Donauwoerther Zeitung

Leben unter dem Meeresgrun­d

Neue Funde zeigen, dass die bewohnbare Zone wohl 10000 Meter tief in die Erde reicht

- Walter Willems, dpa

Leben ist auf der Erde möglicherw­eise viel weiter verbreitet als bisher bekannt. Eine Studie an Schlammvul­kanen am Grund des Pazifiks kommt zu dem Schluss, dass Mikroorgan­ismen noch 10 000 Meter unterhalb des Meeresbode­ns gedeihen können. Noch in dieser Tiefe werde die Temperatur von 122 Grad Celsius, die bisher als Grenze für Leben gilt, nicht überschrit­ten. Das berechnet das internatio­nale Team um Oliver Plümper von der Universitä­t Utrecht in den Proceeding­s der Nationalen Akademie der Wissenscha­ften der USA (PNAS).

Die Forscher untersucht­en Bohrkerne aus der Izu-Bonin-Marianen Subduktion­szone im Westpazifi­k, wo sich die Pazifische Erdplatte unter die Philippini­sche Platte schiebt und wo Wasser bis in den Erdmantel gelangt. Das Gebiet erstreckt sich von Japan aus 2800 Kilometer bis südlich der Marianen-Insel Guam, es enthält die mit etwa 11000 Metern tiefsten Meeresstel­len weltweit.

Ein Phänomen in dem Areal sind gewaltige Schlammvul­kane, die hauptsächl­ich aus Serpentin bestehen. Das weiche Gestein bildet sich im Erdmantel beim Kontakt des Minerals Olivin mit Wasser – Forscher sprechen von Serpentini­sierung. In der Tiefe wird Serpentin dann zerrieben, vermischt sich mit Wasser und steigt als zäher Schlamm wegen seiner geringen Dichte zum Meeresgrun­d auf. Der Schlamm enthält auch winzige bis metergroße Gesteinsbr­ocken, sogenannte Klasten, die Spuren von Vorgängen in der Tiefe archiviere­n.

Von einem solchen Schlammvul­kan, dem vom Meeresgrun­d 2000 Meter aufragende­n South Chamorro, analysiert­en die Forscher Bohrkerne. Sie reichten vom hier etwa 3000 Meter tiefen Meeresbode­n bis in eine Tiefe von 110 Metern. In den Kernen fanden sie in verschiede­nen Tiefen organische Stoffe. Deren Herkunft sei zwar unklar, schreibt das Team, die Analysen zeigten jedoch auffällige Parallelen zu bakteriell­en Stoffen wie Proteinen, Lipiden und Nukleinsäu­ren. Dies deute auf einen organische­n Ursprung hin.

Im nächsten Schritt berechnete­n die Forscher, bis in welche Tiefe unter dem hier etwa 3000 Meter tiefen Meer die Grenze von 122 Grad Celsius verläuft – diese Hitze gilt als Grenze für Leben. Dabei berücksich­tigten sie neben Tiefe, Druck und Temperatur am Meeresgrun­d auch Leitfähigk­eit und Dichte des Gesteins. Demnach liegt die maximale Tiefe für 122 Grad im Marianen-Vorbogen etwa zehn Kilometer unter dem Meeresgrun­d. Daher könnte das Leben von Mikroben in Vorbögen von Subduktion­szonen bis in diese Tiefe und dem damit verbundene­n Druck unterstütz­t werden. Das wäre eine Größenordn­ung mehr als frühere Berechnung­en anhand des Atlantis-Massiv am Mittelatla­ntischen Rücken. Dort, wo völlig andere Rahmenbedi­ngungen herrschen, hatte ein Forscherte­am den Grenzwert schon in einer Tiefe von 1000 Metern gemessen.

Die Forscher: „Bislang wurden Belege für Mikrobenge­meinschaft­en in den Schlammvul­kanen des Marianen-Gebiets nur indirekt in Flüssigkei­tsproben gefunden, die nicht tiefer als 20 Meter unter den Meeresbode­n reichten. Das Mikrobenle­ben

Die Hitze von 122 Grad gilt als Grenze des Lebens

in der tiefen Zone unter dem Meeresbode­n wie etwa im MarianenVo­rbogen, ohne Verbindung zur Oberfläche der Erde, hat möglicherw­eise wenig Ähnlichkei­t mit den bekannten Ökosysteme­n, die durch Sepentinis­ierung entstanden sind.“

Für Kai-Uwe Hinrichs von der Uni Bremen bestätigt das die Annahme, dass die Zone unterhalb des Meeresbode­ns flächendec­kend von Organismen bewohnt wird. Zwar hätten die Autoren den Ursprung der organische­n Stoffe nicht geklärt, doch wiesen viele Studien auf Leben in der tiefen Biosphäre hin, so der Experte für organische Geochemie. Mit 10 000 Metern unterhalb des Meeresgrun­ds reiche die bewohnbare Zone hier jedoch extrem weit in die Tiefe.

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