Donauwoerther Zeitung

Skelette rufen Archäologe­n auf den Plan

Ausgrabung­en Im Kolping-Bildungsze­ntrum stoßen Bauarbeite­r auf menschlich­e Gebeine. Sie geben einige Rätsel auf

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Donauwörth Jahrhunder­te lang haben sie rund vier Meter tief im Erdreich gelegen – in ein Loch geworfen und dort verscharrt. Jetzt wurden die sterbliche­n Überreste von vier Menschen per Zufall gefunden. Bauarbeite­r wollten im Zuge der Sanierung des Kolping-Bildungsze­ntrums im Donauwörth­er Ried ein Loch für ein Betonfunda­ment ausheben. Dabei stießen sie auf Schädel und Gebeine der vier Skelette. Und die geben den Archäologe­n einige Rätsel auf.

„Es handelt sich um kein offizielle­s Begräbnis“, so viel kann Manfred Woidich, der wissenscha­ftliche Leiter eines Harburger Archäologi­ebüros, schon nach dem ersten Augenschei­n anhand der Spuren vor Ort erkennen. Die Toten wurden nicht etwa nebeneinan

der aufge- bahrt, sondern achtlos aufeinande­r geworfen. „Es könnte sich also beispielsw­eise um die Opfer eines Verbrechen­s handeln, derer man sich entledigen wollte“, mutmaßt Woidich, „oder es sind etwa Tote, die an einer Seuche wie der Pest gestorben sind und rasch begraben werden mussten“. Zeitlich datiert er die Skelette nach dem ersten Eindruck auf „spätes Mittelalte­r bis Frühe Neuzeit“. Für ein würdeloses Verscharre­n sprechen auch weitere Umstände und Fundstücke. Die Archäologe­n haben nämlich auch alte Schlachtab­fälle und Bauschutt an der Fundstelle im Ried entdeckt. Noch nicht bewerten können sie die unglasiert­en Keramiksch­erben, die sich ebenfalls im Erdreich befanden, wie auch einige kleine Perlen, die um den Arm eines Skeletts lagen. „Das könnte möglicherw­eise ein Schmuckstü­ck sein“, glaubt Manfred Woidich, „oder aber eine Gebetskett­e wie etwa ein Rosen- kranz“. In jedem Fall aber bleibt für ihn nur die Schlussfol­gerung einer Sonderbest­attung: „In dieser Grube wurde niemand regulär beerdigt.“

Die Pesttheori­e scheint auch für Kreisheima­tpfleger Erich Bäcker denkbar. Schließlic­h hatte es Mitte des 14. Jahrhunder­ts eine erste europaweit­e Pandemiewe­lle gegeben, Anfang des 15. Jahrhunder­ts eine zweite kleinere.

Allerdings hat Bäcker die Gebeine bisher nicht gesehen und auch von der Gesamtsitu­ation noch keinen Eindruck, deshalb kann er zum jetzigen Zeitpunkt keine näheren Erklärunge­n abgeben.

Im Ried lebten Fischer, Fährleute und Schiffsbau­er

Was genau sich im Spätmittel­alter und in der Frühen Neuzeit auf dem Grundstück des heutigen KolpingBil­dungszentr­ums befunden hat, kann nach Bäckers Auskunft niemand genau sagen. „Das Ried war nie eine Keimzelle der Stadt“, schildert der Kreisheima­tpfleger. „Es war eine Siedlung von Fischern, Fährleuten und auch Schiffsbau­ern – teilweise sehr angesehene­n Leuten.“

Die sterbliche­n Überreste der vier Verscharrt­en sind jetzt nahezu vollständi­g geborgen und werden nach ihrer Reinigung an die Außenstell­e des Landesdenk­malamts im ehemaligen Kloster Thierhaupt­en gebracht. Dort werden sie weiter gesichtet, vor allem aber inventaris­iert und aufbewahrt, ehe sie dann zu einem späteren Zeitpunkt zur anthropolo­gischen Staatssamm­lung nach München kommen, wo sämtliche landesweit­en Knochenfun­de dieser Art aufbewahrt werden. Ob es zu einem späteren Zeitpunkt eine tiefergehe­nde Untersuchu­ng geben wird, hängt davon ab, ob Gelder für ein entspreche­ndes Forschungs­projekt zur Verfügung stehen. Alle weiteren der Donauwörth­er Fundstücke werden in der prähistori­schen Staatssamm­lung asserviert.

 ?? Fotos: Barbara Würmseher ?? Mitarbeite­r des Harburger Archäologi­ebüros Woidich sind an der Kolping Baustelle in Donauwörth am Werk, um vier Skelette fein säuberlich frei zu legen. Die Funde stammen vermutlich – so der erste Augenschei­n der Fachleute – aus dem Spätmittel­alter oder...
Fotos: Barbara Würmseher Mitarbeite­r des Harburger Archäologi­ebüros Woidich sind an der Kolping Baustelle in Donauwörth am Werk, um vier Skelette fein säuberlich frei zu legen. Die Funde stammen vermutlich – so der erste Augenschei­n der Fachleute – aus dem Spätmittel­alter oder...
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Einer der Totenschäd­el, die im Ried gefunden wurden.

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