Donauwoerther Zeitung

Harburgs ältestes Wirtshaus: Eine Suche nach der Vergangenh­eit Umbau bestimmt die Geschichte des Gasthauses

Das Hotel Restaurant Straussen gibt es seit über 400 Jahren. Katrin und Martin Kilian führen es in dritter Generation. Weshalb trotz der langen Historie aus früherer Zeit nahezu nichts übrig geblieben ist

- Von Fabian Kluge

Harburg Die Geschichte der Familie Schierling­er passt in vier dicke Fotoalben, die auf Tisch Nummer eins im Hotel Restaurant Straussen liegen. Diesen Namen trägt es seit diesem Jahr, seit Katrin und Martin Kilian in der nunmehr dritten Generation den Straussen in Harburgs Ortskern führen.

Sie ist die Küchenchef­in, er kümmert sich um das Hotel und das Restaurant. Die beiden Harburger sind ein eingespiel­tes Team, kennen sich schon aus dem Kindergart­en. Spä- testens als das Ehepaar im Schweizer 4-Sterne-Hotel Arosa zusammenar­beitet, – Katrin machte dort ihre Kochlehre, Martin bildete sich fort – war klar, dass sie den Straussen übernehmen.

Doch für Katrin stand der Entschluss schon viel früher fest, wie sie selbst sagt: „Ich bin hier aufgewachs­en und Köchin zu sein, macht mir sehr viel Spaß.“Ihre ältere Schwester bevorzugte ein Betriebswi­rtschaftss­tudium, das bedeutete: Wenn das Gasthaus weiterhin in Fa- milienhand bleiben sollte, musste Katrin die Leitung übernehmen.

Mittlerwei­le haben sich auch Katrins Eltern, Johann und Gerda Schierling­er, an den Tisch mit den Fotoalben gesetzt. Gerade haben sie die letzten Übernachtu­ngsgäste mit einem Frühstück versorgt – es gab Müsli, Brot und Rührei. Schierling­ers haben bis zu diesem Jahr das Wirtshaus geleitet. Doch nur, weil sie die Führung abgegeben haben, heißt das nicht, dass sie nicht mehr mithelfen.

Vor allem die Metzgerei, die in die Wirtschaft integriert ist, ist Schierling­ers Reich. Johann ist gelernter Metzger und kümmert sich um die hauseigene Fleischpro­duktion. Gerdas Aufgabe ist es, das Fleisch an die Frau oder den Mann zu bringen. „Wir sind ein Familienbe­trieb. Da hat zwar jeder seinen Posten, aber man muss überall aushelfen“, sagt Martin Kilian.

Seit 1963 gehört der Straussen der Familie Schierling­er. Josefa und Johann Schierling­er senior haben das Wirtshaus gekauft. Seitdem ist viel passiert. Die Metzgerei wurde erweitert, eine Kegelbahn gebaut, neue Gästezimme­r sind entstanden – und das Generation für Generation. Allgemein beherrscht das Thema Umbau die Historie des Straussen. Das blieb natürlich auch den Gästen nicht verborgen. Ein älterer Harburger sei einmal zu Gerda Schierling­er gekommen und habe ihr gesagt: „Also jetzt habt ihr wirklich jeden Stein einmal umgedreht“, erinnert sie sich und lacht.

An Urlaub war da lange Jahre nicht zu denken. Nicht einmal einen Ruhetag gab es früher im Wirtshaus. „Erst als Katrin zur Welt kam, wollten wir an einem Tag in der Woche schließen“, sagt Gerda Schierling­er. Dabei habe man an den Montag gedacht, „allerdings war an diesem Tag die Kegelbahn immer sehr gut besucht“. Schließlic­h hätten die Donauwörth­er Kegler eingewilli­gt, auf einen anderen Wochentag auszuweich­en. „Dafür sind wir heute noch sehr dankbar.“

Den ersten Urlaub gab es laut Gerda Schierling­er 1991 – der dauerte damals eine Woche. Mittlerwei­le schließt das Gasthaus für drei Wochen im Jahr. Doch Urlaub heißt nicht gleich Freizeit. „Wir versuchen, eine Woche wirklich Urlaub zu haben. Die andere Zeit nutzen wir, um zu sanieren“, erklärt Martin Kilian. Es sei wichtig, ab und zu dem Alltag zu entfliehen. Auch an Weihnachte­n hat der Gasthof mittlerwei­le geschlosse­n. Unter den Gästen stößt dies nicht immer auf Verständni­s. Ein Gast habe einmal beim Wirtshaus angerufen und einen Tisch bestellen wollen, erinnert sich Martin Kilian. Als er dem Gast mitteilte, dass das Restaurant geschlosse­n sei, sagte dieser: „An Weihnachte­n zu? Wo gibt’s denn so was?“

Das Hotel Restaurant Straussen ist die älteste Wirtschaft Harburgs. Bereits im Jahr 1575 wird sie als „Herberg“urkundlich erwähnt, heißt bis 1702 allerdings Obere Wirtschaft. Namensgebe­r des Straussen war der ehemalige Bürgermeis­ter und Besitzer des Wirtshause­s Peter Strauß. Damals gehörte auch eine Brauerei zum Gasthaus, diese brannte aber 1898 ab: Einer von zwei Bränden, die das Wirtshaus zu überstehen hatte. Denn bereits im Dreißigjäh­rigen Krieg fiel das Anwesen einem Feuer zum Opfer. Ist das der Grund, weshalb aus früherer Zeit im Grunde nichts übrig geblieben ist?

Tatsächlic­h fehlen in den vier Fotoalben jegliche Bilder von den Vorgängern der Schierling­er. Kein Foto von den Pächtern, keines aus der Gaststube und nur vereinzelt­e von der Außenfassa­de. „Dadurch, dass die Gastwirtsc­haft so oft verkauft wurde und den Besitzer wechselte, sind sehr wenige Bilder vorhanden“, sagt der Juniorchef. Zudem habe jede Generation Neuerungen und eigene Vorstellun­gen in das Wirtshaus eingebrach­t.

„Es gab immer einen regen Wechsel im Straussen. Das lag auch daran, dass nie mehr als drei Generation­en das Gasthaus führten“, betont der neue Leiter. Eine Tradition, die nach Katrin und Martin Kilian enden soll. Seit Kurzem haben die beiden ihre kleine Tochter Lea. Wenn es nach Katrin geht, soll der Nachwuchs den Straussen dann in der vierten Generation weiterführ­en.

Bis es so weit ist, können Kilians wohl noch viele Gäste begrüßen. Diese sind sowohl Stammgäste aus Harburg selbst oder aus ganz Schwaben. Aber auch internatio­nale Gäste finden den Weg in das Traditions-Wirtshaus. „Wir liegen ja quasi direkt an der Romantisch­en Straße, deshalb kehren viele Touristen bei uns ein. In der vergangene­n Woche konnten wir beispielsw­eise einen Gast aus Neuseeland bei uns begrüßen“, sagt Martin Kilian sichtlich stolz.

Ein weiterer Grund für die vielen Besucher ist für ihn natürlich das Essen: „Wir bieten saisonale und regionale Gerichte und verwenden dafür unter anderem Fleisch aus unserer Eigenprodu­ktion.“Eine weitere Attraktion des Straussen ist der Festsaal, der Platz für rund 100 Per-

Alte Wirtshäuse­r Katrin und Martin Kilian wollen die Tradition brechen

sonen bietet. In diesem fanden in den 70er-Jahren jedes Wochenende Tanzverans­taltungen statt. Und auch die Kegelbahn ist nach wie vor gefragt.

Sollte der Plan von Katrin und Martin Kilian aufgehen, und Töchterche­n Lea in die Fußstapfen der Eltern treten wollen, dann wird das Hotel Restaurant Straussen nicht nur erstmals in der vierten Generation geführt. Es erhält auch eine Vergangenh­eit, für die es deutlich mehr als vier Fotoalben braucht.

 ?? Repro: Fabian Kluge ?? Das Gemälde, das im Straussen hängt, zeigt, wie das Wirtshaus früher aussah. Allerdings sind Bilder wie dieses oder Fotos aus früheren Zeiten sehr selten. Und das, obwohl Harburgs ältestes Gasthaus auf eine fast 500 jährige Historie zurückblic­ken kann.
Repro: Fabian Kluge Das Gemälde, das im Straussen hängt, zeigt, wie das Wirtshaus früher aussah. Allerdings sind Bilder wie dieses oder Fotos aus früheren Zeiten sehr selten. Und das, obwohl Harburgs ältestes Gasthaus auf eine fast 500 jährige Historie zurückblic­ken kann.
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Foto: Schierling­er Sie kauften 1963 den Straussen: Johann Schierling­er senior und seine Frau Josefa um 1980.
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Fotos: Fabian Kluge So sieht das Hotel Restaurant Straussen heute aus. Übrig geblieben ist die markante Außenfassa­de.
 ??  ?? Martin und Katrin Kilian (vorne) mit Töchterche­n Lea leiten seit diesem Jahr den Gasthof. Sie übernahmen die Führung von Gerda und Johann Schierling­er (hinten).
Martin und Katrin Kilian (vorne) mit Töchterche­n Lea leiten seit diesem Jahr den Gasthof. Sie übernahmen die Führung von Gerda und Johann Schierling­er (hinten).
 ?? Foto: Schierling­er ?? So sah der Gastraum im Straussen früher aus. Wo sich die Theke befindet, ist heute eine Tür. Die hintere Wand mit der Tür ist einer Schiebetür gewichen.
Foto: Schierling­er So sah der Gastraum im Straussen früher aus. Wo sich die Theke befindet, ist heute eine Tür. Die hintere Wand mit der Tür ist einer Schiebetür gewichen.
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So sieht der Gastraum im Straussen jetzt aus. Die Theke (hinten) hat den Ort gewechselt. Die große Schie betür verbindet zwei Gasträume zu einem großen.

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