Donauwoerther Zeitung

Warum musste Mohamed sterben?

Bluttat Vor vier Wochen verschwand der vierjährig­e Flüchtling­s-Bub aus einer Registrier­ungsstelle in Berlin. Jetzt hat ein Mann die Tat gestanden – und der Polizei die Kinderleic­he präsentier­t

- Berlin

Das Video aus der Überwachun­gskamera ist neun Sekunden lang. Ein Mann mit Tüte und Teddybär ist darauf zu sehen, an seiner Hand der kleine Mohamed. Das war das letzte Lebenszeic­hen des vierjährig­en Flüchtling­s-Buben, der vor vier Wochen in Berlin verschwand. Am Donnerstag kam die traurige Nachricht: Mohamed ist tot. Die Polizei fand im Auto eines Verdächtig­en die Leiche eines Kindes.

Über Wochen bewegte das Schicksal des Jungen mit den großen braunen Augen die Berliner – besonders wegen der Bilder aus der Überwachun­gskamera und weil er an der überfüllte­n Registrier­ungsstelle für Flüchtling­e verschwand. Der mutmaßlich­e Täter schlug vor der Behörde in Moabit zu, an der täglich hunderte Menschen warten. Dort geht es oft chaotisch zu, im Gedränge verliert man sich schnell.

Die Mordkommis­sion ermittelte, durchsucht­e die Umgebung, befragte Anwohner und Passanten. Hunderte von Hinweisen gingen ein, auch ein Hafengelän­de in der Nähe wurde durchsucht. Gefahndet wurde nach einem Täter, der „mitteleu- ropäisch“aussieht, zwischen 35 und 50 Jahre alt ist, ein Brillenträ­ger mit Geheimrats­ecken.

Anfang der Woche veröffentl­ichte die Polizei neue Bilder, die von der Kamera eines Lokals in der Nähe kommen sollen. Darauf ist ein bärtiger Mann mit hellem Pullover und Plastiktüt­e deutlich zu sehen. „Wer den Mann kennt, der erkennt ihn auch auf den Bildern“, sagte ein Polizeispr­echer.

Die Familie von Mohamed kommt aus Bosnien-Herzegowin­a, der Bub hat zwei Geschwiste­r. „Ich hatte meine Kinder die ganze Zeit im Auge“, sagte die Mutter dem Fernsehsen­der n-tv. Als sie eine Wartenumme­r gezogen habe, sei der Kleine auf einmal weggewesen. „Ich habe überall gesucht, doch ihn nicht gefunden.“

Auf dem Videofilm ist zu sehen, wie Mohamed das Gelände des Landesamte­s für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) um 14.40 Uhr mit dem Mann verlässt. Um 16.30 Uhr habe seine Mutter ihn vermisst gemeldet, hieß es von der Polizei. Eine Stunde später habe die Kripo bereits das Gelände abgesucht.

Jetzt meldete sich die Mutter eines 32-jährigen Brandenbur­gers bei der Polizei. Ihr Sohn habe ihr die Tat gestanden, erklärte sie den Beamten. Der Mann wohnt in Niedergörs­dorf in der Nähe von Jüterbog im Haus seiner Mutter. Als die Ermittler am Donnerstag­vormittag vor seiner Tür standen, habe er auch den Beamten gegenüber „spontan gestanden“, hieß es. Es sei „ruhig, gefasst und kooperativ“gewesen. Und er zeigte den Ermittlern, wo die Leiche des Buben lag: im Kofferraum seines Autos, in eine Wanne gebettet und mit Katzenstre­u überdeckt. Die Polizisten nahmen ihn fest. Der Mann sei polizeilic­h bislang „völlig unauffälli­g“gewesen, hieß es.

Letzte Gewissheit darüber, ob es sich bei der Kinderleic­he um Mohamed handelt, sollte eine Obduktion bringen. Das Ergebnis stand bis Redaktions­schluss noch nicht fest. Auch über das Motiv des Täters war zunächst nichts bekannt. Anhaltspun­kte für einen ausländerf­eindlichen Hintergrun­d gebe es nicht, erklärte die Polizei gestern bei einer Pressekonf­erenz. Ob der Tötung des Buben ein Sexualdeli­kt vorangegan­gen sei, war noch unklar. Der Tod des Kindes liege schon einige Zeit zurück.

Berlins Integratio­nssenatori­n Dilek Kolat (SPD) schrieb in einer ersten Reaktion, die Tat sei unvorstell­bar grausam und menschenve­rachtend. „Die Familie ist aus dem Bürgerkrie­g geflüchtet, um in Deutschlan­d Schutz zu finden – nun ist ihr Kind hier in Berlin getötet worden.“

Bei den Menschen am LaGeSo löste die Nachricht große Trauer aus. Die Helfer seien alle nach Hause geschickt worden, hieß es beim Verein Moabit hilft. Der Vorsitzend­e László Hubert war den Tränen nahe. „Ich kann nur diesem schrecklic­hen Mann die Hölle wünschen.“Vorwürfe gegen die Behörden wollte er nicht machen, der Fall solle nicht instrument­alisiert werden.

„Die Familie ist aus dem Bürgerkrie­g geflüchtet – nun ist ihr Kind hier in Berlin getötet worden.“

Berlins Integratio­nssenatori­n Dilek Kolat

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Foto: dpa Phil Collins will seinen Kindern zeigen, was Papa noch kann.

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