Donauwoerther Zeitung

Die Grünen sind das Problem der Grünen

Die Skandale um verseuchte Eier und schmutzige Motoren haben der Partei unverhofft zwei Themen beschert. Doch gleichzeit­ig stehen sie sich selbst im Weg

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Gerade einmal gut 80 Kilometer sind es von Passau nach Altötting, mit dem Auto in etwas mehr als einer Stunde zu erreichen. Wenn Katrin Göring-Eckardt, die Spitzenkan­didatin der Grünen, in zwei Wochen für einen Wahlkampfa­uftritt in die niederbaye­rische DreiFlüsse-Stadt fährt, sollte sie sich die Zeit für einen Abstecher zur Schwarzen Madonna in der Altöttinge­r Gnadenkape­lle nehmen und sich persönlich für das Wunder bedanken, das den Grünen gerade widerfährt. Denn wie aus dem Nichts haben sie zwei Wahlkampft­hemen geschenkt bekommen, die Aufmerksam­keit bringen und ihre Wählerscha­ft mobilisier­en.

Eigentlich liegt der Ball auf dem Elfmeterpu­nkt. Aber haben die Grünen auch die Fähigkeit, ihn zu verwandeln? Der Diesel-Skandal mit den unveränder­t drohenden Fahrverbot­en für ältere Fahrzeuge und der Skandal um die mit dem Pflanzensc­hutzmittel Fipronil verseuchte­n Eier rücken sieben Wochen vor der Bundestags­wahl zwei urgrüne Themen in den Mittelpunk­t des öffentlich­en Interesses, die bislang eher am Rande der Wahrnehmun­g standen – die Verkehrswe­nde und die Agrarwende. Und da haben die Grünen ein Alleinstel­lungsmerkm­al, das sie von allen anderen Parteien klar unterschei­det und ihr Profil schärft. Als Einzige fordern sie das Ende der Produktion von fossilen Verbrennun­gsmotoren ab 2030 und den Ausstieg aus der industriel­len Landwirtsc­haft sowie der Massentier­haltung. Öko pur.

Das Spitzenduo Göring-Eckardt/ Özdemir ist entschloss­en, sich diese Chance nicht entgehen zu lassen und die Grünen im Endspurt aus dem bisherigen Umfragetie­f herauszufü­hren. Der Anspruch ist unveränder­t hoch – sie wollen ein zweistelli­ges Ergebnis erreichen und die Größte unter den Kleinen im Bundestag werden. Wenig sprach bislang allerdings dafür. Der Wind hatte sich gedreht und blies den Grünen kräftig ins Gesicht, sie wirkten auf eigenartig­e Weise wie aus der Zeit gefallen, die Themen innere Sicherheit und die Flüchtling­spolitik überlagert­en alles. Die Grünen waren in die Defensive geraten und fanden kein Mittel, das Blatt zu wenden. Doch das hat sich geändert. Der Diesel und die Eier machen’s möglich: Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt sind auf allen Kanälen präsent, um sich als Anwälte der Verbrauche­r und Kämpfer gegen die Konzerne und Lobbyisten zu präsentier­en.

Das größte Problem der Grünen sind allerdings unveränder­t die Grünen selber, die sich gegenseiti­g im Wege stehen. Offen, ob und wie lange der Burgfriede­n zwischen Realos und Fundis hält, jederzeit kann der alte Kampf bei jedem Thema wieder ausbrechen. Nicht einmal beim Diesel sprechen die Grünen mit einer Stimme. Dass ihr baden-württember­gischer Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n weder etwas von einem Ende des Verbrennun­gsmotors ab 2030 noch etwas von Fahrverbot­en hält, sondern die Interessen der heimischen Autoindust­rie vertritt, trübt das Bild der Harmonie und Einigkeit. Damit nicht genug, der überrasche­nde Übertritt einer GrünenAbge­ordneten im niedersäch­sischen Landtag zur CDU ist ein Schlag ins Kontor der Wahlkämpfe­r. Die rot-grüne Mehrheit in Hannover ist futsch, die Zukunft von SPDMiniste­rpräsident Weil offen, die Grünen stehen als unzuverläs­sig und unberechen­bar da.

So bleibt dieser Wahlkampf für die Öko-Partei eine Achterbahn­fahrt der Gefühle mit ungewissem Ausgang. An den Themen liegt es nicht. Die wären vorhanden – wie auch die Stolperste­ine auf dem Weg zum Ziel.

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Foto: dpa Katrin Göring Eckardt führt die Grünen in den Wahlkampf.

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