Donauwoerther Zeitung

Traumhafte Flucht

Neruda Pablo Larraín feiert Chiles Dichter

- VON GÜNTER H. JEKUBZIK

Wieder exzellent folgt kurz nach dem Kennedy-Porträt „Jackie“von Pablo Larraín („El Club“, „No!“) das Biopic „Neruda“: Der chilenisch­e Dichter und Politiker Pablo Neruda (1904–1973) war bereits in den 30er Jahren als Konsul in Europa und floh 1936 vor den Putschiste­n Francos aus Madrid. Als er 1946 den Präsidente­n González Videla heftig angriff, konnte der Dichter in letzter Minute sein Haus verlassen und wechselte anderthalb Jahre lang auf der Flucht fast täglich die Wohnung, bevor er die Grenze nach Argentinie­n überqueren konnte.

Regisseur Pablo Larraín macht aus dieser Flucht-Periode mit viel dichterisc­her Freiheit ein Katzund-Maus-Spiel, bei dem der Dichter Neruda (Luis Gnecco) selbst die Spuren legt. In der Wohnung hinterläss­t er ein Buch mit Widmung für den Spürhund Óscar Peluchonne­au (Gael García Bernal), den uneheliche­n Sohn des größten Polizisten des Landes. Mit besonders heldenhaft­em Ernst geht dieser Polizist vor, denn die schöne Geschichte wird ja auch von ihm selbst erzählt, der eine heimliche Ader für die Poesie hat. Neruda liest derweil Krimis, „sie helfen mir zu vergessen, dass die Polizei hinter mir her ist.“

Daraus ergeben sich fantastisc­he Szenen im doppelten Sinne. Die Gespräche springen mitten im Dialog von einem Ort zum nächsten, zum verlassene­n Parlament, in den pompösen Palast des Präsidente­n, den Neruda als Verräter bloßstellt­e. Der Rede von Pablo Picasso zur Verteidigu­ng seines Freundes folgt einer der Bordell-Besuche Nerudas, wo er sich bei einer schönen Travestie vor den Verfolgern als Frau verkleidet.

Larraín wollte „einen Roman erzählen, von dem wir gerne hätten, dass Neruda ihn mit Vergnügen liest“. Sein Film ist ein ungemein spannendes Duell zwischen Neruda und „seinem“Polizisten, der am Ende verwinden muss, selbst nur eine Fiktion Nerudas zu sein. Da, bei der entscheide­nden Begegnung, ist die Flucht für Neruda längst eine traumhafte Reise durch die Landschaft­en Chiles geworden. ****

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