Donauwoerther Zeitung

Rüttelprob­e vor Schnitzel Verzehr?

Justiz Im Wirtshaus bricht ein Stuhl und dem Gast das Sprunggele­nk. Gibt es dafür Schmerzens­geld?

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Am 11. 11. 2015 hat es um 19 Uhr in einem Wolnzacher Gasthaus mit Massivholz­bestuhlung Schnitzel gegeben. Anlass zur Einverleib­ung der panierten Fleischlap­pen war die Faschingss­ause einer örtlichen Vereinigun­g. Schön war es, das erste Weißbier stand zwecks Nachspülen­s bereit, gemütlich hätte es werden können. Aber es krachte dann, gerade als der zweite Bissen bereits aufgespieß­t war, sehr unkomforta­bel. Zerbrochen war ein Stuhl und zweifach gebrochen war das Sprunggele­nk eines Gastes, der sich bis gerade noch genüsslich für die Anstrengun­gen der fünften Jahreszeit hatte stärken wollen.

Kraft braucht der Mann, 42, denn eineinhalb Jahre später hat er immer noch Schmerzen. Weshalb am Landgerich­t Ingolstadt in einem Zivilverfa­hren die Pflichten seines Wirtes verhandelt werden. Der Gast hatte auf 10 000 Euro Schmerzens­geld geklagt und fordert zusätzlich 1500 Euro Schadeners­atz für Behandlung­skosten. Er war nach dem Zusammenbr­uch mehrere Monate arbeitsunf­ähig gewesen. Das Gericht muss nun klären, was der Wirt hätte tun können, um seinen Gast vor dem Ungemach eines einbrechen­den Stuhles zu schützen.

Dessen Anwalt, Herrmann Hammermeie­r, forderte gestern dann eher halbpräzis­e, dass der Wirt täglich „Stuhlprobe­n“vornehmen müsse. Der und die Anwältin seiner Haftpflich­tversicher­ung, Iris-Maria Jandel, wiesen auch das amüsiert von sich. Sie sind aber vor allem der Meinung, dass es nicht die Aufgabe eines Wirtes ist, täglich an Stuhlbeine­n zu rütteln, um zu testen, ob das Trumm hält. In schönstem Juristende­utsch geht es um die „Reichweite der Verkehrssi­cherungspf­licht“. Jandl sieht Wirte da deutlich weniger in der Verantwort­ung als Hammermeie­r. Es sei in bayerische­n und deutschen Wirtshäuse­rn wohl kaum üblich, dass dort täg- lich, bevor die Gäste erscheinen, an Stuhlbeine­n gezogen werde. Und außerdem: Am Ende löse man dabei noch den Leim. Beim Wolnzacher Corpus Delicti hatte es genau daran gelegen. Hammermeie­r argumentie­rt: Je älter der Stuhl, desto notwendige­r die regelmäßig­e „Probe“. Und das Ding, das an Fasching entzweigin­g, sei älter als 20 Jahre gewesen. Ein Vergleich scheidet für die Versicheru­ng aus, weil man keinen Präzedenzf­all schaffen möchte. Richterin Birgit Piechulla ließ erkennen, dass sie tägliches Gerüttel an Stühlen für „praxisfrem­d“hält.

Wirt und Gast sind übrigens gut bekannt. Nach der Entscheidu­ng des Gerichts im Juli könnten ein Schnitzel und eine Halbe Bier helfen. Und vorher noch am Stuhl wackeln.

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Das Corpus Delicti

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