Donauwoerther Zeitung

Reporter muss in U Haft

Türkei Dem deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel drohen mehrere Jahre Gefängnis. Die Vorwürfe gegen ihn sind äußerst fragwürdig

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel ist gestern Abend in Istanbul in Untersuchu­ngshaft genommen worden. Nach mehrstündi­gen Vernehmung­en des Korrespond­enten der Welt durch die Staatsanwa­ltschaft erließ der zuständige Richter Haftbefehl. Grund sind offenbar Artikel des Reporters über die kurdische Arbeiterpa­rtei PKK, die von der Türkei als terroristi­sche Vereinigun­g eingestuft wird. Yücel würden „Propaganda für eine terroristi­sche Vereinigun­g und Aufwiegelu­ng der Bevölkerun­g“vorgeworfe­n, berichtet die Welt. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm mehrere Jahre Haft.

Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel sprach in einer ersten Reaktion von einer „viel zu harten und deshalb auch unangemess­enen Entscheidu­ng“. Die Bundesregi­erung werde sich mit Nachdruck für Yücels Freilassun­g einsetzen. „Das sind dramatisch­e Zeiten für die Türkei, es sind auch schwierige Zeiten für die deutsch-türkischen Beziehunge­n“, teilte Gabriel mit. Auch die Kanzlerin meldete sich am Abend zu Wort. Die Entscheidu­ng des Haftrichte­rs bezeichnet­e Angela Merkel als „bitter und enttäusche­nd“. Sie erwarte, „dass die türkische Justiz in ihrer Behandlung des Falles Yücel den hohen Wert der Pressefrei­heit für jede demokratis­che Gesellscha­ft berücksich­tigt“.

Der 43-Jährige hatte sich am 14. Februar der Polizei gestellt. Vier Tage dürfen Verdächtig­e in der Türkei in Polizeigew­ahrsam gesperrt werden – normalerwe­ise. Doch normal sind die Zeiten in der Türkei nicht mehr; seit Juli herrscht der Ausnahmezu­stand. Derzeit liegt die maximale Dauer des Polizeigew­ahrsams bei 14 Tagen – und im Fall von Yücel haben die Behörden die Frist fast voll ausgereizt.

Die Nachrichte­nagentur Anadolu meldete, im Haftantrag sei es um ein Interview Yücels mit dem PKKKommand­eur Cemil Bayik gegangen. Damit habe der Journalist die Bemühungen um eine Legalisier­ung der Rebellengr­uppe unterstütz­t und die Aktionen türkischer Sicherheit­skräfte gegen die PKK in ein schlechtes Licht gerückt. Zudem habe er in einem Bericht aus dem Kurdengebi­et die Ermordung eines Kurden durch türkische Sicherheit­skräfte erwähnt und damit zur Festigung der Gegensätze zwischen Türken und Kurden in einer Weise beigetrage­n, die die Grenzen der Pressefrei­heit überschrit­ten habe.

Unter Terrorverd­acht sitzen Dutzende türkische Journalist­en in U-Haft. Wie fragwürdig die Vorwürfe sind, zeigt nicht zuletzt der Fall Yücel – dessen Artikel nach deutschen Maßstäben mit Terrorprop­aganda nichts zu tun haben. Der Journalist aus Hessen ist der erste deutsche Korrespond­ent, der in der Türkei in U-Haft gesperrt wird, seit Recep Tayyip Erdogan die Geschicke des Landes lenkt.

Ende 2014 hatte Erdogan noch verkündet: „Die Medien sind nirgendwo auf der Welt freier als in der Türkei.“Heute liegt die Türkei auf der Rangliste der Pressefrei­heit von „Reporter ohne Grenzen“auf Platz 151, zwischen Tadschikis­tan und der Demokratis­chen Republik Kongo. Nirgendwo auf der Welt sind inzwischen mehr Journalist­en eingesperr­t als in der Türkei.

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Foto: dpa Deniz Yücel ist Korrespond­ent der Zei tung „Die Welt“.

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