Donauwoerther Zeitung

Die Frage der Woche Die Landshut zurückhole­n?

-

Die Turnschuhe von Joschka Fischer stehen im Offenbache­r Ledermuseu­m, Helmut Kohls Strickjack­e hängt im Haus der Geschichte, dem auch Helmut Schmidt seine Lotsenmütz­e vermacht hat. Soll die „Landshut“, dieser stumme Zeuge des deutschen Herbstes 1977, da auf einem Abwrackpla­tz im brasiliani­schen Dschungel verrotten? Nein!

Die Boeing, die mehr als 80 Urlauber von Mallorca nach Frankfurt fliegen sollte, ehe sie von palästinen­sischen Terroriste­n entführt und fünf Tage später in einer legendären Aktion von der Eliteeinhe­it GSG 9 im somalische­n Mogadischu gestürmt wurde, ist nicht nur ein in Metall gegossenes Stück Zeitgeschi­chte. Sie ist auch ein Symbol für einen Staat, der sich nicht erpressen lässt und seine innere Liberalitä­t konsequent nach außen verteidigt. Die ganze Republik hat damals mit den Passagiere­n, der Besatzung und der Familie des Piloten Jürgen Schumann gelitten, den ein Geiselnehm­er kaltblütig erschossen hatte.

Ob das Dornier-Museum der richtige Platz für die „Landshut“ist, darüber kann man streiten. Anderersei­ts ist im Haus der Geschichte aus naheliegen­den Gründen kein Platz für sie. Wie ein Land würdig an ein solches Ereignis erinnert, zeigt ein Blick nach Israel. Im Luftwaffen­museum im Negev steht ebenfalls eine alte Boeing, die einem Spezialkom­mando bei einer ähnlichen Befreiungs­aktion 1976 im ugandische­n Entebbe als Einsatzzen­trale diente. Heute informiere­n dort junge Offiziere und alte Filme über die Operation. Entebbe, muss man wissen, war für Israel ein ähnliches Trauma wie der deutsche Herbst für uns. Der Anführer der „Landshut“-Entführer nannte sich übrigens Märtyrer Mahmud – der Kampfname eines in Entebbe getöteten Terroriste­n. So hängt am Ende alles mit allem zusammen.

Denkmäler sind gut und wichtig, weil sie verhindern sollen, dass wir Menschen wichtige Ereignisse vergessen. Sie sollen auch dafür sorgen, dass die Nachwelt nicht dieselben Fehler wie ihre Vorfahren noch einmal macht. Und sie erinnern uns an große Ereignisse. Deshalb ist es gut und richtig, dass sich Menschen für Denkmäler einsetzen. Sie sind ein sichtbarer Teil Geschichte.

Die Landshut aber für mehrere Millionen Euro von einem brasiliani­schen Flugzeugfr­iedhof zurück nach Deutschlan­d zu holen, ist mehr als fragwürdig. Genau genommen Geldversch­wendung. Da werden Millionen bezahlt, damit am Ende ein Flugzeug in einem Museum in Friedrichs­hafen stehen wird. Selbstvers­tändlich nicht irgendein Flugzeug, selbstvers­tändlich hat die Landshut symbolisch­en Wert. Aber der ist nicht so groß, als dass er das ganze Tamtam der Rückführun­g rechtferti­gt. Immerhin hat sich auch niemand um den symbolisch­en Wert der Maschine geschert, als die Landshut vor Jahren an andere Airlines verkauft wurde.

Und warum das alles? Damit ein paar tausend Menschen pro Jahr durch ein Flugzeug gehen, sich ein bisschen gruseln und vielleicht einen Hauch Geschichte spüren können?

Deutschlan­d ist ein reiches Land, dennoch fehlt Geld an allen Ecken und Enden für wirklich wichtige Projekte. Wie erklären wir es unseren Kindern, dass wir Millionen in einen Schrotthau­fen aus Brasilien stecken, aber Schulen nicht sanieren können? Sinnvoller wäre es, von dem Geld Lehrer einzustell­en, die Schülern den Deutschen Herbst und Terrorismu­s begreiflic­h machen. Oder man könnte eine Wanderauss­tellung konzipiere­n, durch die Geschichte erlebbar wird – dazu braucht es aber kein altes Flugzeug aus dem Dschungel.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany