Donauwoerther Zeitung

Bier auf Wein, das lass sein?

Feiern Ein Experte erklärt, ab wie vielen Gläsern Alkohol man richtig betrunken ist und ob dann Gehirnzell­en absterben

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Bier auf Wein, das lass sein – ist da was dran? Darius Chahmoradi Tabatabai: Was man zuerst trinkt, spielt keine Rolle. Es geht immer um die Menge. Wein reizt den Magen mehr durch die höhere Alkoholkon­zentration. Von Schnaps ganz zu schweigen. Und die Kombinatio­n aus allem kann Übelkeit beschleuni­gen.

Wie viele Gläser Wein, Bier oder Schnaps muss ein Erwachsene­r trinken, um sich auszuhebel­n? Tabatabai: Die Verträglic­hkeit ist individuel­l. Es gibt Menschen, die nach zwei Gläsern Wein richtig einen im Tee haben. Andere merken da noch gar nichts. Viele sind aber überrascht, wie niedrig risikoarme Mengen angesetzt sind. Bei Frauen ist das ein Glas Wein, bei Männern sind es zwei – bei mindestens zwei alkoholfre­ien Tagen in der Woche.

Im Rheinland heißen Babys, die neun Monate nach dem närrischen Ausnahmezu­stand geboren werden, Karnevalsk­inder. Sind sie gefährdete­r, wenn sie von einem stark betrunkene­n Paar gezeugt wurden? Tabatabai: Ja, da ist die Studienlag­e recht klar. Das Risiko für Fehlgeburt­en und Schädigung­en dieser Kinder ist erhöht. Auch während der Schwangers­chaft erhöhen bereits geringe Mengen Alkohol Fehlbildun­gsrisiken. Deshalb sollten Schwangere im Karneval keine Ausnahme machen. Der totale Absturz – wie viele Gehirnzell­en kostet das? Tabatabai: Es gibt keine Formel. Alkohol ist ein Nervengift, das einzelne Zellen negativ beeinfluss­en kann. Bis hin zur Zerstörung. Es ist ebenfalls genetisch bedingt, wie viele nervenschü­tzende Faktoren ein Mensch hat. Es spielt auch eine Rolle, ob Erkrankung­en angelegt sind. Wer zum Beispiel familiär belastet ist, später eine Demenz zu entwickeln, für den können wiederholt­e Alkoholexz­esse mehr ins Gewicht fallen als für andere. Ein Vollrausch ist trotzdem immer eine Belastung für das Gehirn.

Was passiert dann genau im Hirn? Tabatabai: Im Grunde ist das wie eine Narkose. Auch häufige Operatione­n sind ja nicht günstig, weil jede Narkose Stress für das Gehirn darstellt. Der Rausch an Karneval hat eine gesellscha­ftliche Akzeptanz. Und ein einzelner Rausch in der Summe des Lebens ist sicher nicht gefährlich. Doch da hängt ja mehr dran.

Was? Tabatabai: Viele Menschen machen sich die Risiken des Kontrollve­rlusts nicht klar. Da geht es nicht nur um gestohlene Brieftasch­en. Es geht um Verkehrsun­fälle, um schwere Körperverl­etzungen und auch Vergewalti­gungen kommen vor. Es gibt auch Alkoholver­giftungen, die tödlich enden. Nicht nur bei Teenagern, die bei diesem Thema unsere besondere Aufmerksam­keit brauchen. Auch Erwachsene verschätze­n sich.

Ist der Kater am Morgen danach bereits ein Anzeichen einer kleinen Alkoholver­giftung? Tabatabai: Im Grunde ja. Das ist eine Warnung des Körpers: Mach das bitte nicht mehr, das vertrag ich nicht. Es gibt Menschen, die kriegen keinen Kater. Statistisc­h gesehen haben sie ein höheres Risiko, Probleme mit Alkohol zu bekommen.

 ??  ?? Darius Chahmoradi Taba tabai ist Psychiater und Suchtexper­te und Chefarzt am Berliner Vivantes Au guste Viktoria Klinikum.
Darius Chahmoradi Taba tabai ist Psychiater und Suchtexper­te und Chefarzt am Berliner Vivantes Au guste Viktoria Klinikum.

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