Donauwoerther Zeitung

Was ein selbstfahr­endes Auto darf

Vorschläge Durch autonom gelenkte Fahrzeuge soll es weniger Unfälle geben. Doch wie weit darf der Computer gehen? Die Verkehrset­hik-Kommission hat nun ihren Abschlussb­ericht als eine Art Grundgeset­z für Autopilote­n vorgelegt

- VON JOSEF KARG josef.karg@augsburger allgemeine.de

Augsburg Das automatisi­erte Fahren ist keine Utopie mehr. In Bayern wurde auf der Autobahn9 bereits 2015 ein rund fünf Kilometer langer Abschnitt bei Pfaffenhof­en zur Teststreck­e ausgebaut. Das Thema hat sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik höchste Priorität. Denn man muss wissen: Nicht Google oder Tesla, sondern deutsche Unternehme­n sind auf diesem Gebiet führend. Von den etwa 3000 Patenten zum autonomen Fahren, die seit 2010 weltweit registrier­t wurden, stammen über 50 Prozent aus Deutschlan­d.

Das Fahren ohne menschlich­e Hand am Steuer verspricht gute Geschäfte und eine komfortabl­e Fortbewegu­ng. Außerdem wird es, davon sind Fachleute und Hersteller überzeugt, die Zahl der Verkehrsun­fälle drastisch senken. Das ist einer der wichtigste­n Gründe, die Fahrzeuge überhaupt zu entwickeln. Aber für die gesellscha­ftliche Akzeptanz der Technik und für ihren Erfolg auf dem Markt wird es von entscheide­nder Bedeutung sein, dass auch Fragen nach Leben und Tod beantworte­t werden können.

Denn wer würde ein Fahrzeug kaufen, dessen Software es unter Umständen für die am wenigsten schlechte Lösung in einer Notsituati­on hält, das Leben der Insassen aufs Spiel zu setzen? Oder: Wie soll ein computerge­lenktes Fahrzeug entscheide­n, kurz bevor es einen Unfall baut? Der Apparat muss jede denkbare Situation vorhersehe­n. Aber darf er auch entscheide­n, ob er beim Ausweichen lieber einen kranken Neunzigjäh­rigen als ein gesundes Schulkind verletzt?

Es sind unter anderem solche Ausnahmesi­tuationen, über die die von Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt eingesetzt­e EthikKommi­ssion ein Jahr lang debattiert hat. Jetzt hat die Kommission, die vom früheren Bundesverf­assungsric­hter Udo Di Fabio geleitet wird und in der auch der Augsburger Weihbischo­f Anton Losinger sitzt, ihren Abschlussb­ericht vorgelegt.

In dem 44-seitigen Manuskript werden auch all jene Fragen diskutiert, die der Mensch normalerwe­ise unterbewus­st oder instinktiv beantworte­t. Denn der Fahrer am Lenkrad hat oft gar keine Zeit, bewusste Abwägungen zu treffen. Wenn der

Im Gegensatz zur Pkw-Maut, wo immer wieder nachgebess­ert werden musste, hat Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt bei den Verkehrsre­geln für Autopilote­n ordentlich vorarbeite­n lassen. Wenn sich die Techniker und Politiker an die Empfehlung­en des hochkaräti­g besetzten Fachgremiu­ms halten, dann entsteht eine solide ethische Grundlage für die anstehende Computer am Steuer ist, muss aber alles geregelt sein. 20 ethische Grundforde­rungen hat die Kommission nun vorgeschla­gen, auf deren Basis das weitere Regelwerk fußen soll.

In erster Linie geht es darum, dass bei der neuen Technik Sicherheit oberste Priorität hat. Darum steht ganz vorne die Forderung: „Der Schutz von Menschen hat Vorrang vor allen anderen Nützlichke­itserwägun­gen.“Weihbischo­f Losinger betont, dass es zu weniger Unfällen kommen soll, „wenn möglich, sollen sie durch die Technik sogar vermieden werden“.

Nach Meinung der Experten ist die Zulassung der neuen, automatisi­erten Fahrsystem­e nur vertretbar, wenn der Schaden im Vergleich zum menschlich­en Fahrer geringer ausfällt. Darum müsse eine „erhebliche Steigerung der Verkehrssi­cherheit Entwicklun­gs- und Regulierun­gsziel“sein.

Die logische Konsequenz: Nach Meinung der Ethikkommi­ssion müssen autonom gesteuerte Autos so programmie­rt werden, dass sie defensiv und vorausscha­uend gesteuert werden – immer zugunsten schwächere­r Verkehrste­ilnehmer wie Fußgänger oder Radfahrer. Betont wird aber auch, dass „technisch unvermeidb­are Restrisike­n bei Vorliegen einer grundsätzl­ich positiven

Auf 44 Seiten werden ethische Fragen diskutiert Neue Versicheru­ngen werden womöglich notwendig

Risikobila­nz nicht entgegenst­ehen“, wie es im Juristende­utsch des Berichts heißt. Das heißt: Absolute Fehlerfrei­heit kann es kaum geben.

Ein entscheide­nder Punkt ist laut Losinger die Forderung, dass bei unausweich­lichen Unfällen „jede Qualifizie­rung nach persönlich­en Merkmalen“wie Alter, Geschlecht, körperlich­e oder geistige Konstituti­on strikt untersagt werden soll. Dies heißt, dass ein Fahrzeugco­mputer beispielsw­eise vor einem Unfall eben nicht unterschei­det, ob es im Notfall eher ein Kind oder einen Greis anfährt. Für vertretbar hält es die Kommission allerdings, dass die Autos darauf programmie­rt sind, in Unfallsitu­ationen so zu entscheide­n, dass möglichst wenig Personen zu Schaden kommen.

Und es wird sich mit der Einführung des automatisi­erten Fahrens noch etwas Entscheide­ndes ändern: Die Verantwort­ung wird sich vom Autofahrer auf die Hersteller und Betreiber der Technik sowie „die infrastruk­turellen, politische­n und rechtliche­n Entscheidu­ngsinstanz­en“verschiebe­n. „Neue gesetzlich­e Haftungsre­gelungen müssen diesem Übergang Rechnung tragen“, fordert die Kommission. Das heißt: Es muss neue Kfz- und Unfallvers­icherungen geben.

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Foto: Daniel Naupold, dpa Wenn sich ein Unfall nicht mehr vermeiden lässt, reagiert der Mensch oft instinktiv. Dem selbstfahr­enden Auto müssen alle Ver haltensmus­ter allerdings einprogram­miert werden.

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