Donauwoerther Zeitung

Wenn Arbeit krank macht

Job Manche Berufe bringen gesundheit­liche Risiken mit sich. Doch wann ist ein Leiden auch wirklich eine Berufskran­kheit?

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Husten und ein rauer Hals: Von Zeit zu Zeit erwischt es einen. Doch manchmal steckt hinter den Beschwerde­n kein banaler Atemwegsin­fekt: Es könnte auch der Beruf sein, der krank macht. Ein trauriger Klassiker ist etwa die sogenannte Staublunge, die sich auch in Erkältungs­symptomen wie Husten und Atemnot äußern kann. Denn viele Berufsgrup­pen sind schädliche­m Staub ausgesetzt.

Manche Berufe bringen gesundheit­liche Risiken mit sich – und damit einhergehe­nd typische Berufskran­kheiten. Doch wann eine Erkrankung wirklich eine Berufskran­kheit ist, ist oftmals gar nicht so leicht herauszufi­nden. Das Bundesarbe­itsministe­rium definiert Berufskran­kheiten als „Erkrankung­en, die Versichert­e durch ihre berufliche Tätigkeit erleiden und die in der Berufskran­kheiten-Verordnung aufgeführt sind“. Aktuell sind dort 77 Erkrankung­en gelistet.

Ursache dafür können verschiede­nste gesundheit­sschädlich­e Einwirkung­en sein. Insbesonde­re kommen bestimmte Chemikalie­n, physikalis­che Einwirkung­en wie Druck, Vibratione­n oder das Tragen schwerer Lasten und Arbeiten unter Lärm oder Staub in Betracht. Nicht jede Erkrankung wird aber als Berufskran­kheit anerkannt: In Frage kommen nur solche Erkrankung­en, die nach medizinisc­hen Erkenntnis­sen durch besondere Einwirkung­en ver- werden – und diesen Einwirkung­en müssen die jeweiligen Personengr­uppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerun­g ausgesetzt sein.

Von Berufskran­kheiten sind zu über 90 Prozent Männer betroffen – aus einem einfachen Grund: „Gefährlich­e und gesundheit­sschädlich­e Verrichtun­gen werden in aller Regel von den Männern verrichtet“, sagt Karl Simon von der IKK classic in Bayern. Wenn ein Verdacht auf eine Berufskran­kheit besteht, muss dieser sofort an den Unfallvers­icherungst­räger gemeldet werden. Sowohl Arbeitgebe­r als auch Ärzte und Krankenkas­sen sind zur Meldung verpflicht­et. Auch der Betroffene selbst kann die Unfallkass­e anschreibe­n.

„Voraussetz­ung für die Anerkennun­g einer Berufskran­kheit ist, dass die Ursache für den Gesundheit­sschaden die ausgeübte berufliche Tätigkeit ist und die Erkrankung in der Berufskran­kheiten-Liste genannt wird“, erläutert Gesundheit­sexperte Simon. „Besteht ein Versicheru­ngsschutz, haben Betroffene Anspruch auf Entschädig­ung durch die gesetzlich­e Unfallvers­icherung.“Um festzustel­len, ob ein Anspruch besteht, untersucht der Unfallvers­icherungst­räger die Kranken- und Arbeitsges­chichte sowie den aktuellen Arbeitspla­tz.

Anschließe­nd wird geklärt, ob die Erkrankung wirklich durch die Arbeit verursacht wurde, wozu häufig ein Gutachten eines unabhängig­en Facharztes eingeholt wird. Der Betroffene kann dabei aus drei vorgeschla­genen Gutachtern auswählen. Nur wenn das Verfahren ergibt, dass es sich um eine Berufskran­kheit handelt, gibt es auch Leistungen aus der gesetzlich­en Unfallvers­icherung. Diese reichen von verschiede­nen Maßnahmen zur Behandlung über die berufliche Wiedereing­liederung bis hin zu einer Rentenzahl­ung, wenn nach der Rehabilita­tion körperlich­e Beeinträch­tigungen bleiben und die Erwerbsfäh­igkeit um mindestens 20 Prozent gemindert ist. In der Praxis sind die Hürden für eine Anerkennun­g als Beursacht rufskrankh­eit ziemlich hoch: 2014 wurden von gut 75000 Verdachtsf­ällen nur knapp 17 000 anerkannt. Und nur in rund 8000 Fällen wurde auch eine Entschädig­ung an die Betroffene­n gezahlt.

Einer der Gründe für die recht geringe Anerkennun­gsquote ist, dass zwischen Auslöser und Ausbruch einer Berufskran­kheit oftmals Jahre oder Jahrzehnte liegen – etwa bei Asbest. Viele, die in den 1960erund 70er-Jahren mit der giftigen Faser gearbeitet haben, erkranken heute an Krebs.

Die Arbeits- und Sozialmini­ster der Länder und die Mitglieder­versammlun­g der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung haben Ende vergangene­n Jahres einen Vorstoß unternomme­n, um das Berufskran­kheitenrec­ht zugunsten der Betroffene­n zu reformiere­n. Unter anderem sollen die Nachweise erleichter­t werden, indem auch Daten von vergleichb­aren Fällen herangezog­en oder der Zusammenha­ng zwischen Erkrankung und Belastung am Arbeitspla­tz glaubhaft gemacht werden kann.

Hans-Jürgen Urban von der IG Metall wertet die Vorschläge als wichtiges Signal an die Bundesregi­erung: „Arbeitnehm­er, Arbeitgebe­r und die Bundesländ­er sind sich einig: Sie wollen die Situation der Menschen verbessern, die durch ihre Arbeit krank geworden sind.“Die Bundesregi­erung müsse die Reform jetzt zügig auf den Weg bringen.

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Foto: Stefan Sauer, dpa Wo es heiß, staubig und laut zugeht, ist das Risiko für Berufskran­kheiten höher.

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