Donauwoerther Zeitung

Nach der Wahl geht es für das Pfund bergab

Analyse Ökonomen zeigen sich erleichter­t über die Wahlschlap­pe Theresa Mays. Wie die Börsen reagiert haben

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Frankfurt am Main Nach der Wahlschlap­pe von Premiermin­isterin Theresa May ist ein harter Schnitt Großbritan­niens mit der Europäisch­en Union Volkswirte­n zufolge vom Tisch. Eine Einigung mit London bei den Brexit-Verhandlun­gen sei wahrschein­licher geworden, argumentie­rte Commerzban­k-Chefökonom Jörg Krämer. „Der harte Brexit wurde gestern abgewählt.“Ähnlich sieht es Allianz-Chefvolksw­irt Michael Heise: „Das Positive an dem Wahlausgan­g ist, dass es kein Mandat für einen harten Brexit gibt, der für die britische und die Wirtschaft der EU sehr nachteilig gewesen wäre.“

Die konservati­ve Partei von Theresa May hatte bei den vorgezogen­en Neuwahlen die absolute Mehrheit im britischen Parlament verloren. Allerdings hat auch die opposition­elle Labour-Partei keine Mehrheit. An den Aktienmärk­ten sorgte das Ergebnis zunächst für Erleichter­ung. Auch aus Sicht der Anleger scheinen die Chancen auf eine Einigung bei den Brexit-Verhandlun­gen gestiegen zu sein. Der Dax ging mit einem Plus von 0,80 Prozent auf 12 815 Punkte aus dem Handel, womit dem Leitindex nur knapp 63 Punkte bis zu seinem Rekordhoch vor einer Woche fehlen In London legte der Leitindex FTSE 100 zunächst deutlich um fast ein Prozent auf 7518 Punkte zu. Das britische Pfund setzte hingegen seine Talfahrt fort, stabilisie­rte sich aber am Nachmittag. Der Kurs des Euro hat sich dagegen nur wenig verändert. Viel mehr als die Nachrichte­n von der Insel spielte die jüngste Sitzung der Europäisch­en Zentralban­k vom Vortag am Markt eine Rolle. Am Abend wurde die Gemeinscha­fts- währung bei 1,1176 US-Dollar gehandelt. Die EZB hatte den Referenzku­rs zuletzt am Donnerstag auf 1,1229 Dollar festgesetz­t.

Nach Einschätzu­ng von Clemens Fuest, Chef des Münchner Wirtschaft­sforschung­sinstituts ifo, haben die Wahlen „die Ungewisshe­it, was die Brexit-Verhandlun­gen angeht, gesteigert“. Generell sehen Ökonomen die Position Londons bei den Gesprächen über den EU-Ausstieg Großbritan­niens, die eigentlich am 19. Juni beginnen sollen, geschwächt. Auch Neuwahlen sind aus ihrer Sicht nicht ausgeschlo­ssen.

„Die Position Mays wird geschwächt, sowohl innen- als auch außenpolit­isch“, argumentie­rte Helaba-Chefvolksw­irtin Gertrud Traud. Carsten Brzeski, Chefvolksw­irt der Bank ING-Diba, geht davon aus, „dass die Brexit-Verhandlun­gen noch länger und noch komplizier­ter werden. Man benötigt wohl eine gehörige Portion briti- schen Humors, um alles zu verdauen“.

Einen „Exit vom Brexit“hält Dekabank-Chefvolksw­irt Ulrich Kater allerdings für unwahrsche­inlich. Labour will zwar einen weicheren Brexit und eng mit der EU zusammenar­beiten. Aber die Entscheidu­ng der Briten vom vergangene­n Jahr, aus der EU auszutrete­n, will auch Labour-Chef Jeremy Corbyn nicht rückgängig machen. Einzig die Liberaldem­okraten wollen den Brexit noch verhindern, dies gilt jedoch als aussichtsl­os.

Umstritten ist, wie sich das Wahlergebn­is auf die wirtschaft­liche Entwicklun­g Großbritan­niens auswirkt. Manche Ökonomen rechnen mit negativen Folgen. Samuel Tombs, Chefvolksw­irt für Großbritan­nien bei der britischen Denkfabrik Pantheon Macroecono­mics, argumentie­rte hingegen: „Die Widerstand­sfähigkeit der Wirtschaft nach der Brexit-Abstimmung im vergangene­n Jahr deutet darauf hin, dass der Zusammenha­ng zwischen politische­r Unsicherhe­it und wirtschaft­licher Aktivität nicht besonders stark ist.“Allerdings komme das Wahlergebn­is zu einer Zeit, in der sich das Wachstum bereits abgeschwäc­ht habe.

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Foto: Will Oliver, dpa Der Komplex Canary Wharf im ehemaligen Hafengebie­t der britischen Hauptstadt beheimatet zahlreiche Unternehme­n aus der Fi nanzbranch­e. Die Auswirkung­en eines Brexit könnten hier besonders zu spüren sein.

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