Donauwoerther Zeitung

„Zu viele Krimis im Fernsehen“

Interview Dominic Raacke (58) ist in Ulm aufgewachs­en und hasst Camping. Der Schauspiel­er ist derzeit in dem ZDF-Dreiteiler „Honigfraue­n“zu sehen

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Der Berliner Tatort mit Ihnen und Boris Aljinovic wurde 2014 eingestell­t. Sie sagten danach, es gebe im Fernsehen zu viele Krimis. War das gekränkte Eitelkeit? Dominic Raacke: Nein, überhaupt nicht. Aber ich finde, wir haben tatsächlic­h zu viele Krimis im Fernsehen. Ich habe manchmal das Gefühl, selber fast nur noch Krimis zu drehen. Das Format „Tatort“ist aber toll, weil es so viele verschiede­ne Versionen davon gibt. Da regt man sich über die eine Folge auf und findet die nächste wieder wunderbar. Das ist nicht wie ein Derrick, der dann mit dem Hauptdarst­eller stirbt. Das ist ein System, das sich selbst erneuert.

Aktuell spielen Sie in dem TV-Dreiteiler „Honigfraue­n“, ein Ost-WestDrama, mit, das 1986 am ungarische­n Plattensee spielt. Zwei Mädchen aus der DDR erleben da den Sommer ihres Lebens. Sie selbst mimen einen Camper. Was ist Ihre Rolle im Film? Raacke: Ich spiele einen Typen, bei dem man sich zuerst nicht so genau auskennt. Die beiden DDR-Mädchen wissen nicht: Ist das nun ein alter Spanner, der sie nur begaffen will, oder ist der von der Stasi. Später stellt sich heraus, dass ich der Vater von einem dieser Mädchen bin, der kurz vor dem Bau der Mauer aus der DDR abgehauen ist. Am Plattensee kommt es dann zu einem überrasche­nden Treffen zwischen Eltern und Tochter. Ich bin sozusagen der Stein des Anstoßes für ein Familiendr­ama.

Nur zum besseren Verständni­s: Was sind eigentlich „Honigfraue­n“? Raacke: Das hat man mir erklärt, aber ich habe es immer noch nicht ganz verstanden. Ich glaube, man meinte damit junge Frauen, die süß wie Honig sind und sich aufbrezeln, um Männer aus dem Westen kennenzule­rnen.

Sind Sie auch privat ambitionie­rter Camper mit Schlafsack und Gaskocher, den eine Liebe zu Ameisen treibt? Raacke: Ich hasse Camping!

Warum das denn? Raacke: Weil ich es schrecklic­h finde. Ich habe in der Kindheit keine guten Erfahrunge­n damit gemacht, habe immer Asthma gekriegt. Außerdem ist es verdammt unbequem. Dieser klamme, muffige Zeltgeruch und das morgendlic­he Klo-, Duschund Zahnputz-Ritual. Nein, diese Adiletten-Gemeinscha­ft ist nicht meins. Schön finde ich es allerdings, im Wohnmobil Urlaub zu machen. Das ist dann mehr „Glamping“, also Glamour Camping.

Hatten Sie eine spezielle Beziehung zur früheren DDR? Raacke: Interessan­terweise gar nicht. Meine Generation richtete ihre Aufmerksam­keit nach Westen und wir hatten mit der DDR nichts am Hut. Das geflügelte Wort der „Brüder und Schwestern“hat mir nichts bedeutet. Für mich war die DDR ein fernes Land, grau und trüb und unnahbar. Erst nach dem Mauerfall nahm ich den Osten wirklich wahr und kam den Menschen näher, weil ich auch viel in Berlin gedreht habe. Später war ich mit einer Thüringeri­n zusammen und habe mit ihr den Osten kennen und lieben gelernt.

Es heißt, Ihre Chemielehr­erin sei aus Deutschlan­ds Osten gekommen und Sie hätten ihr das Leben im Unterricht schwer gemacht. Ist das wahr? Raacke: Ja, die haben wir total gedisst. Das ist mir erst jetzt wieder in den Sinn gekommen. Sie war wahrschein­lich eine Frau, die geflohen ist und voller Hoffnung war. Und dann bekam sie uns als Klasse. Wir haben ihr das Leben richtig schwer gemacht. Im Nachhinein tut mir das natürlich leid. Aber da sieht man mal, wie ignorant und ungerecht Schüler sein können. Sie sind in Ulm aufgewachs­en. An was erinnern Sie sich, wenn Sie an diese Zeit denken? Raacke: An Ulm habe ich schöne Erinnerung­en, da bin ich eingeschul­t worden, da ist meine Schwester geboren. Wir waren die Außerirdis­chen in der Stadt und hatten mit den Ulmern nur wenig zu tun, da wir auf dem Campus der Hochschule für Gestaltung etwas außerhalb lebten. Dort kamen die Dozenten aus aller Welt, das war sehr internatio­nal. Wir waren ein Dutzend Kinder etwa im selben Alter. Es war eine gute und prägende Zeit.

Schwäbisch haben Sie dann nie gelernt oder sprechen es zumindest nicht mehr? Raacke: Hessisch kann ich noch, Schwäbisch müsste ich mir wieder beibringen. Da ist nix hängengebl­ieben.

Sie gelten als disziplini­erter Läufer und sagten, Laufen sei die perfekte Melodie zur Inspiratio­n. Wie haben Sie das gemeint? Raacke: Ich war heute früh erst laufen. Inzwischen zwickt es zwar da und dort, aber natürlich sind mir Laufen und Frischluft wichtig. Ich gehe auch zum Textlernen in den Wald, weil ich da ungestört vor mich hinreden und mein imaginäres Gegenüber auch mal anbrüllen kann. Laufen ist einfach befreiend!

Und dabei können Sie Texte lernen? Raacke: Nein, nicht beim Laufen, das passt vom Rhythmus nicht. Textlernen geht nur im Spaziermod­us, das ist dann eher Gehirnjogg­ing.

Verursacht es bei Ihnen noch Phantomsch­merzen, wenn Sie einen „Tatort“im Fernsehen sehen? Raacke: Phantomsch­merzen? Nein, ganz im Gegenteil. Ich fühle mich dem Tatort nach wie vor verbunden. Das war so eine wichtige Zeit in meinem Leben, der Tatort hat mich populär gemacht und mir viele Türen geöffnet. Aber jetzt freue ich mich auch, ganz neue und unterschie­dliche Rollen zu spielen.

Interview: Josef Karg

Sendetermi­n Der zweite Teil des Dreiteiler­s „Honigfraue­n“wird am Sonntag um 20.15 Uhr im ZDF gesendet. Der dritte Teil folgt am Sonntag, 7. Mai. Barthold unentwegt Batic (hoher Emotionsgr­ad) provoziert und wieder zuschlägt. Das Opfer überlebt zum Glück. Barthold wird in U-Haft nach Straubing geschickt. Wie im Postkutsch­en-Western erweist sich der Transport zur Verhandlun­g in München als Falle für Batic und Leitmayr. Zumal ein korruptes Justizange­stellten-Pärchen auf dem Kutschbock sitzt.

Barthold (Glanzrolle für Gerhard Liebmann) findet sich ein bei einem harten Showdown in einer kubistisch anmutenden Fabrikhall­e. Leitmayr und Batic, beide schwer verletzt, plagen sich körperlich lädiert bis ans Ende des Falls. Batic ist selbst verdächtig, er lügt mehrfach seinen Partner an. Leitmayrs nach 26 Jahren Partnersch­aft verlässlic­her Bauch gerät jetzt gehörig ins Grummeln..

Mag sein, dass der BR-„Tatort“bei manchem aufgrund der Rückblende­n, blutiger Szenen und Drehbuchsp­rüngen nicht so recht ankommt. Regisseur Philip Koch erzählt im Münchner „Tatort“das Finale aus verschiede­nen Kamerapers­pektiven. Ist zwar nicht neu, verführt aber zum Mitdenken. Und die Silberrück­en Batic und Leitmayr zeigen den Jüngeren in anderen Bundesländ­ern, dass sie immer noch mithalten können. Ein ganz besonderer „Tatort“. Rupert Huber

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Foto: dpa Das tut weh: Kriminalha­uptkommiss­ar Ivo Batic (Miroslav Nemec) wird in der Tatort Folge „Der Tod ist unser ganzes Leben“angeschoss­en.

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