„Im Karneval habe ich viel für die Politik gelernt“
Titel Thema Der CDU-Politiker und einstige Faschingsprinz Wolfgang Bosbach spricht über Humor in der Politik
Herr Bosbach, Sie werden am Rosenmontag im fränkischen Kitzingen mit einem Faschingsorden für Ihren Humor geehrt. Ziehen Sie sich auch deshalb aus dem Bundestag zurück, weil die Politik immer humorloser wird? Wolfgang Bosbach: Nein. Obwohl ich leider feststellen muss: Der Umzug von Bonn nach Berlin hat auch dazu geführt, dass man etwas weiter von der rheinischen Fröhlichkeit entfernt ist. Wenn die Dreigestirne in Bonn ganz selbstverständlich den Plenarsaal besucht haben, war das ein Höhepunkt des parlamentarischen Betriebes. Wenn die Dreigestirne in Berlin versuchen würden, in den Plenarsaal des Reichstags zu kommen, würde die Bundestagsverwaltung die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Gibt es Kollegen von der Opposition, die in Sachen Humor mit Ihnen seelenverwandt sind? Bosbach: Ich hatte mal einen karnevalistischen Auftritt zusammen mit Gregor Gysi, der in Aachen soeben den „Orden wider den tierischen Ernst“bekommen hat. Wir beide waren Angeklagte beim närrischen Gerichtshof in Recklinghausen. Da ich der Angeklagte des Jahres davor war, musste ich ihn im Jahr darauf verteidigen. Das war ein wirklich munterer gemeinsamer karnevalistischer Auftritt: er als Angeklagter und ich als sein Strafverteidiger. Ergebnis: Trotz Bedenken des Gerichtes Freispruch! Mit Joschka Fischer konnte ich mich politisch-inhaltlich gut streiten, ich habe ihm immer gerne zugehört, auch weil ihm Ironie nicht fremd war. Obwohl ich weiß, dass Ironie in der Politik ganz, ganz schwierig ist, weil man leicht missverstanden werden kann. Aber es gibt auch ein weit verbreitetes Missverständnis außerhalb des Rheinlandes, nämlich, dass Humor und Fleiß sich ausschließen. Wer humorvoll daherkommt, gerät schnell in Verdacht, oberflächlich und zu ernster Arbeit nur begrenzt fähig zu sein.
Ist das ein Grund, warum Bundeskanzlerin Merkel ungern in der Öffentlichkeit Humor zeigt? Bosbach: Wer Angela Merkel jemals aus der Nähe erlebt hat, weiß, dass sie ausgesprochen humorvoll, witzig und schlagfertig ist. Bei allen öffentlichen Auftritten versucht sie jedoch diesen Eindruck zu vermeiden. In Bundestagsdebatten ist sie immer betont ernst, auch sehr seriös staatstragend. Vielleicht muss sie das als Kanzlerin auch sein.
Sie waren über 20 Jahre Präsident der Karnevalsgesellschaft „Große Gladbacher“, aber nie Minister. Hat Ihnen Ihre lockere Art hier geschadet? Bosbach: Ich hoffe nicht, aber ich kann es auch nicht ausschließen. Bei uns im Rheinland sagt man: Respekt, der ist Präsident einer Karnevalsgesellschaft! Andernorts würde man sagen: Um Gottes willen, der ist ja Karnevalspräsident, wie kann der denn ernsthaft politisch arbeiten? Aber ich bin dennoch nicht bereit, mein karnevalistisches Engagement zu leugnen, nur um politisch weiter Karriere zu machen. Wahrscheinlich hat es den einen oder anderen gestört, dass ich offen gesagt habe, was ich für richtig halte und dass ich lieber den geraden Weg gehe, als Pirouetten zu drehen.
Vor 40 Jahren waren Sie Karnevalsprinz. Welche Erfahrung aus dieser Zeit hat in der Politik geholfen? Bosbach: Zum einen das Zugehen auf Menschen in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit, in ihrer ganzen Vielfalt. Weder als Prinz noch als Politiker darf man sich davor scheuen. Und in beiden Disziplinen geht es nicht nur darum, möglichst unfallfrei reden zu können, sondern man muss auch gut zuhören. Hinzu kommt die freie Rede: Im Karneval habe ich sie gelernt, ich hatte schon damals als Prinz Wolfgang I. und später als Präsident keinen Zettel in der Hand, wenn ich etwas gesagt habe. Mit Ausnahme voluminöser Listen von Ehrengästen, die man begrüßen und von denen man auf gar keinen Fall auch nur einen vergessen durfte.
Ihre Biografin hat erklärt, dass es Ihnen am besten geht, wenn Sie arbeiten, und dass Sie müde werden, sobald Sie Ruhe haben. Da gilt es, das richtige Maß zu finden, oder? Bosbach: Richtig. Ich werde künftig wieder mehr in meinem Beruf als Rechtsanwalt arbeiten. Aber ich möchte nicht von einem Hamsterrad ins nächste umsteigen – es müssen nicht immer 60 oder 70 Wochenstunden sein. Richtig ist, dass mich Arbeit auch ablenkt von meinen Erkrankungen. Ich leide aufgrund meiner Krebstherapie unter chronischer Müdigkeit, die ich im Alltag nicht so merke wie in der Ruhephase am Wochenende. Es muss auch nicht weiterhin unbedingt politische Arbeit sein. Ich habe zum ersten Mal in 23 Jahren Bundestag mit meiner Frau 14 Tage Urlaub am Stück gemacht. Das war für mich eine neue – und eine sehr schöne – Erfahrung.
Interview: Norbert Hohler
Zur Person Wolfgang Bosbach, 64, aus Bergisch Gladbach war nach der mittleren Reife zunächst Supermarktleiter. Er holte auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach, studierte Jura und wurde Rechtsanwalt. Mit seiner Frau Sabine hat er drei Töchter. 1994 wurde er in den Bundestag gewählt. Bis 2015 war der CDU Politiker Vorsitzender des Innenaus schusses. Am Rosenmontag erhält Bos bach in Kitzingen den Schlappmaulorden.