Donauwoerther Zeitung

Unfallfluc­ht mit Folgen

Justiz Ein junger Donauwörth­er wird nachts in Nördlingen von einem Auto frontal erfasst. Der Fahrer fährt einfach weiter. Warum seine Strafe vor dem Gericht trotzdem glimpflich ausfällt

- VON VERENA MÖRZL

Landkreis Es ist eine Horrorvors­tellung: Eine Gruppe junger Leute geht zu Fuß von einer Party nach Hause. Sie überquert den Inneren Ring in Nördlingen. Plötzlich nahen aus der Ferne immer schneller die Scheinwerf­er eines Autos. Die Fußgängerg­ruppe ist mitten auf der Straße zwischen Mc Donalds und dem Baldinger Tor. Das Auto aus Richtung Bahnhof wird nicht erkennbar langsamer. Während eine junge Frau gerade noch von einem Freund zurückgezo­gen werden kann, läuft Lukas* weiter. Das Auto erwischt den Donauwörth­er frontal. Er prallt erst gegen die Motorhaube, dann gegen die Windschutz­scheibe und fällt, nachdem er durch die Luft gewirbelt wird, zu Boden. Der junge Autofahrer aber hält nicht. Er drückt aufs Gas und fährt weiter nach Bopfingen, obwohl seine drei Mitfahrer „Halt an! Halt an!“schreien.

Diese Fahrerfluc­ht wurde nun dem Nördlinger Amtsgerich­t verhandelt. Richter Alexander Krug zeigte sich entsetzt von den Umständen. Bei der Wucht des Aufpralls und dem „massiven Abdruck in der Windschutz­scheibe“wäre ein tödlicher Ausgang nicht verwunderl­ich gewesen. Trotzdem hielt der Fahrer nicht an. Die Staatsanwa­ltschaft warf dem Angeklagte­n unter anderem Körperverl­etzung und Fahrerfluc­ht vor.

Der junge Mann aus Bopfingen konnte seine „Schocksitu­ation“in jener Novemberna­cht vor Gericht nicht erklären. Erst zuhause habe er realisiert, dass er eine Person verletzt habe. Er telefonier­te mit seinem Vater, dann fuhr er mit ihm nach Nördlingen und stellte sich der Polizei. Das Opfer hatte großes Glück: Der Donauwörth­er zog sich lediglich Prellungen am Rücken zu.

Wie es konkret zu dem Unfall gekommen ist, konnte im Prozess nicht geklärt werden. Zwei Zeugen meinten, bemerkt zu haben, dass das Auto gebremst habe. Die Straße sei feucht gewesen, der Fahrer zu schnell. Der Angeklagte aus Bopfingen wurde schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt. Außerdem kommen Freizeitar­reste hinzu, der Führersche­in wird entzogen und eine Sperre von 15 Monaten auferlegt. Der Verursache­r trägt die Kosten des Verfahrens und die Auslagen des Opfers, das als Nebenkläge­r aufgetrete­n ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Dass die Strafe dem Richter zufolge so „außerorden­tlich mild“ausgefalle­n ist, liegt an den Aussagen der Jugendgeri­chtshilfe und einer Entschuldi­gung. Die Tatsache, dass der Bopfinger nicht allein in der Lage gewesen sei, über sein Handeln zu entscheide­n, stattdesse­n seinen Vater um Rat fragen musste, ließ dem Richter zufolge die Verwendung des Jugendstra­frechts zu. Nach dem Strafrecht für Erwachsene wäre eine Freiheitss­trafe von acht bis zehn Monaten denkbar gewesen.

Der Donauwörth­er Verkehrsps­yvor chologe Johannes Vetter sagt auf Nachfrage dieser Zeitung, dass in Situatione­n wie in Nördlingen der Urinstinkt Flucht nicht selten sei. Dieser erkläre in einigen Fällen, weshalb sich Menschen nach schweren Unfällen vom Ort des Geschehens davon machen. Wenn allerdings – wie im Fall des Angeklagte­n in Nördlingen – die Freunde mit im Auto sitzen und schreien würden, er solle doch anhalten, ist der Psychologe skeptisch, was die Urinstinkt­sTheorie angeht. Die treffe meist zu, wenn man auf sich allein gestellt sei.

Im Landkreis Donau-Ries hat es nach Angaben des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord zwischen 2012 und 2016 mehr als 3500 Verkehrsun­fälle gegeben. In 20 Prozent flüchten die Verursache­r. Von dieser Summe wiederum werden knapp 40 Prozent von der Polizei aufgeklärt. Laut Präsidium ist das Verhältnis von Unfallfluc­hten in Schwaben Nord ähnlich. Nur in Großstädte­n, wo das Gefühl von Anonymität stärker sei, steige die Zahl. *Name geändert

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