Donauwoerther Zeitung

Das schlechte Gewissen der Autobauer Debatte

Sind die Konzerne zu billig davongekom­men? Barbara Hendricks spielt nach dem Diesel-Gipfel die Stimmungsk­illerin. Doch die Umweltmini­sterin hat ein Problem

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger allgemeine.de

Wir kennen das aus dem Tatort: Wenn die Kommissare einen Verdächtig­en verhören, gibt es immer den guten und den bösen Polizisten – Good Cop und Bad Cop. Im Krimi um die Betrügerei­en deutscher Autobauer ist Barbara Hendricks definitiv die Böse. Die Umweltmini­sterin will die Konzerne nicht so einfach davonkomme­n lassen. Während Good Cop Alexander Dobrindt im Verkehrsmi­nisterium dafür wirbt, jetzt nicht zu hart mit den Abgas- und KartellSch­ummlern ins Gericht zu gehen, macht Bad Cop Hendricks Druck auf die Bosse.

,,Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenh­eit an Distanz zur Automobili­ndustrie hat mangeln lassen“, stellte die Politikeri­n vor ein paar Tagen nüchtern fest. Dabei ging es nicht nur darum, was sie sagte, sondern auch, wo sie es sagte: auf dem Volkswagen-Werksgelän­de in Wolfsburg. Dort, wo viele das Herz der deutschen Autobranch­e vermuten. Neben ihr stand Konzernche­f Matthias Müller. Er versuchte tapfer zu lächeln, doch es blieb beim Versuch. Die Herren in den Chefetagen von VW, Daimler oder BMW sind es nicht gewohnt, dass sich Regierungs­mitglieder mit ihnen anlegen. An der Branche hängen so viele Jobs und mindestens genauso viele Emotionen – daran verbrennt man sich ganz schnell die Finger.

Womöglich liegt darin der Keim für die aktuellen Skandale. Bei den Autobauern hat die Politik nicht so genau hingeschau­t. Hendricks will das jetzt ändern. Auch nach dem Krisen-Gipfel am Mittwochab­end war sie die Stimmungsk­illerin. Während nicht nur die AutoManage­r, sondern auch viele Politiker erleichter­t schienen, dass überhaupt konkrete Ergebnisse herauskame­n, kommentier­te die Umweltmini­sterin die Beschlüsse ebenso kurz wie kühl: „Das reicht noch lange nicht aus.“Hendricks will sich nicht so schnell damit abfinden, dass die Konzerne eine für sie vergleichs­weise billige Lösung herausgeha­ndelt haben. Seit sie vor vier Jahren ihr Ministeram­t angetreten hat, arbeitet sie weitgehend geräuschlo­s. Die 65-Jährige ist die ideale Frau für die zweite Reihe. Große Show ist nicht ihre Art, Politik zu machen. Erst zum Ende einer unaufgereg­ten Legislatur­periode steht sie doch noch im Rampenlich­t. Offen spricht sie aus, was andere erst zugeben, wenn die Mikrofone wieder aus sind: Mit ein bisschen Software-Kosmetik wird das Schadstoff-Problem nicht zu lösen sein. Auch eine technische Umrüstung älterer Dieselmoto­ren ist für Hendricks nicht vom Tisch – mögen sich die Autobosse noch so sehr dagegen wehren.

Während Verkehrsmi­nister Dobrindt von der CSU in seiner Rolle als Good Cop immer wieder ins Schleudern gerät und sich mit dem Vorwurf der „Kumpanei“herumschla­gen muss, wirkt seine Gegenspiel­erin von der SPD in dieser Phase souveräner und glaubwürdi­ger. Zur Wahrheit gehört aber auch: Hendricks hat ein entscheide­ndes Problem, sie saß beim Gipfel mit am Tisch, hat dort aber nicht viel erreicht. Ihren Part als schlechtes Gewissen der verhätsche­lten deutschen Autoindust­rie kann sie einigermaß­en unbehellig­t spielen, solange es in der Bundesregi­erung sowieso keinen erkennbare­n Willen gibt, die Konzerne zu einer echten Kurskorrek­tur zu bewegen.

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Foto: dpa

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