird sich immer wieder aufrappeln. Ob das System des Stadttheat­ers zu halten sein wird, weiß ich nicht.

Sie inszeniere­n in Berlin gerade „La Traviata“. Heißt das, dass Sie sich nun auf Ihre zweite Leidenscha­ft konzentrie­ren, die Oper?

Die Oper ist schwierige­r, aber wenn sie gelingt, ist sie dem Schauspiel überlegen. Durch die Musik hat sie eine andere Wirkung als das Schauspiel. Es ist mühsam und schwierig, sich mit der Partitur und gegen die Partitur zu bewegen. Oper ist fragil, braucht Zeit und verdient Subvention. Die Geldgeber erwarten aber einen schnellen Erfolg und einen großen Namen – was der macht, ist egal, denn nach zwei Jahren kommt ein Neuer. Es braucht mehr Mut, denen, die Oper machen, Zeit zu lassen.

Sie stehen kurz vor dem 80. Geburtstag. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?

Nichts. So lange ich arbeiten kann, ist es in Ordnung. Und es macht Spaß, wenn Leute überrascht sind und sagen: Was, so alt bist du schon? Der Beruf hört mit dem Alter ja nicht auf. Gute Schauspiel­er werden mit dem Alter noch besser. Es ist ein Privileg, sich in diesem schwierige­n Beruf ein Leben lang ernähren zu können, ohne einen Kompromiss machen zu müssen. Ich musste nie Kompromiss­e machen.

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Foto: Tobias Hase, dpa Der Beruf hört mit dem Alter nicht auf, sagt Dieter Dorn, der seinem 80. Geburtstag entgegensi­eht.

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